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Interview

USA-Experte: "Trump würde seine Anhänger auf die Barrikaden schicken"

June 1, 2020, Washington, DC, United States of America: U.S. President Donald Trump poses with a bible in front of the St Johns Episcopal Church damaged in riots following the killing of an unarmed bl ...
Inszenierung als starker Mann: US-Präsident Donald Trump vor der St. John's Church in Washington, mit einer Bibel in der Hand. Bild: www.imago-images.de / Shealah Craighead/White House
Interview

USA-Experte: "Trump würde seine Anhänger auf die Barrikaden schicken"

08.06.2020, 18:2808.06.2020, 18:29
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Massendemonstrationen gegen rassistische Gewalt von Los Angeles über Salt Lake City bis New York, eine Corona-Krise, die weiter außer Kontrolle scheint: Die Lage in den USA sieht momentan dramatisch aus.

Was heißt das für US-Präsident Donald Trump? Steigt für ihn die Gefahr, nicht wiedergewählt zu werden? watson hat darüber mit Josef Braml gesprochen, Politikwissenschaftler und Experte für US-amerikanische Politik – und ihn gefragt, wie brenzlig die Lage noch werden kann, falls Trump die Wahl im November verliert und sich weigert, das zu akzeptieren.

Josef Braml
Josef Braml bild: dgap

Josef Braml

USA-Experte
Josef Braml ist Experte für die USA bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Er ist Autor des gerade neu aufgelegten Buchs „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch auf seinem Blog usaexperte.com.

watson: Tödliche Polizeigewalt, Straßen voller Demonstranten, katastrophale Arbeitslosenzahlen: Herr Braml, beim Blick auf die Bilder aus den USA haben gerade viele Menschen den Eindruck: Das Land steckt in einer tiefen Krise. Ist der Eindruck richtig?

Josef Braml: Die Lage in den USA ist aus mehreren Gründen explosiv. Die Corona-Pandemie hat die gravierenden Ungleichheiten in der amerikanischen Gesellschaft gnadenlos offengelegt. Wer weniger hat, hat auch geringere Chancen zu überleben. Die Wirtschaftskrise wird die prekäre Lage insbesondere der afroamerikanischen Minderheit noch weiter verschärfen. Mit ihrem Job verlieren viele US-Bürger nicht nur ihre einzige Möglichkeit für ihren Lebensunterhalt, sondern in der Regel auch ihren Krankenversicherungsschutz. Als dann auch noch George Floyd an roher Polizeigewalt gestorben ist, ist die Lage eskaliert. Anstatt die Gemüter zu beruhigen, hat US-Präsident Trump mit seinem Aufruf zur Gewaltanwendung weiteres Öl ins Feuer gegossen.

Kostet das alles Trump gerade seine Wiederwahl-Chancen?

Donald Trump könnte aus dieser Krise sogar politisches Kapital schlagen.

"Jetzt bietet die Eskalation der Lage Trump wieder eine Gelegenheit, sich als Oberbefehlshaber zu gerieren, der für Recht und Ordnung sorgt."

Warum?

Donald Trump hat beim Corona-Krisenmanagement versagt. Die Pandemie hat ihm eine Chance geboten, sich als Schutzpatron zu erweisen. Aber er hat diese Erwartungen nicht erfüllt, noch mehr Irrsinn als sonst geredet. Seine Empfehlung, Desinfektionsmittel zu injizieren, hat dann doch den einen oder anderen seiner Wähler ins Zweifeln gebracht, ob Trump der Richtige im Amt ist. Jetzt bietet die Eskalation der Lage ihm wieder eine Gelegenheit, sich als Oberbefehlshaber zu gerieren, der für Recht und Ordnung sorgt.

Healthcare workers gather in Times Square for the 7pm daily "Thank You Hour" to honor essential medical workers and to protest on Blackout Tuesday and another night of unrest in Manhattan as ...
Protestierende Krankenhausmitarbeiterinnen am New Yorker Times Square.Bild: dpa/ newscom / JOHN ANGELILLO

Trifft Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden gerade den richtigen Ton, um seine Erfolgschancen zu steigern?

Joe Biden hat ein doppeltes Problem. Seine schwache Stimme ist nicht zu hören, weil er auch durch Trumps strukturellen Vorteil, dem Megafon des Weißen Hauses, übertönt wird. Der US-Präsident hat die Aufmerksamkeit, Biden aber große Schwierigkeiten, Gehör für seine Botschaften und Ideen zu erhalten.

Immer mehr Experten warnen gerade: Trump könnte eine Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen am 3. November nicht akzeptieren. Für wie groß halten sie diese Gefahr?

Trump legt eine Lunte an ein explosives gesellschaftliches Gemisch, indem er das in Corona-Zeiten nötige Briefwahlverfahren diskreditiert – und behauptet, es helfe nur dem politischen Gegner zur Wahlfälschung. Diese Taktik ist nicht neu: Trump hatte auch während des Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn Verschwörungstheorien verbreitet und behauptet, dass der sogenannte 'Staat im Staate' – das ist ein Code für die Geheimdienste – ihn loswerden wolle. Seine treuesten Anhänger drohten schon damals offen damit, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Die würde er wohl auch bei einer knappen Wahlniederlage auf die Barrikaden schicken.

Hält die US-Demokratie das aus, wenn Trump tatsächlich die Machtübergabe verweigern sollte?

Die US-amerikanische Demokratie hat schon vieles überlebt, sogar einen Bürgerkrieg. Sie wird auch nach Trump mit der einen oder anderen Blessur bestehen bleiben. Es ist ja nicht so, dass es vor Trump keine Probleme gab. Gravierende Demokratiedefizite haben es überhaupt erst ermöglicht, dass ein autoritär veranlagter Narzisst wie Trump an die Macht gelangen konnte. Diese Demokratie-Probleme werden durch Trump verschärft und auch nach ihm bestehen bleiben.

"Frühere Präsidenten haben das Militär eingesetzt, um Bürgerrechte zu schützen – und nicht, um sie einzuschränken."

Wie heftig kann die Lage eskalieren? Angesichts der Bilder radikaler Trump-Anhänger, die im Mai wegen Corona- Ausgangsbeschränkungen das Parlament des US-Bundesstaats Michigan gestürmt haben, sprechen viele von Bürgerkriegsgefahr...

Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, zumal beide Seiten sich weiter radikalisieren. Unter den Demonstranten sind auch Gewalttätige, die teils durch überzogene Gewaltanwendung der Sicherheitsbehörden radikalisiert worden sind. Der Präsident droht sogar damit, das Militär einzusetzen. Das ist nicht neu, selbst in der jüngeren amerikanischen Geschichte haben US-Präsidenten das Militär im Inneren bemüht. Aber frühere Präsidenten haben das Militär eingesetzt, um Bürgerrechte zu schützen – und nicht, um sie einzuschränken.

Zwei prominenten afroamerikanische Intellektuelle – Autor Ta-Nehisi Coates und Ex-Präsident Barack Obama – sehen in diesen Tagen einen Moment der Hoffnung in den Protesten wegen George Floyds Tod. Ihr Argument: Heute gehen, anders als in früheren Jahrzehnten, nicht nur überwiegend Schwarze gegen Rassismus auf die Straße, sondern auch viele andere ethnische Gruppen, darunter viele Weiße. Haben sie recht mit ihrem Optimismus?

Noch wichtiger als die Proteste auf der Straße wäre es, am politischen Geschehen teilzunehmen. Viele Afroamerikaner waren von Barack Obama enttäuscht und haben die letzte Wahl ausgesessen, also Obamas Parteifreundin Hillary Clinton nicht gewählt. Obamas ehemaliger Vizepräsident Joe Biden ist umso mehr auf die Unterstützung der Afroamerikaner angewiesen, um gegen Trump im November zu gewinnen. Doch Biden hat viel politisches Gepäck, etwa frühere Abstimmungen für schärfere Polizeimaßnahmen. Es besteht die Gefahr, dass viele sich enttäuscht vom politischen System abwenden und nicht mehr daran glauben, dass Politiker wirklich etwas für ihr Los verbessern können.

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Bis 2015 schien die Welt für viele junge Menschen in Europa noch größtenteils in Ordnung. Zumindest waren Kriege fern und hatten kaum Auswirkungen auf das Leben hierzulande. Das änderte sich 2015. Durch die große Migrationskrise konnte die Bevölkerung in Deutschland das Leid nicht mehr ignorieren.

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