
Konservativ, aber laut: Rechte Frauengruppen werden auch innerhalb der Szene nur geduldet. Bild: Getty Images / sturti
Interview
Das Phänomen der rechtsaktivistischen Frauengruppen ist nicht erst in den letzten Jahren aufgekommen. Neu ist aber, dass sich die Kanäle durch Social Media ändern. Wie sich das einordnen lässt, haben wir mit Politikwissenschaftlerin Juliane Lang von der Uni Gießen besprochen. Sie forscht seit mehr als 20 Jahren zum Thema Rechtsextremismus und Geschlecht.
27.04.2025, 15:2127.04.2025, 15:21
watson: Wie viele Frauen gehören der rechten Szene an?
Juliane Lang: Rechtsextreme Einstellungen sind auch bei Frauen weitverbreitet. Trotzdem wählen Frauen seltener extreme Parteien. In Regionen, in denen die AfD als "normale" Partei wahrgenommen wird, ändert sich das allerdings: Dort holen sie zunehmend auch Stimmen von Frauen. Das zeigt, wie stark die Wahlentscheidung mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung einer Partei zusammenhängt.
Wie werden rechte Frauen in der Gesellschaft wahrgenommen?
Ihre extrem rechten Haltungen werden häufig verharmlost oder als "nachgeplappert" abgetan. Das zeigt, wie sehr Frauen in diesen Strukturen mit einer doppelten Unsichtbarkeit kämpfen: politisch nicht ernst genommen und in ihrer Radikalität unterschätzt.
"Die Rede vom 'zu woken' Feminismus wird von rechten Gruppen verwendet, um sich Teile des Feminismus anzueignen, die sie politisch nützlich finden."
Was wollen Frauen in rechten Gruppierungen eigentlich – und wie inszenieren sie ihre Weiblichkeit?
Rechte Frauen agieren oft widersprüchlich: Einerseits greifen sie traditionelle Rollenbilder auf und inszenieren sich als Frauen und Mütter. Andererseits treten sie teils kämpferisch auf und fordern politische Sichtbarkeit ein.
Nutzen rechte Frauen feministische Errungenschaften, um ein rückwärtsgewandtes Weltbild zu legitimieren?
Sie treten eigenständig an die Öffentlichkeit und fordern eine Sichtbarkeit für die eigenen politischen Positionen, distanzieren sich aber bewusst vom Begriff Feminismus. In der extremen Rechten gilt dieser als negativ besetzt und wird oft lächerlich gemacht oder abgewertet.
Rechte Gruppen kritisieren häufig den Feminismus als "zu woke" und "arrogant". Inwieweit lässt sich der heutige Feminismus als zu exklusiv betrachten?
Die Rede vom "zu woken" Feminismus wird von rechten Gruppen verwendet, um sich Teile des Feminismus anzueignen, die sie politisch nützlich finden. Den Feminismus als solchen und die Infragestellung einer vollständigen Gleichberechtigung der Geschlechter hingegen lehnen sie ab.
Mit Alice Weidel sehen wir eine offen homosexuelle Frau an der Spitze der AfD. Wie passt das zusammen?
Ihre Rolle ist innerhalb der Partei, wie auch in der extremen Rechten insgesamt, nicht unumstritten. Es gibt rechte Gruppierungen, die sagen, sie könnten gerade wegen Alice Weidel nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Es gelingt ihr aber, verschiedene Interessengruppen unter dem Dach der Partei zu vereinen – etwas, woran andere zuvor gescheitert sind. Wenn sie auf ihre Sexualität angesprochen wird, reagiert sie unterschiedlich – mal offensiv, mal defensiv. Sie sagt klar: "Ich bin eine Frau, die eine Frau liebt." Sie stellt aber die Ordnung von "Mann und Frau, die aufeinander bezogen sind" nicht infrage. Und genau deshalb kann sie innerhalb der AfD akzeptiert werden – zumindest von einem Teil.
Ist Social Media das neue Sprungbrett für rechte Frauen, um Sichtbarkeit zu erlangen?
Soziale Medien haben den Rechtsextremismus nicht hervorgebracht, wirken aber als starker Katalysator. In den 90ern hatten Frauen nur durch private Beziehungen Zugang zur extremen Rechten, flogen aber schnell wieder raus, wenn sie keinen Anschluss fanden. Social Media ermöglicht heute Sichtbarkeit, Vernetzung und Professionalisierung von Frauen innerhalb der Szene. Rechte Aktivistinnen von heute treten selbstbewusster auf, sprechen mehrere Sprachen, produzieren professionellen Content und vernetzen sich dadurch europaweit.
Hinweis der Redaktion
Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, in diesem Artikel rechte Frauengruppen namentlich zu nennen: Wir wollen ihnen und ihren Ansichten keine Plattform bieten oder zusätzliche Aufmerksamkeit verschaffen.
Wie positionieren sich rechte Frauengruppen zum Thema Schwangerschaftsabbruch?
Das ist in der extremen Rechten stark politisiert. Rechtsextreme Gruppen lehnen das Recht auf Abtreibung grundsätzlich ab – nicht nur aus moralischen Gründen, sondern als Teil einer völkisch-nationalistischen Argumentation. Frauen wird eine "reproduktive Pflicht" gegenüber dem "deutschen Volk" zugeschrieben. Die feministische Forderung nach einer Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs könnte innerhalb der extremen Rechten keine Frau offen vertreten, ohne ausgegrenzt oder verachtet zu werden.
Wie erklären Sie sich, dass dieses traditionelle Frauenbild im Jahr 2025 wieder bei vielen Frauen Anklang findet?
Es entlastet von den Zumutungen, denen sich junge Frauen noch heute ausgesetzt sehen. Unter anderem davon, beruflich erfolgreich zu sein und gleichzeitig die Verantwortung tragen zu wollen, für ein erfülltes Familienleben zu sorgen. Beides ist schwer miteinander zu vereinbaren, das wissen auch Frauen, für die der Wunsch nach einer erfüllten Partnerschaft mit Kindern noch in der Zukunft liegt. Hier schaffen medial vermittelte Bilder erfolgreicher Frauen keine Entlastung: im Gegenteil, sie erhöhen den Erwartungsdruck. Rechte Angebote vermitteln das Angebot, diesem Dilemma zu entkommen, und das Glück im Leben als Tradwife zu suchen.
"Gerade geschlechterpolitische Inhalte werden oft als weniger politisch wahrgenommen – und bieten so einen sanften Einstieg in rechte Weltbilder."
Wie sind Social-Media-Trends wie die "Tradwives" – also Frauen, die bewusst in klassische Rollen zurückkehren – in diesem Zusammenhang zu betrachten?
Diese ästhetisch inszenierten Rollenbilder wirken wie eine scheinbar attraktive Alternative zum Feminismus. Dabei sind viele dieser Inhalte klar antifeministisch geprägt. Teile davon werden gezielt von der extremen Rechten aufgegriffen und instrumentalisiert. Nicht alle Tradwife-Inhalte stammen von den extremen Rechten, aber es gibt fließende Übergänge – und genau das macht sie so einflussreich.
Wie finden rechte Influencerinnen auf Social Media neue Anhängerinnen – welche Strategien nutzen sie?
Das sind nicht nur rhetorische Strategien, sondern häufig professionell produzierte Inhalte. Hinter vielen Kanälen stehen Teams, die Content gezielt planen, schneiden und ästhetisch aufbereiten. Hinzu kommt der vermeintlich unpolitische Charakter der Formate – besonders bei geschlechterpolitischen Themen. Genau das macht sie so wirksam.
Wie gefährlich ist es, wenn rechte Inhalte wie Lifestyle-Content erscheinen?
Gerade geschlechterpolitische Inhalte werden oft als weniger politisch wahrgenommen – und bieten so einen sanften Einstieg in rechte Weltbilder. Junge Menschen – Frauen wie Männer – werden so gezielt angesprochen, ohne dass es sofort als politische Beeinflussung erkannt wird.
Was bedeutet das für die Gesellschaft?
Es zeigt, wie wichtig Medienkompetenz und politische Bildung sind – besonders bei jungen Menschen. Die extreme Rechte ist heute viel professioneller aufgestellt als noch vor 20 Jahren und weiß genau, wie sie auf lebensweltliche Fragen junger Menschen reagiert – so etwa die Frage, wie junge Männer und Frauen heute ihre Rolle in der Gesellschaft finden. Wenn Bildung, Medien und Politik hier keine Antworten auf die Fragen junger Menschen liefern, springen andere ein – und das kann im Fall der extremen Rechten langfristig unsere demokratische Kultur gefährden.
Viele dieser Frauen wirken sehr engagiert. Widerspricht das nicht dem traditionellen Frauenbild, das sie selbst propagieren?
In der extremen Rechten wurde das Engagement von Frauen oft mit einem "Ausnahmezustand" gerechtfertigt: Die Gesellschaft sei so verkommen, dass jetzt jede Kraft gebraucht werde – auch die der Frauen. Sobald die Demokratie überwunden sei, müssen Männer und Frauen "wieder an ihren Platz". Heute wird das nicht mehr so offen gesagt, aber intern wird diese Botschaft nach wie vor vermittelt – vor allem an junge Frauen.
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