Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte am Freitagnachmittag, dass die SPD und Grünen in Thüringen einen neuen Ministerpräsidenten vorschlagen sollen.Bild: watson-montage / imago images / Steve Bauerschmidt / Carsten Koall / Getty Images
Interview
Experte über AKK: "Sie hat versucht, das Schlimmste zu verhindern"
Am Freitagnachmittag erklärte die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, dass man in Thüringen nach wie vor jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließe. In Richtung Linke ließ sie allerdings ein Schlupfloch offen.
Zwar schließt die CDU im ersten Punkt des Präsidiumsbeschlusses vom Freitag aus, dass die CDU "für einen Kandidaten der AfD oder der Linkspartei" bei einer Ministerpräsidentenwahl stimmen könnte. Ein Kandidat, der auf Stimmen der Linkspartei angewiesen, aber nicht Mitglied der Linken ist, wäre demnach allerdings okay.
Außerdem hieß es, die CDU sei für 22 Projekte bereit, für parlamentarische Mehrheiten zu sorgen. Aber: "Die CDU wird nicht in eine Regierung eintreten und auch sonst in irgendeiner Form mit Linken zusammenarbeiten."
Mike Mohring hatte sich schon vor einiger Zeit für eine inoffizielle Zusammenarbeit mit der Linken ausgesprochen. Nun öffnet AKK die Tür hierfür. Mohring konnte sich außerdem in der Nacht auf Freitag durchsetzen mit seinem Kurs, dass es keine Neuwahlen geben soll. Das hatte Kramp-Karrenbauer vor dem Treffen noch gefordert, nun ist davon (zunächst) keine Rede muss.
Mohring jedoch muss trotz dieses Punktsieges gegen AKK seine Sachen packen. Am Freitag wurde bekannt, dass er im Mai das Amt des Thüringer CDU-Vorsitzenden abgeben wird.
Watson hat mit dem Parteienforscher und Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer über die aktuelle Situation in der CDU gesprochen und nachgefragt, wer aus dem Machtkampf innerhalb der CDU als Gewinner hervorgeht – und ob es jetzt eine Zusammenarbeit mit der Linken in Thüringen geben könnte.
watson: Wie beschädigt ist die Parteivorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, durch die Vorkommnisse in Thüringen?
Oskar Niedermayer: Annegret Kramp-Karrenbauer hat im Prinzip gleich das Richtige getan, als sie am Mittwoch klare Worte gefunden hat. Sie hat aber am Donnerstag die Thüringer Fraktion nicht von der Linie des Bundesvorstands überzeugen können. Das wird von ihren Kritikern als Führungsschwäche gesehen.
Ist das gerechtfertigt?
Es ist weder bei der CDU noch bei der FDP so, dass der oder die Parteivorsitzende von oben herab den Landesverbänden etwas vorschreiben kann. Aber es ist wohl auch so, dass Kramp-Karrenbauer nicht die nötige Autorität gehabt hat, um den Thüringer Landesverband von ihrer Linie zu überzeugen. Das ist für die innerparteilichen Gegner ein weiterer Stein in der langen Reihe von Problemen, die Kramp-Karrenbauer hervorgebracht hat.
Warum lässt AKK Mohring den Sieg?
"Die Union samt AKK hat bei Neuwahlen eine dramatische Niederlage zu befürchten"
Mohring selbst ist schwer angeschlagen. Er wird den Fraktionsvorsitz verlieren. Er ist nicht der strahlende Sieger, aber die Thüringer Fraktion hat sich durchgesetzt. Und die hat, wenn man die neuesten Umfragen anschaut, ein schlagendes Argument. Die Union samt AKK hat bei Neuwahlen eine dramatische Niederlage zu befürchten. Das ist verständlich, dass man da alles versucht, um Neuwahlen zu vermeiden.
AKK hat in ihrem Presse-Statement am Freitagnachmittag gesagt, dass die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Die Linke wurde dabei nicht erwähnt. Kann man das so verstehen, dass die CDU jetzt bereit ist, sich nach links hin zu öffnen?
Ich glaube nicht. Es gibt einen ganz klaren Parteitagsbeschluss und der ist nicht nur die Meinung von Frau Kramp-Karrenbauer. Was vorher schon im Gespräch war, ist weder eine formale Zusammenarbeit noch eine Duldung, aber eine punktuelle Zusammenarbeit. Das heißt, dass man bei bestimmten Gesetzesvorlagen zusammenarbeitet. Das kann durchaus noch möglich sein.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Mike Mohring und Annegret Kramp-Karrenbauer im Mai 2019Bild: imago images / Karina Hessland
"AKK hat versucht, das Schlimmste zu verhindern"
Welche Verantwortung trägt Annegret Kramp-Karrenbauer selbst für die Thüringer Misere?
Für die trägt sie keine Verantwortung. Das ist allein auf den Thüringer Landesverband zurückzuführen, der unter Mike Mohring eine Schlangenlinie gefahren ist. Zuerst wollte man mit der Linken koalieren, dann eine Projektregierung, schließlich eine punktuelle Zusammenarbeit und ganz plötzlich stimmt man für den FDP-Kandidaten bei der Ministerpräsidentenwahl.
Mike Mohring hat argumentiert, dass es ein logischer Schritt sei, einen bürgerlichen Kandidaten zu wählen...
Man hätte damit rechnen müssen, dass die AfD das ausnutzt und CDU und FDP vorführt. Das war Mohrings Fehler und daher glaube ich, dass AKK hier wenig Verantwortung zuzuschreiben ist.
Inwiefern war AKK vor der Wahl involviert in diese Affäre?
Sie hat vorher schon versucht, das Schlimmste zu verhindern. Unter anderem im Gespräch mit FDP-Chef Christian Lindner. Sie hat ihn wohl per SMS vor einem FDP-Kandidaten im dritten Wahlgang gewarnt.
Woher dann die Kritik aus der Union?
Sie war vorher schon angeschlagen gewesen und das ist jetzt ein weiterer Anlass für ihre Gegner darüber zu reden.
"Annegret Kramp-Karrenbauer hat ein Manko, das sehr schlecht auszugleichen ist"
Ist AKK denn dazu geeignet, Kanzlerkandidatin der CDU zu werden?
Ihr größtes Problem ist schlicht und einfach die Tatsache, dass die Bürgerinnen und Bürger sie sehr schlecht bewerten. Die CDU war früher als Kanzler-Wahlverein bekannt und legt hohen Wert darauf, dass der Kanzlerkandidat eine hohe Beliebtheit in der Bevölkerung genießt. Das ist ein Manko, das sehr schlecht auszugleichen ist.
Oskar Niedermayer ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Er leitete von 1993 bis 2017 das Otto-Stammer-Zentrum der Freien Universität Berlin. Er hat zahlreiche Lehrbücher zum Thema Politikwissenschaft und politisches System Deutschlands verfasst.
Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht den Fehler bei Mike Mohring, nicht bei Annegret Kramp-Karrenbauer.Bild: imago images / Reiner Zensen
Ende vergangenen Jahres landete Kramp-Karrenbauer auf Platz sieben der beliebtesten Politiker, noch hinter Olaf Scholz...
Sie hat mit die schlechtesten Werte von allen Spitzenpolitikern. Wenn die sich nicht sehr bald ändern, ist das ein wesentlicher Grund für sie, von einer Kanzlerkandidatur abzusehen.
Friedrich Merz hat am Mittwoch angekündigt, seinen Job bei Blackrock aufzugeben und sich mehr bei der CDU zu engagieren. Bringt er sich in Position?
Das hat man schon mehrfach geglaubt und schließlich hat er immer zurückgezuckt. Letzten Endes wird er eine große Rolle im gesamten Personal-Tableau spielen. Aber das muss ja nicht immer das Kanzleramt sein. Es wäre sinnvoll für die CDU, wenn sie sich für die nächste Bundestagswahl personell breit aufstellen würde. Friedrich Merz ist für den wirtschaftsliberalen und konservativen Flügel eine wichtige Identifikationsfigur.
Was denken Sie denn, welche Konsequenzen die Affäre in Thüringen haben wird? Was lernen CDU und FDP daraus? Und wird sich sowas noch einmal wiederholen?
Ich glaube nicht, dass sich das in absehbarer Zeit wiederholen wird, weil alle Akteure gesehen haben, was das für Wellen schlägt und wie problematisch das ist. In der Hinsicht hat man daraus wohl gelernt.
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