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Interview

Politologe erklärt, wer gerade von der Corona-Krise profitiert

Markus Söder oder Olaf Scholz: Beide können sich während der Krise gerade profilieren.
Markus Söder oder Olaf Scholz: Beide können sich während der Krise gerade profilieren. Bild: Getty Images/iStockphoto/imago images / Sven Simon/ipon
Interview

Politologe erklärt, wer gerade von der Corona-Krise profitiert

Politikwissenschaftler Klaus Schroeder analysiert die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Parteien und erklärt, warum die Regierungsparteien profitieren und insbesondere Olaf Scholz sich gerade als Kanzlerkandidat ins Rennen bringt.
27.03.2020, 21:3331.03.2020, 11:23
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Die Corona-Krise zeigt erste Auswirkungen auf die Parteipolitik. In aktuellen Umfragen gewinnen die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD dazu, Grüne verlieren und die AfD stagniert.

Es scheint, als könnte die Großen Koalition in der Notsituation beweisen, dass sie doch noch gut regieren kann.

RTL-Trendbarometer vom 26.3.2020:
Wenn jetzt Bundestagswahlen wären, könnten die Parteien mit folgendem Ergebnis rechnen:

CDU/CSU: 36 Prozent (Bundestagswahl: 32,9 Prozent)
SPD: 16 Prozent (20,5 Prozent)
FDP: 6 Prozent (10,7 Prozent)
Grüne: 17 Prozent (8,9 Prozent)
Linke: 8 Prozent (9,2 Prozent)
AfD: 9 Prozent (12,6 Prozent).

Neben den CDU-Ministern und Ministerpräsidenten tritt vor allem auch Finanzminister und Vize-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in den Vordergrund. Aufgrund einer möglichen Corona-Infektion befindet sich die Kanzlerin seit vergangenem Sonntag in Quarantäne, Scholz vertritt sie öffentlich. In den Medien werden schon die ersten Rufe laut, dass er sich gerade warm läuft für die Kanzlerkandidatur 2021.

Wir sprachen mit dem Politikwissenschaftler Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin darüber, welche Parteien von der aktuellen Corona-Krise profitieren. Außerdem wollten wir wissen, wer 2021 Spitzenkandidat der verschiedenen Parteien sein könnte. Überraschenderweise spricht sich der liberal-konservative Politikwissenschaftler für einen Kanzlerkandidat Olaf Scholz aus.

Zur Person
Klaus Schroeder ist Politikwissenschaftler und Zeithistoriker. Er lehrt unter anderem am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Außerdem ist er wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat und war unter anderem an der Aufarbeitung der Aufzeichnungen der Stasi-Unterlagen-Behörde beteiligt.
"Scholz profiliert sich. Er wird wohl zu mindestens 80 Prozent der Spitzenkandidat der SPD werden"

Watson: Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die Parteien aus?

Klaus Schroeder:
Es kommt vor allem den Regierungsparteien zugute. Insbesondere Markus Söder, Jens Spahn und Olaf Scholz punkten, weil sie Glaubwürdigkeit versprühen. In solchen Situationen können Regierende, wenn sie sich der Krise stellen, sehr profitieren.

Kann sich das auch auf die Wahl 2021 auswirken?

Es ist ein Momentbild. Bis zur nächsten Wahl ist ja noch ein wenig Zeit. Das muss nicht so bleiben. Aber sobald die Krise in im Griff ist, wird es den Regierenden sehr zugute kommen. Wenn wir überlegen, wie die Umfragen noch vor einigen Wochen waren. Da kamen CDU/CSU und SPD gerade mal auf ungefähr 42 Prozent. Und jetzt haben sie zusammen wieder eine Mehrheit. Da hat sich der Wind doch stark gedreht.

Profitiert auch die SPD von der Beliebtheit der GroKo?

Olaf Scholz ist in den letzten Tagen aus der Deckung gekommen, weil Merkel wegen einer möglichen Corona-Infektion zu Hause bleiben musste. Scholz profiliert sich. Er wird wohl zu mindestens 80 Prozent der Spitzenkandidat der SPD werden.

"Wenn Jens Spahn gegen Olaf Scholz antritt, wäre das ein interessanter Wahlkampf"

Gibt es dann einen Kanzler Olaf Scholz?

Wenn Rot-Rot-Grün eine Mehrheit hat und die SPD stärker als die Grünen ist. Das muss sich im nächsten Jahr zeigen, ob sie das hinbekommen. Eventuell wäre auch möglich, dass es mit Olaf Scholz eine Ampel-Koalition mit der FDP geben wird.

Kann Olaf Scholz Kanzler?

Ja. Er wäre ein guter Kanzler. Als Martin Schulz nominiert wurde, sagte ich bereits, dass Olaf Scholz der bessere Kandidat wäre. Er wirkt etwas hölzern hin und wieder, aber er ist seriös, sachlich und nüchtern. Vielleicht wäre er sogar besser als die CDU-Kandidaten. Wenn Jens Spahn gegen Olaf Scholz antritt, wäre das ein interessanter Wahlkampf.

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Ist das auf der anderen Seite bei der CDU gerade auch ein Schaulaufen für die Kanzlerkandidatur für Markus Söder, Jens Sahn und Armin Laschet?

Ob Markus Söder will, weiß ich nicht. Er weiß, dass es ein Bayer auf Bundesebene schwer hat. Außerdem sind auch die Kommunalwahlen nicht so gelaufen, wie es sich die CSU gewünscht hatte. Jens Spahn hat auf jeden Fall Boden gewonnen und wirkt wesentlich souveräner als Armin Laschet. Laschet kommt nicht gut an, weil er erst zögerlich und dann überreagierte.

"Wenn wir die Krise gut bewältigen und Markus Söder sich als Krisenmanager profiliert, dann wird er es machen"

Worauf wartet Markus Söder?

Er will gerufen werden. Er weiß, dass Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber zweimal gescheitert sind. Das sind warnende Beispiele für ihn. Im Moment ist er der beliebteste Politiker, weil er als erster entschlossen aufgetreten ist. Wenn die CDU Armin Laschet und nicht Jens Spahn als Kanzlerkandidat der CDU nominiert und die Umfragewerte für Söder gut sind, dann kann ich mir vorstellen, dass er antritt.

Wenn wir die Krise gut bewältigen und Markus Söder sich als Krisenmanager profiliert und daher gute Umfragewerte erhält, dann wird er es machen. Unter normalen Umständen hätte er es nicht gemacht.

Wie wichtig sind die Beliebtheitswerte für die Kanzlerfrage?

Die CDU hat immer noch den Anspruch, den Kanzler zu stellen. Das ist sehr wichtig für sie, dass ihr Kanzlerkandidat beliebt ist. Wenn Markus Söder deutlich beliebter in den Umfragen ist als beispielsweise Armin Laschet, dann werden viele in den Unionsparteien sagen: "Wir nehmen den, der uns am meisten hilft."

"Es wird auch wieder Stimmen geben, die sagen, dass der Shutdown eine Überreaktion war"

Was halten Sie von der Opposition aktuell?

Egal ob Linke, FDP oder Grüne, sie sind völlig unerheblich geworden. Keiner hat eine eigene Meinung. Die Grünen geben Äußerungen von sich, über die man sich wundert. Die Wohlfühlthemen spielen in Krisenzeiten einfach keine Rolle.

Was wäre denn eine gelungene Oppositionsarbeit?

Es bedrückt mich, dass eine Situation entstanden ist, in der niemand mehr die Regierung kritisieren darf. Die Opposition, egal welche Partei, muss auch das Recht haben zu sagen, dass die Regierung Fehler gemacht oder zu schnell reagiert hat. Jetzt traut sich aber keiner, Kritik auszuüben, aus Angst, er würde in eine bestimmte Ecke gestellt werden.

Was denken Sie denn, wie lange das so bleiben wird?

Die Kritik wird kommen in den nächsten Wochen. Je länger die aktuelle Ausnahmesituation andauert, desto lauter werden die Stimmen, die Kritik üben. Es wird auch wieder Stimmen geben, die sagen, dass der Shutdown eine Überreaktion war. Die Regierung steht unter einer hohen Belastung. Die halten den aktuellen Kurs nicht lange durch.

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