Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete und ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Linken, hat watson ein Interview gegeben, in dem sie lange über Klimaschutz spricht – und über die Bewegung Fridays for Future (FFF). Wagenknecht spricht sich darin, anders als FFF, gegen eine CO2-Steuer aus, sie hält der Bewegung vor, elitär zu sein – und beklagt, dass Klimaschutz zu sehr als Lifestyle-Thema dargestellt werde.
Was antworten Vertreter von Fridays for Future darauf?
Watson hat mit Quang Paasch gesprochen, Sprecher von Fridays for Future und Klimaaktivist aus Berlin. Wir haben ihn zu den Thesen befragt, die Wagenknecht zu Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und Fridays for Future vertreten hat.
watson: Herr Paasch, Sahra Wagenknecht hat gegenüber watson gesagt, dass Klimapolitik die Unterstützung der Gesellschaft benötige. Und dass "große Teile der Klimabewegung" mit ihrer Forderung nach einer CO2-Steuer genau das Gegenteil erreicht hätten. Was antworten Sie Frau Wagenknecht?
Quang Paasch: Anders als Frau Wagenknecht sehen wir eine CO2-Steuer grundsätzlich positiv. Die große Frage ist aber, wie sie gestaltet wird. Fridays for Future ist für eine CO2-Steuer von 180 Euro pro ausgestoßene Tonne. Wir sind aber auch dafür, dass die CO2-Steuer sozial gerecht gestaltet wird. Ärmere Menschen müssen einen Ausgleich für die zusätzlichen Belastungen erhalten, die diese Steuer für sie bedeutet. Bei der CO2-Steuer, die nach den Plänen der Bundesregierung zum 1. Januar eingeführt worden ist, gibt es diesen sozialen Ausgleich noch nicht. Und das finden wir falsch.
Quang Paasch, Sprecher von Fridays for Future. bild: Jule Bonin
Laut einer Umfrage von YouGov von 2020 sind aber tatsächlich 54 Prozent der Menschen in Deutschland gegen eine CO2-Steuer...
Ja, das liegt aber auch daran, wie über eine solche Steuer in der Politik und in den großen Medien diskutiert worden ist. Es ging in den Debatten stark darum, was durch diese Steuer teurer wird, wie manche Menschen dadurch zusätzlich belastet werden. Wir müssen mehr darüber diskutieren, wie sie so gestaltet wird, dass nicht die Leute, die wenig haben, draufzahlen – sondern eher die Reicheren stärker belastet werden.
Wie könnte das konkret aussehen?
Dazu gibt es natürlich mehrere Optionen. Ich teile den möglichen Lösungsansatz der Organisation Scientists for Future, dass die CO2-Steuer über eine Art Klimabonus an Menschen mit geringem Einkommen zurückfließen könnte.
Die zweite These von Sahra Wagenknecht: Wer Sprit, Strom und Öl über eine CO2-Steuer verteuert, vertiefe die soziale Spaltung, weil das die Ärmeren und die untere Mittelschicht besonders treffe, die einen größeren Anteil ihres Gehalts für Heizung, Strom und das Auto ausgeben müssten. Und sie sagt, dass das für den Klimaschutz wenig bringe, weil Menschen etwa auf dem Land ihr Auto trotzdem weiter nutzen müssen und auch von der Ölheizung nicht so einfach wegkommen. Wie sehen Sie das?
Ich stimme Frau Wagenknecht da grundsätzlich zu. Wir brauchen Mehrheiten für effektiven Klimaschutz. Und wir brauchen diese Mehrheiten nicht nur in den Großstädten, sondern auch in ländlicheren Gebieten. Die Politik muss es allen Menschen, egal wo sie wohnen, ermöglichen, klimafreundlich zu leben. Und das ist momentan für viele Menschen, gerade auf dem Land, ziemlich schwierig. Wir müssen aber auch jetzt mit dem Klimaschutz anfangen. Wenn wir wo aussteigen oder etwas teurer machen, müssen wir woanders einsteigen und Sachen billiger machen.
"Ja, Fridays for Future ist vor allem weiß und privilegiert, die meisten bei uns stammen aus gutsituierten Familien. Ich finde aber, das kann man nicht einfach nur uns als Bewegung vorwerfen, dahinter steckt ein größeres, gesellschaftliches Problem."
Ein Vorwurf von Sahra Wagenknecht an Fridays for Future: Die Bewegung sei elitär und habe sich um die Sorgen ärmerer Menschen wenig geschert. Wörtlich sagte sie zu watson: "Heute haben Ärmere oft den Eindruck: Wenn die über Klima reden, dann steigen bei mir die Preise, dann wird mein Leben noch härter. Solche Ängste wurden von der Bewegung oft ziemlich kalt abgebügelt." Hat sie recht?
Ehrlich gesagt: Ich teile ihre Kritik. Ja, Fridays for Future ist vor allem weiß und privilegiert, die meisten bei uns stammen aus gut situierten Familien. Ich finde aber, das kann man nicht einfach nur uns als Bewegung vorwerfen, dahinter steckt ein größeres, gesellschaftliches Problem. Es ist nun mal so, dass politische Bildung meist öfter an Gymnasien stattfindet. Menschen aus ärmeren Familien können heute viel zu selten an politischen Diskussionen teilnehmen, weil politische Partizipation leider momentan ein Privileg ist.
Was tut Fridays for Future, um weniger privilegierte Menschen zu erreichen?
Wir versuchen da schon einiges. Und mir persönlich ist das auch sehr wichtig. Ich komme aus einer Familie von Nicht-Akademikern, bin selbst eine Person of Color. Wenn wir vor der Pandemie zu Demos aufgerufen haben, sind wir gezielt auch an verschiedensten Schulformen gegangen und in Viertel, in denen zum Beispiel eher weniger Akademiker wohnen. Wir haben Zettel mit Aufrufen nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch auf Englisch, Arabisch oder auch Polnisch verteilt. Aber das hat natürlich auch Grenzen. Klar können wir Menschen sagen: "Ihr könnt alle gerne zu unseren Demos kommen." Aber wenn diese Menschen arbeiten gehen müssen oder ganz andere Sorgen im Kopf haben als den Klimaschutz, dann kommen sie gar nicht zu den Demos.
"Eigentlich ist es falsch, nur über die Entscheidungen Einzelner zu reden, das Problem der Klimakatastrophe ist viel größer."
Sahra Wagenknecht sagt in unserem Interview auch: Aus ihrer Sicht fokussiert sich ein großer Teil der Politik und der Klimaschutzbewegung zu stark auf den Konsum – und zu wenig auf die Produktion. Ein Problem, das aus ihrer Sicht stärker angegangen werden muss, ist die "programmierte Obsoleszenz": also, dass manche neuen Produkte so gebaut werden, dass sie kurz nach Ende der gesetzlichen Garantiefrist kaputtgehen. Hat sie recht?
Die Grundthese teile ich. Wir von Fridays for Future sind aber keine Bewegung der Konsumkritik. Es ist falsch, nur über die Entscheidungen Einzelner zu reden, das Problem der Klimakatastrophe ist viel größer. Wir kämpfen für eine Welt, in der ökologisch nachhaltiges Leben für alle möglich ist.
Ein großes Problem für den Klimaschutz sieht Sahra Wagenknecht in der Globalisierung. Sie sagte gegenüber watson: "Wer Menschen ein schlechtes Gewissen einredet, weil sie ein altes Dieselauto fahren – und gleichzeitig immer neue Freihandelsabkommen abschließt, ist ein Heuchler." Wie sehen Sie das?
Ich bin da nicht so kategorisch. Ja, wir blicken kritisch auf neue Freihandelsabkommen. Für uns ist die entscheidende Frage aber nicht, ob es Freihandel zwischen Ländern oder Weltregionen gibt – sondern wie er abläuft. Wenn Freihandelsabkommen dazu führen, dass der CO2-Ausstoß steigt, dass Produkte unnötig von A nach B gefahren werden, nur weil es sich lohnt, dass Menschen im Globalen Süden ausgebeutet werden, dann lehnen wir sie ab.
Kapitalismus und Klimaschutz passen nicht zusammen, sagt Sahra Wagenknecht. Sie behauptet: "Raubbau an der Natur und exzessives Wachstum gehören zur DNA dieser Wirtschaftsweise". Teilen Sie diese Meinung?
Ich persönlich schon. Es gibt natürlich in der Bewegung auch andere Meinungen. Aber wir sprechen bei Fridays for Future schon seit Monaten ausdrücklich von "Climate Justice", von Klimagerechtigkeit, und zwar global gesehen. Klimaschutz wird aus unserer Sicht nur funktionieren, wenn sich die gesamte Gesellschaft verändert, wenn wir anders und vor allem gerechter wirtschaften.
Die Klimapolitik der Europäischen Kommission setzt aber mit dem "Green Deal" darauf, wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz zusammenzubringen. Und auch der neue US-Präsident Joe Biden verspricht, die USA auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen und gleichzeitig gute Jobs zu schaffen...
Wir sind da skeptisch. Klar begrüßen wir jede politische Anstrengung, die wirklich dazu führt, dass die Emissionen zurückgehen. Aber das muss auch wirklich global geschehen. Es kann nicht sein, dass wir in Europa und den USA sauberere Luft haben und dafür dann in Ländern in Afrika, Südamerika oder Asien beim Abbau von Lithium, Kobalt oder seltenen Erden die Umwelt verdreckt wird und Menschen dabei in unwürdigen Bedingungen arbeiten.
"Ich lehne es ab, wenn Fridays-for-Future-Aktivistinnen und -Aktivisten am Flughafen und andere Menschen dafür verurteilen, dass sie mit dem Flugzeug verreisen."
Letzte These Sahra Wagenknechts: Der Klimaschutz sei viel zu stark zum Lifestyle-Thema gemacht worden, nach dem Motto, wie sie es sagt: "Wer sein Schnitzel bei Aldi kauft, wer einen Diesel statt eines teuren Elektroautos fährt, der macht sich schuldig". Das sei "eine überhebliche Debatte", die der Akzeptanz von Klimaschutz schade. Sehen Sie das auch so?
Das ist ein schwieriges Thema. Es ist für mich nachvollziehbar, dass junge Aktivistinnen und Aktivisten von uns, die eine privilegierte Perspektive haben, Klimaschutz stark über ihren eigenen Lebensstil definieren. Es ist aber problematisch, wenn dadurch andere ausgeschlossen werden. Zum Beispiel, wenn Vegetarier oder Veganer so weit gehen, dass sie andere Menschen konvertieren wollen und dabei vielleicht finanzielle, gesundheitliche oder auch kulturelle Perspektiven ignorieren. Ich sehe auch so etwas wie "Flugscham" sehr kritisch.
Warum?
Ich lehne es ab, wenn Fridays-for-Future-Aktivistinnen und -Aktivisten am Flughafen und andere Menschen dafür verurteilen, dass sie mit dem Flugzeug verreisen. In Deutschland leben viele Menschen, deren Familie nicht aus Europa kommt. Meine Familie kommt aus Vietnam: Soll ich etwa mit der Transsibirischen Eisenbahn zu meinen Verwandten reisen? Es ist dauert nicht nur deutlich länger, sondern ist auch teurer.
Und es gibt Familien, die sich eben nur den Pauschalurlaub inklusive Flug in der Türkei leisten können – und eher nicht die teure Ferienwohnung in der Toskana mit Anreise per Nachtzug...
Genau. Ich sehe mich da oft in einem Konflikt. Ich bin dagegen, einzelnen Menschen Scham einzureden – und dafür, politisch etwas zu verändern. Das geht in einer Demokratie aber nur, wenn eine Mehrheit der Gesellschaft für diese Veränderung ist. Es ist auch gar nicht die Aufgabe von Fridays for Future, für alles konkrete politische Lösungen zu finden. Wenn wir zum Beispiel vorschlagen würden, jeder Mensch in Deutschland soll nur noch dreimal pro Jahr fliegen, dann ist das eine Idee über die gesamtgesellschaftlich geredet werden muss – klar ist aber auch, dass wir sowas gerade nicht fordern. Und bei all dem müssen wir immer auf die globale Gerechtigkeitsperspektive schauen. Ein großer Teil der Menschheit ist überhaupt noch nie in ein Flugzeug gestiegen.
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Kari Lake ist eine aufstrebende US-Politikerin der Republikanischen Partei. Die eiserne Wahlleugnerin ist eine loyale Anhängerin von Donald Trump und würde laut eigener Aussage selbst zur Waffe greifen, um ihn zu schützen.