Die Linksjugend hat auf ihrem Bundeskongress eine neue Verbandsführung gewählt. Alle sieben Sprecher:innen sind neu im Gremium. Momo Eich erklärte ihre Kandidatur sehr kurzfristig, erst am Wahltag selbst. Mit ihr und ihrer Co-Sprecherin Lena Reinhardt hat watson über ihre Ziele gesprochen.
Watson: Es gab nur sehr wenige Kandidierende für den Sprecher:innen-Rat. Momo, du hast sogar erst am Wahltag dich zur Kandidatur entschieden. Warum nicht früher?
Momo Eich: Ich hatte keine Lust, in so ein wichtiges bundesweites Amt reingedrängt zu werden, wie das oft bei Nicht-Männern der Fall ist. Deshalb habe ich mir sehr viel Zeit genommen. Ich habe schon mehrere Wochen überlegt, zu kandidieren. Während des Bundeskongresses bin ich dann ab und zu rausgegangen und habe mich letztendlich relativ spontan dazu entschieden, zu kandidieren, weil dann ja auch noch mal ein besonders starker Bedarf da war.
Der Männeranteil im Verband liegt bei Zweidrittel. Ist das nicht problematisch für einen linken Jugendverband?
Lena Reinhardt: Gerade Flinta*Personen sind unfassbar unterrepräsentiert in unserem Verband. Insbesondere BIPoC-Flinta*. Es zieht sich durch alle Ebenen des Verbandes, dass man als Flinta*Person sehr oft das Gefühl hat, in Positionen zu müssen, die man eigentlich selbst nicht machen möchte, oder sich noch nicht bereit dazu fühlt. Unser Ziel muss es nun also sein, dafür zu sorgen, Safe Spaces (sichere Orte, Anm. d. Red.) und einen Verband zu schaffen, in dem Flinta* Personen sich wieder wohl und vor allem auch repräsentiert fühlen.
Momo: Generell muss man sagen, es ist mega schade, aber in Orten politischer Arbeit, zum Beispiel wenn man sich Parteien anschaut, ist es sehr oft so, dass männliche Personen total überrepräsentiert sind. Und das ist ein Problem. Ich finde es gut, dass wir einen feministischen Anspruch haben an uns als Verband und jetzt auch durchgesetzt haben, dass dieser stärker in unserer Satzung verankert ist.
Lena: Ergänzend will ich sagen, dass Männer im politischen Spektrum sehr viel Raum einnehmen. Überstrapazierte Redezeiten, Mansplaining, oder andauerndes ins Wort fallen sind nur einige Beispiele. Von diesem Verhalten ist auch die Linksjugend nicht frei. Wenn wir unserem feministischen Anspruch gerecht werden wollen, müssen wir damit anfangen, solche grundsätzlichen Problematiken in den Griff zu bekommen und Männer für feministische Themen zu sensibilisieren.
Momo: Und das sehe ich auch als absolut notwendig, dass man daran arbeitet, dass Nicht-Männer sich gemeinsam organisieren können in unserem Verband und sich mehr Räume erkämpfen können, in denen sie nicht mehr unterrepräsentiert und benachteiligt sind.
Sozialpolitik ist bei euch auch ein Schwerpunkt. Ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, mehr Zulauf zu bekommen?
Momo: Das ist eigentlich der perfekte Zeitpunkt dafür. Der wäre, während des Beginns der Corona-Pandemie, auch schon da gewesen, wurde aber nicht so stark genutzt. Leider generell in der gesellschaftlichen Linken. Das liegt aber auch teilweise daran, dass die Pandemie das gemeinsame politische Organisieren stark erschwert hat. Jedenfalls wünsche ich mir jetzt, dass in allen Städten sich gemeinsam organisiert wird. Gegen weitere Preiserhöhungen. Und, dass zum Beispiel Lebensmittelpreise gedeckelt werden!
Durch Demonstrationen?
Momo: Zum Beispiel. Aber nicht nur durch die Teilnahme an Demos würde ich sagen, sondern auch durch das gemeinsame Organisieren in Gruppen. Ich wünsche mir, dass Leute gemeinsam Forderungen dafür aufstellen, was sich in ihrem Leben ändern soll, die vielleicht sonst sagen würden "Politik ist nicht ihr Ding". Und zwar von links.
Lena: Ein sehr kniffliges Thema, da gerade rechte Parteien solche Krisensituationen für sich nutzen, um Stimmen zu generieren. In meiner Auffassung sollten wir es ihnen nicht gleichtun. Wir müssen keine Krisen ausnutzen, um Stimmen für uns zu gewinnen, wir müssen mit unseren sozial-politischen Inhalten punkten und das können wir!
Momo: Es ist besonders krass, dass die Anzahl der Menschen steigt, die auf eine Mahlzeit verzichten am Tag. Und wenn man sich die Studierenden anschaut, es ist einfach so krass, dass nur 10 Prozent Bafög bekommen. Es wäre jetzt wichtig, sich für ein elternunabhängiges Bafög für alle einzusetzen.
Lena: Nicht nur elternunabhängig, sondern auch zugänglicher. Sowohl für Studis, als auch für Azubis und Schüler:innen. Viele junge Menschen werden zu wenig darüber aufgeklärt, welche Möglichkeiten sie eigentlich haben.
Bekommt ihr Bafög?
Momo: Ich bekomme gerade kein Bafög. Ich habe tatsächlich Glück, in Anführungszeichen: Ich habe einen Anspruch auf Unterhalt von meinem Vater. Meine Eltern haben sich getrennt, und Glück, dass er das auch zahlen kann. Ich hätte keinen Anspruch auf Bafög.
Lena: Ich bekomme Bafög. Zuvor schon während meiner Ausbildung und nun für das Studium. Da ich seit meinem 16. Lebensjahr nicht mehr im Elternhaus wohnte, ist es für mich auch unausweichlich welches beantragen zu müssen, um meinen Lebensunterhalt und meine Miete zahlen zu können.
Doch die Berechnungen, Voraussetzungen und Bearbeitungszeiten stellen viele junge Menschen vor Herausforderungen. Viele, einschließlich mir sind darauf angewiesen neben Schule, Studium oder Ausbildung, trotz Bafög einen Nebenjob zu haben, um sich das Minimum an gesellschaftlicher Teilhabe leisten zu können.
Momo: Es ist ja auch krass, dass der Bafög-Betrag davon unabhängig ist, wo man wohnt. Je nach Stadt ist die Miete auch sehr unterschiedlich. Ich wohne in Köln. Und in Köln ist es sehr schwierig eine Wohnung zu finden generell und erst recht eine, die nicht unglaublich teuer ist.
Wo wohnst du, Lena?
Lena: In Bremen. Im Allgemeinen würde ich es als entspannter beschreiben, im Gegensatz zu Köln oder Berlin, eine Wohnung zu finden. Wir stehen aber dennoch deutschlandweit vor einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Wie ist euer Verhältnis zur Partei Die Linke?
Momo: Wir hatten auch einen Bundesparteitag im Juni, da war ich auch dabei. Da haben wir uns sehr stark dafür gemacht, die Perspektive von Betroffenen von sexualisierter Gewalt oder sexistischer Gewalt, anzuerkennen. Es wurde nicht von allen gut aufgenommen.
Unsere Wünsche, beispielsweise die der Betroffenen, wurden leider nicht alle respektiert. Deshalb ist gerade das Verhältnis ein bisschen kompliziert. Aber generell sind wir natürlich immer noch parteinah.
Lena: Angespannt. In unserer politischen Arbeit haben wir ähnliche Themenschwerpunkte, jedoch unterschiedliche Auffassungen, wie diese umgesetzt werden sollen. Als Jugendverband der Partei erwarte ich von diesem auch gehört zu werden, die letzten Monate jedoch zeigte sich, dass die Kommunikation und die Ernsthaftigkeit unserer Forderungen gegenüber der Linkspartei sehr schwierig waren. Für uns heißt es nun zu schauen, wie wir damit weiter umgehen.
Bist du selbst auch Mitglied in der Partei Die Linke oder nur bei der Linksjugend?
Momo: Ich bin tatsächlich auch Parteimitglied. Ich bin erst in den Jugendverband eingetreten und bin dann in die Partei eingetreten. Vor allem wollte ich Genoss:innen unterstützen, die sich für einen starken feministischen Anspruch in der Linken starkmachen wollten. Zum Beispiel haben wir uns in meiner Basisgruppe – zusammen mit anderen Genoss:innen in Köln – für eine Antidiskriminierungsstelle auf Kreisebene eingesetzt.
Und du, Lena?
Lena: Nein, nach dem Bundesparteitag bin ich aus der Linkspartei ausgetreten.