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Ökonom warnt vor Friedrich Merz als Bundeskanzler – "Das wäre fatal für Deutschland"

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Friedrich Merz gilt als einer der heißesten Kandidaten im Rennen um den Parteivorsitz der CDUBild: imago images / Rene Traut
Interview

Ökonom zu Friedrich Merz als Kanzler: "Das wäre für Deutschland fatal"

19.02.2020, 15:2431.03.2020, 18:46
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Er bezeichnet sich selbst als Mann aus dem "gehobenen Mittelstand". Bis vor kurzem war er noch Aufsichtsratsvorsitzender bei Blackrock in Deutschland, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Friedrich Merz scheint sich auszukennen in der Welt der Wirtschaft und ist der Wunschkandidat des Wirtschaftsflügels der CDU.

Mit seinem Kommentar, dass man Altersarmut vorbeugen könne, indem man mit Aktien vorsorge, erntete er vor einiger Zeit viel Kritik. Merz wird immer wieder vorgeworfen, arrogant zu sein, zu weit weg von den Sorgen der einfachen Leute.

Watson wollte von einem Wirtschaftswissenschaftler wissen, wie kompetent Friedrich Merz wirklich hinsichtlich Finanz- und Wirtschaftsthemen ist.

Über den Experten
Rüdiger Bachmann ist ein deutsch-amerikanischer Ökonom und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Notre Dame in den USA.
"Für die Wirtschaftspolitik wäre Friedrich Merz wahrscheinlich eine Katastrophe"

watson: Sie sind Wirtschaftsprofessor in den USA. Was halten Sie von Friedrich Merz‘ Wirtschaftskompetenz?

Rüdiger Bachmann: Offen gesagt: nicht viel!

Das überrascht mich. Hierzulande gilt er als sehr kompetent in Wirtschaftsfragen…

Ja, das hat aber auch mit den deutschen Medien zu tun. Deutsche konservative Medien und Verbände versuchen die Geschichte voranzutreiben, dass jemand, der einen Aufsichtsratsposten bei BlackRock hatte, gleich Ahnung von Volkswirtschaft hat. Das ist natürlich Quatsch. Zunächst mal ist er Jurist und kein Ökonom. Wirtschaftspolitik ist etwas ganz anderes, als ein Unternehmen zu führen. Das fängt schon damit an, dass Unternehmen gegen freie Märkte sind, weil sie diese beherrschen wollen. In der Wirtschaftspolitik geht es wiederum um das genaue Gegenteil, nämlich Märkte offenzuhalten. Außerdem haben Unternehmen immer ein Interesse daran, Steuern zu senken. Das ist aber nicht die Aufgabe eines Politikers. Der Staat braucht Steuern.

Was würde uns mit Friedrich Merz als Kanzler erwarten?

Ich fürchte, dass er eine sehr rückwärtsgewandte Finanz- und Wirtschaftspolitik machen würde, die nicht auf dem Stand der modernen Forschung ist.

Was konkret meinen Sie damit?

Er würde vermutlich an der schwarzen Null festhalten wollen und der Schuldenbremse. Er ist eben so sozialisiert worden und würde an dem alten deutschen Ordoliberalismus festhalten.

Also die Betonung von Wettbewerb und freiem Markt.

Damit ist er groß geworden und sozialisiert worden. Aber gerade heute, in einem Niedrigzinsumfeld, brauchen wir in Deutschland eine moderne Finanzpolitik und mehr Investitionen. Für die Wirtschaftspolitik wäre Friedrich Merz wahrscheinlich eine Katastrophe. Außerdem scheint er zu überzeugt von sich selbst.

Selbstbewusstsein ist ja nicht per se schlecht.

Aber Merz scheint nicht besonders offen für Ratschläge von außen. Gerade in der Wirtschaftspolitik, die er für sein Fachgebiet hält, ist er wohl einigermaßen beratungsresistent. Das wäre für Deutschland fatal.

Friedrich Merz hatte bei seiner Kandidatur zum CDU-Vorsitzenden 2018 angekündigt, die AfD zu halbieren. Geht das und wenn ja wie?

Ob man die AfD wirklich halbieren kann, das weiß ich nicht. Wenn ich wüsste, wie das geht, würde ich mich selbst für den CDU-Vorsitz bewerben (lacht). Ich wehre mich aber gegen die These, dass man nicht gleichzeitig eine klare Kante gegenüber der AfD zeigen und ein deutlich konservativeres Profil der CDU entwickeln kann, als sie es unter AKK und Merkel hatte. Es gibt genug Gegenbeispiele, auch in der Geschichte der Bundesrepublik. Schauen Sie sich die NPD in den 1960ern und die Republikaner in den 1980ern und 1990ern an. Da wurde immer wieder mit starker konservativer Politik geantwortet und erfolgreich zurückgedrängt. Für mich ist der Satz von Franz-Josef Strauß – Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben" – immer noch nicht widerlegt.

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Markus Söder versuchte 2018 im Wahlkampf Stimmen der AfD wiederzugewinnen.Bild: Thomas Lohnes/Getty Images

Das war auch das Credo von Markus Söder, der versucht hat, die AfD bei der Landtagswahl rechts zu überholen, und jetzt auf einmal nach links schwenkt…

Das ist die Frage, ob das so stimmt. Bloß weil er sich jetzt als Bienenkönig feiern lässt? Es war schon immer ein konservatives und christliches Anliegen die Schöpfung zu bewahren, das ist nicht zwangsläufig links. Im Gegenteil ist es sehr eng verbunden mit dem Heimatbegriff. Markus Söder ist trotzdem noch immer jemand, der Volksnähe repräsentiert und in die Bierzelte geht und auch mal auf den Tisch haut. Es geht viel mehr darum, wieder nah beim Volk zu sein und eben nicht eine präsidiale, über den Dingen schwebende Kanzlerin zu haben. Ein Kümmerer zu sein und den Leuten vor Ort Nähe zu demonstrieren. Das ist für mich auch konservativ. Das gilt im Übrigen nicht nur für die CDU, sondern auch für die SPD.

Wie kommen Sie da auf die SPD?

Die Umfragen zeigen zum Beispiel, dass eine konservative SPD wie die einstige Olaf-Scholz-SPD in Hamburg sehr gut dasteht. Auch die SPD ist nicht zu Umfragewerten um die 15 Prozent verdammt. In Hamburg liegt sie bei knapp unter 40 Prozent und weder die Linken noch die Rechten haben da eine Chance. Der direkte Herausforderer ist der Koalitionspartner, die Grünen. Da sieht man, dass ein pragmatischer Realismus funktioniert.

"Vielleicht könnten konservativere CDU-Vorsitzende sogar besser mit den Grünen?"

Die Frage auf Bundesebene ist doch aber, mit wem die CDU noch koalieren soll, wenn sie nach rechts rückt. Macht sie sich damit nicht unattraktiv beispielsweise für die Grünen?

Das mag schon sein, dass das schwieriger wäre. Angela Merkel ist insofern auch gut gefahren, dass sie die SPD mit ihrem Kurs halbieren konnte. Bis vor kurzem dachte man ja auch, dass die CDU immer die relative Mehrheit holen wird und damit nur noch einen Juniorpartner aussuchen muss. Aber die Frage ist, ob das auf Dauer so bleiben wird, wenn man sich die Erfolge der Grünen anschaut. Es ist außerdem gar nicht gesagt, dass ein konservativerer Kanzler nicht auch mit den Grünen koalieren könnte. Oder eben als Vizekanzler unter Habeck. Vielleicht könnten konservativere CDU-Vorsitzende sogar besser mit den Grünen?

Das klingt jetzt doch etwas unrealistisch…

Warum? Schauen Sie nach Österreich. Dort regiert ein Kanzler, der hier in Deutschland als relativ konservativ wahrgenommen wird, in Koalition mit den Grünen. Vielleicht liegt das daran, dass er relativ jung ist und nicht die gleichen Scheuklappen aufhat wie die älteren Politiker. Daher wäre mein Favorit für den CDU-Vorsitz auch Jens Spahn und nicht Friedrich Merz. Jens Spahn ist jünger, pragmatischer und hoffentlich unideologischer als Friedrich Merz. Er könnte wahrscheinlich mit dem Realo-Flügel der Grünen recht gut. Gleichzeitig ist er von seiner Art her durchaus ein Konservativer, der die Menschen anspricht.

Eine große deutsche Tageszeitung fragte neulich, ob Deutschland bereit sei für einen schwulen Kanzler…

Ich hoffe es. Das würde sich natürlich erst abschließend beantworten lassen, wenn die Leute alleine mit ihrem Wahlzettel in der Wahlkabine stehen. Insgesamt wäre er in meinen Augen der vielversprechendste Kandidat.

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