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Hamburg-Wahl: "Catch-all-Partei" –Experte erklärt, warum die SPD siegte

Der Erste Hamburger Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher ist der große Gewinner der Wahl
Der Erste Hamburger Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher ist der große Gewinner der WahlBild: imago images / Chris Emil Janßen
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Hamburg-Wahl: Experte erklärt, warum die SPD siegte

23.02.2020, 18:4231.03.2020, 18:17
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Die Regierungsparteien SPD und Grüne haben bei der Wahl in Hamburg einen klaren Sieg errungen und können ihre Koalition mit einer gestärkten Mehrheit in der Bürgerschaft fortsetzen. Deutliche Verluste mussten dagegen am Sonntag CDU, FDP und AfD hinnehmen.

Die Sozialdemokraten blieben trotz Verlusten stärkste Kraft, die Grünen konnten ihr Ergebnis von 2015 verdoppeln, die CDU stürzte auf ein Rekordtief. AfD und FDP schafften laut vorläufigem Auszählungsergebnis knapp den Wiedereinzug ins Parlament.

Wie ist das Hamburg-Ergebnis zu deuten? watson hat mit dem Politikwissenschaftler Kamil Marcinkiewicz von der Universität Hamburg über das Ergebnis gesprochen.

watson: Entgegen dem Bundestrend hat die SPD ein extrem gutes Ergebnis erreichen können. Warum ist die SPD in Hamburg so stark?

Kamil Marcinkiewicz:
In Hamburg spielen die lokalen Themen eine große Rolle. Hier konnte sich die SPD als Regierungspartei gut positionieren und Erfolge vorweisen. Außerdem ist die SPD in Hamburg besonders breit aufgestellt. Sie ist auch konservativer als die Bundes-SPD. Mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind auf Bundesebene zwei Mitglieder des linken Flügels an der Spitze. Die Landes-SPD in Hamburg ist dagegen näher an den Positionen des konservativen Seeheimer Kreis. Das ist in Hamburg eine sogenannte "catch all"-Partei. Also eine Partei, die alle Schichten anspricht.

Was heißt das konkret?

Bei einer Umfrage der Universität Hamburg kam heraus, dass die SPD von sehr vielen verschiedenen Menschen gewählt wird. Das Wählerklientel unterscheidet sich kaum von dem der CDU. Die SPD kann hier von Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten gewählt werden, auch mitte-links Wähler. Außerdem hat die Hamburger SPD einen schlauen Slogan gewählt: "Die ganze Stadt im Blick" war ein gutes Wahlkampf-Motto.

"Das Gefühl der Unsicherheit nach den Ereignissen in Thüringen hat eine große Rolle gespielt, obwohl es kein Hamburger Thema war"

Welche Themen haben in Hamburg den Wahlkampf beherrscht?

Das Gefühl der Unsicherheit nach den Ereignissen in Thüringen hat eine große Rolle gespielt, obwohl es kein Hamburger Thema war. In den Umfragen waren außerdem die Themen Verkehr und Wohnen ganz weit vorne. Die Wähler wünschen sich in diesen Bereichen Veränderung. Das heißt ganz konkret, dass man sich Ausbau vom Nahverkehr wünscht und bessere Erreichbarkeit der Innenstadt. Die CDU hat die vielen Baustellen und Staus thematisiert.

Die SPD und die Grünen wollen einen besseren öffentlichen Nahverkehr. Außerdem gehen in Hamburg wie in den anderen großen Metropolen die Mieten hoch. Bezahlbare Wohnungen werden schwieriger zu finden. Im Vergleich zu anderen Großstädten geht die Hamburger Regierung das Thema sehr konstruktiv an und baut viele bezahlbare Wohnungen. Das wirkt sich auch positiv auf den Stimmenanteil der SPD aus.

Die FDP wäre beinahe aus der Bürgerschaft geflogen. Welche Gründe könnte das haben?

Das ist bei der FDP eine Folge der Ereignisse von Thüringen. Da hat die FDP einen strategischen Fehler gemacht. Natürlich hatte die Hamburger FDP keinen Einfluss darauf, was in anderen Bundesländern passiert. Aber die Ergebnisse und das Verhalten der FDP in anderen Bundesländern wirkt sich eben auch auf Hamburg aus.

"Wenn die AfD nicht in die Bürgerschaft kommt, so wie es sich nach ersten Hochrechnungen abzeichnet, wäre das wirklich bemerkenswert"

Wie ist das bei der AfD?

Wenn die AfD nicht in die Bürgerschaft gekommen wäre, wäre das wirklich bemerkenswert gewesen. Die AfD hat eine treue Wählerschaft, die sich durch solche Ereignisse wie in Thüringen oder Hanau selten abhalten lässt, ihre Partei zu wählen. Hier könnte die hohe Wahlbeteiligung wirklich einen Einfluss gehabt haben. Eine hohe Wahlbeteiligung ist in der Regel ungünstig für kleinere Parteien, die am Rande des politischen Spektrums stehen.

Die Grünen waren lange Zeit auf einem Umfragehoch und man ging eine Zeit lang sogar davon aus, dass sie die erste Bürgermeisterin stellen würden. Welchen Fehler haben die Grünen gemacht?

Sie haben einen personalisierten Wahlkampf gemacht. Das funktioniert bei den Grünen aber nicht so gut, weil sie eher bei Themen Punkten können, als bei Personen. Außerdem ist Peter Tschentscher hier sehr beliebt. Auch ist es so, dass nach den Ereignissen in Thüringen die Umfragewerte der Grünen in Hamburg zurückgegangen sind.

Können Sie sich das erklären?

Wir vermuten, dass das daran liegt, dass die Leute Angst haben und eher die Partei wählen, die gerade im Amt ist. Man wünscht sich Sicherheit und wählt Stabilität. Das haben wir auch in Thüringen und Sachsen beobachtet.

Welche Rolle spielt Peter Tschenscher?

Peter Tschenscher ist hier sehr beliebt. Das spielt eine große Rolle. Er kann Leute ansprechen, die die SPD auf Bundesebene nicht mehr ansprechen kann. Auch Mitte-Rechts-Wähler. Wir haben in unseren Umfragen auch seine Beliebtheit abgefragt. Er hatte mit 59 Prozent höhere Werte als Katharina Fegebank mit 26 Prozent. Außerdem traut man ihm eine hohe Wirtschaftskompetenz zu und das spielt hier in Hamburg eine große Rolle. Das kommt noch von Helmut Schmidt.

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