Die USA stehen vor großen Problemen: Schon jetzt verzeichnen sie die drittmeisten Corona-Infizierten weltweit. Wie in Europa, ist seit vergangener Woche auch hier die Wirtschaft heruntergefahren, Unternehmen leiden unter den Folgen. Donald Trump versuchte nun, das größte Hilfsprogramm der Landesgeschichte zu verabschieden. Er scheiterte am Montag an den Demokraten im Kongress.
Auch Deutschland reagiert auf die drohende wirtschaftliche Krise: Am Montag beschloss die Bundesregierung ein noch nie dagewesenes Gesetzespaket zur Bekämpfung des drohenden wirtschaftlichen Abschwungs im Zuge der Coronakrise. Insgesamt umfasst das Paket von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) rund 750 Milliarden Euro. Ein gigantisches Vorhaben.
Watson hat mit Rüdiger Bachmann, Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame in den USA, gesprochen und nach seiner Einschätzung zu den weltweiten Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus gefragt. Außerdem wollten wir wissen, wie die Lage in den USA ist und ob die US-Regierung unter Donald Trump besser auf die Krise reagiert als die Bundesregierung.
watson: Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat vor kurzem noch erklärt, dass kein einziger Job durch die Krise gefährdet wird. Wie bewerten Sie das?
Rüdiger Bachmann: Was soll man dazu sagen? Das ist ein schlimmer Kommentar, den er so nicht hätte machen sollen. Wir machen alle Fehler in der Krise, das sei ihm verziehen. Ansonsten macht er zusammen mit Olaf Scholz und dem Finanzministerium gute Arbeit.
Die Bundesregierung hat gerade ein milliardenschweres Finanzpaket zur Abfederung der Coronakrise beschlossen. Was halten Sie davon?
Ich bin begeistert. Die Regierung macht genau das Richtige. Bis jetzt ist das, auch im Vergleich mit anderen Ländern, die beste wirtschaftspolitische Antwort auf die Krise. Man hat das Kurzarbeitergeld erhöht und die Bedingungen, dieses zu bekommen, erleichtert. Man hat eine massive Liquiditätsspritze für die Firmen bereitgestellt, um den Wiederaufbau zu ermöglichen. Und was wirklich neu für die deutsche Wirtschaftspolitik ist: Man hat einen Schutzschirm für die Selbstständigen aufgebaut.
Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen?
Man hat damit nicht nur erreicht, dass Leute ein Einkommen während der Krise erhalten, sondern – und das ist ganz wichtig – geschaut, dass Produktionsstrukturen erhalten werden. Wir können es uns nicht leisten, dass Firmen massenweise Bankrott gehen.
Was wäre die Alternative gewesen?
Es gibt auch eine andere Strategie. Hier in den USA geht man von der Philosophie aus, dass Firmen vom Markt verschwinden können, solange die Menschen ihr Einkommen haben. Der Gedanke ist: "Die kommen dann schon wieder." Wenn in den USA Firmen gerettet werden, dann eher als "Crony Capitalism", also eine Art Vetternwirtschaft, in der man sich gegenseitig hilft. Vor allem aber den Freunden von Donald Trump, denen Firmen im Bereich der Rüstungsindustrie gehören, wird geholfen. Das ist ein Fehler. Ich denke, die Deutschen machen das genau richtig.
Was ist der Gedanke dahinter, die Firmen am Leben zu erhalten?
Man möchte, sobald das Virus einigermaßen unter Kontrolle ist, die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder hochfahren. Dadurch, dass die Firmen überleben, bleiben auch die Kunden- und Zulieferernetzwerke erhalten. Gerade in einer wissensbasierten Ökonomie dauert das unter Umständen sonst Jahre. Das macht keinen Sinn bei einem Schock, der eigentlich kurzfristig sein soll, wenn die Epidemiologie mitspielt, Strukturen zu zerstören oder verfallen zu lassen.
Die Frage ist nur, ob er kurzfristig bleibt. Wie lange können wir denn in so einem Quarantänemodus bleiben bis es wirklich ans Eingemachte geht?
Das weiß letztlich keiner. Aber es ist klar, dass wir eine Exit-Strategie brauchen. Wenn man es mit Vokabeln aus der Medizin beschreiben müsste, würde ich es so erklären: Der erste Schritt war es, den Patienten in ein künstliches Koma zu legen. Das hat die Bundesregierung mit dem Maßnahmenpaket versucht. Nun wird mit den Zahlungen der Patient am Leben erhalten. Aber natürlich kann man das nicht ewig machen, wie bei einem künstlichen Koma eben auch. Irgendwann gibt es bleibende Schäden. Wann die aber genau eintreten, ist schwierig zu sagen.
Wovon hängt ab, wie lange die Quarantäne geht?
Das hängt letztlich auch von den medizinischen Experten, also den Epidemiologen, ab. Wir müssen mehr Kapazitäten für Tests auf Sars-CoV-2 entwickeln, brauchen Atemschutzmasken und Schutzkleidung. Dann müssen wir überlegen, wie man die Produktion so umstellt, dass man trotz Coronavirus wieder produzieren kann. Zunächst aber geht es erstmal darum, das exponentielle Wachstum der Infektionen zu stoppen. Das nützt aber nur dann was, wenn wir anschließend Infizierte gezielter isolieren können. Schließlich brauchen wir auch noch bessere Daten über das Virus. Ohne Datengrundlage gibt es keine rationalen politischen Entscheidungen.
Wie könnte ein Exit aus dem Quarantäne-Modus aussehen?
Wir könnten zum Beispiel damit beginnen, regional wieder in die Produktion einzusteigen. Bestimmte Regionen sind mehr und andere weniger stark vom Virus befallen. In Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind mehr Menschen pro Einwohner positiv getestet worden als beispielsweise in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die weniger betroffenen Bundesländer können vielleicht schneller wieder zur Normalität zurückkehren und produzieren.
Was wäre, wenn die Quarantäne länger anhält?
Wir können nicht ein ganzes Jahr lang im Ausnahmezustand bleiben. Das würde zu Massenverarmung führen. Wir haben uns ein bisschen Zeit gekauft, aber wir brauchen jetzt eine Exit-Strategie. Auch aus sozialpsychologischen Gründen. Man kann Menschen nicht ein Jahr eingesperrt halten, da gibt es sonst Mord und Totschlag.
Sie selbst sind aktuell in den USA. Dort ist zuletzt Trumps Maßnahmenpaket im Kongress gescheitert, weil die Demokraten dagegen gestimmt hatten, mit der Begründung, es helfe nur den großen Unternehmen und nicht den Bürgern…
Da ist natürlich was dran. Das ist in der Republikanischen Partei unter Trump, der typische, korrupte Kapitalismus. Daher ist das zu befürchten gewesen. Allerdings ist unklar, ob die Demokraten davon politisch profitieren werden. Wenn man den Widerstand in so einer Krisensituation länger aufrecht erhält, kann das bald egoistisch wirken. Die Demokraten müssten sehr schnell einen alternativen Vorschlag einbringen, um nicht von Trump in Geiselhaft genommen zu werden.
Wird die Krise in den USA besser gemanagt als in Deutschland?
Nein. Wir haben in Deutschland gerade den Segen, dass es eine Große Koalition gibt, die das so schnell und gut managt. In den USA könnte uns der Föderalismus retten, der in Deutschland vielleicht eher etwas hinderlich war. In den USA ist es so, dass innenpolitische Kompetenzen in großen Teilen bei den Gouverneuren der einzelnen Bundesstaaten liegen. Und da scheinen mir einige fähige Leute zu sein, die Menschenleben retten wollen. Klar, sie brauchen Ressourcen, die sie von der Bundesebene gestellt bekommen müssen. Wir hoffen, dass sie das irgendwie durchkriegen und sobald die Mittel da sind, glaube ich, dass sie einen guten Job machen werden. Ansonsten sehe ich schwarz für die USA.
Sie waren bis vor kurzem noch in Deutschland. Ist es Ihnen schwergefallen, zurück in die USA zu fliegen? Haben Sie Angst?
Ich habe mich seit einer Woche hier selbst isoliert. Klar, mache ich mir Sorgen, aber die würde ich mir auch in Deutschland machen. Mein Lebensmittelpunkt und meine Familie liegt in den Vereinigten Staaten. Das ist meine neue Heimat.