Die Umfragewerte sind verheerend, der Parteichef macht keine gute Figur: Zweieinhalb Monate, nachdem Armin Laschet zum CDU-Chef gewählt wurde, geht es seiner Partei schlecht. Und die Rufe derer werden lauter, die CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidaten wollen.
Was macht Laschet falsch? Und wie bedrohlich ist die Entwicklung für die Unionsparteien? Watson hat darüber mit Politikwissenschaftler Klaus Schroeder gesprochen.
watson: Erst Vorkämpfer für Lockerungen, jetzt Vorkämpfer für den Brücken-Lockdown, von dem fast niemand weiß, was damit gemeint ist. Was ist denn los mit Armin Laschet?
Klaus Schroeder: Er ist orientierungslos und ratlos. Das hat er in den vergangenen zwei Jahren eindrucksvoll bewiesen. Er versucht jetzt, sich an Angela Merkel und Markus Söder zu hängen. Er will eine doppelte Brücke bauen: So auftreten wie Söder und das fordern, was Merkel auch fordert, nämlich einen harten Lockdown. Laschet hofft, dass er dadurch medial wieder besser dasteht, angesichts der katastrophalen Umfragewerte.
Hat Laschet das Format, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden?
Nein.
Wie hat er sich aus Ihrer Sicht geschlagen, seit er am 22. Januar CDU-Chef geworden ist?
Ich habe noch nichts bemerkt, das er geleistet hätte. Laschet spielt den Unsichtbaren. Ob es die richtige Entscheidung war, ihn zum Vorsitzenden zu wählen, wage ich zu bezweifeln. Ja, er hat im sozialdemokratischen Stammland Nordrhein-Westfalen die Landtagswahl gewonnen. Aber eine inhaltliche Vision hat er nicht geliefert. Er versucht, das jetzt nachzuholen. Aber wenn er von Modernisierungsstrategie spricht, dann sind das hohle Phrasen. Das machen die Grünen ja auch nicht anders. Und Frau Merkel scheint momentan ja eher auf Annalena Baerbock zu setzen als auf Herrn Laschet oder Herrn Söder.
Dabei ist Laschet ja oft mit Merkel verglichen worden, weil er eher moderiert und integriert – anders als etwa sein Gegenkandidat Friedrich Merz. Warum hat das bei Merkel funktioniert, bei Laschet aber nicht?
Weil Angela Merkel auch knallhart ist. Jeden, der ihr im Weg stand, hat sie abgeräumt. Laschet wirkt eher wie ein Weichei als wie ein Moderator.
Laschet ist aus Ihrer Sicht also ein weicherer Typ als Merkel?
Merkel hat immer davon gelebt, dass sie unterschätzt wurde. Laschet spielt im politischen Theater momentan nur den Bettvorleger.
Haben Sie am Dienstag Markus Söders Auftritt bei "Lanz" gesehen?
Ich hab' kurz reingeschaut und am Morgen danach darüber gelesen. Söder war sehr gönnerhaft gegenüber Laschet, nach dem Motto: Jetzt hat der Armin mal kapiert, wo es langgehen soll. Söder ist aber eigentlich egal, wie es mit Laschet weitergeht. Bei ihm ist das Problem ein anderes.
Nämlich?
Söders Überlegung ist: Wenn ich als Kanzlerkandidat antrete, dann will ich auch Bundeskanzler werden. Wenn er die Chance nicht sieht, dann wird er nicht antreten – selbst, wenn viele Abgeordnete der Unionsfraktion ihn rufen. Und so wird das ohnehin laufen: Es wird eine breite Initiative von CDU-Abgeordneten geben, die Söder statt Laschet fordern. Die können ja auch rechnen.
Sie gehen also fest davon aus, dass immer mehr Unionsabgeordnete Söder als Kanzlerkandidaten wollen?
Ja, die Schar wird größer werden. Klar, Angela Merkel wird da auch im Hintergrund die Strippen ziehen. Und sie dürfte Laschet favorisieren, weil sie dann im Nachhinein stärker aussieht. Merkel denkt jetzt auch an ihr Geschichtsbild, wie man 10, 20, 40 Jahre nach ihrer Kanzlerschaft beurteilen wird. Und mit ihren Fehlern in der Einwanderungspolitik und der Pandemiepolitik hat sie keine Punkte mehr gesammelt. Was sie außenpolitisch mal war, das verspielt sie gerade. Und das will sie irgendwie noch retten.
Glauben Sie aber, dass Markus Söder selbst wirklich Kanzler werden will?
Wenn er die Chance, Kanzler zu werden, bei 60 bis 70 Prozent sieht, dann ja. Vieles hängt jetzt davon ab, wie die Umfragen weitergehen. Das Problem ist: Die Unionsparteien müssen jetzt entscheiden. Sie können nicht warten, bis die Pandemie im Griff ist.
Aber was passiert, wenn Söder nicht will, obwohl man ihn aus der CDU ruft? Sehen Sie dann noch eine dritte Option?
Nein. Ralph Brinkhaus, der Fraktionschef der Union im Bundestag, wäre eine Option gewesen. Der ist sachlich, nüchtern und kommt gut rüber. Den kennt aber kein Mensch. Und jetzt ist die Zeit zu knapp. Nehmen wir mal das Worst-Case-Szenario für die Union...
... das da wäre?
Söder sagt nein. Laschet muss als Kanzlerkandidat antreten, weil er CDU-Chef ist. Er verliert die Bundestagswahl, es kommt entweder die Ampel oder Rot-Rot-Grün. Dann wird Brinkhaus Laschets Nachfolger. Laschet stürzt ab und wird auch bei der nächsten Landtagswahl 2022 in NRW nicht mehr antreten können. Das wäre sein politisches Ende. Bei Söder sieht das anders aus.
Wieso?
Die Wahl in Bayern ist erst 2023, ein Jahr später. Söder könnte auf jeden Fall Ministerpräsident bleiben. Und er ist jung genug, um zu sagen: Ich lasse Laschet grandios scheitern.
Sie beschreiben ein Szenario, in dem Laschets politische Karriere ziemlich schnell zu Ende geht. Was kann er denn tun, um wieder an Popularität zu gewinnen?
Eigentlich nichts. Klar, wenn er als Kanzlerkandidat antritt, die Union bekommt zum Beispiel 27 Prozent und die Grünen 23, dann wird er trotzdem Kanzler. Aber wenn es zu einer anderen Regierungskoalition ohne Union kommt, dann ist er ja nicht mal Oppositionsführer im Bundestag. Das wäre dann wohl Ralph Brinkhaus.
Nach Angela Merkels Auftritt bei "Anne Will" wurde viel darüber gesprochen, dass die Kanzlerin Laschet demontiert habe. Haben Sie das auch so gesehen?
Nein, das war überzogen. Merkel glaubt sowieso nur, sie selbst sei entscheidend. Ich glaube nicht, dass sie Laschet sehr ernst nimmt. Söder muss sie ernst nehmen, weil er anders auftritt.
Sie meinen, Merkel will Laschet also nicht mal schaden, sondern er ist ihr egal?
Das weiß ich gar nicht. Sie ist da einfach eiskalt. Ihre Zeit als Kanzlerin geht zu Ende, das merkt sie mit jedem Tag. Vielleicht hat sie im Stillen noch gehofft, dass alle ihr sagen würden: "Angela, bleib' doch noch." Aber der Ruf ist nicht ertönt.
Was bedeutet das aktuelle Umfragetief für CDU und CSU? Ist das ein Durchhänger oder eine bedrohliche Entwicklung?
Das liegt an verschiedenen Faktoren. Erstens, was aus der AfD wird, ob sich der moderate Flügel durchsetzt und eine rechtskonservative Partei entsteht, die sich von extremistischen Elementen rigoros trennt. So eine Partei könnte zwischen 15 und 20 Prozent der Stimmen erhalten, dann würde es ernst für die Unionsparteien.
Und zweitens?
Zweitens hängt es davon ab, wie sich die Lage in der EU entwickelt. Wenn die Unionsparteien sich dafür einsetzen, immer weiter Kompetenzen an die EU abzugeben, dann droht der Union eine Entwicklung wie den konservativen Parteien in Frankreich und Italien. Aber es kann auch ganz anders kommen.
Was meinen Sie?
Wenn im August oder September die Sache mit Corona gelaufen ist, dann kann es auch wieder ein zwischenzeitliches Hoch für die Union geben. Aber es gibt noch eine Tendenz bei den Umfragen, die der Union Sorge machen sollte.
Nämlich?
Dass ihr mittlerweile weniger Bürger als früher Wirtschaftskompetenz zutrauen. Das war immer die Stärke der Union, und auf Wirtschaftskompetenz wird es nach der Pandemie ankommen. Die Grünen haben da aus meiner Sicht gar keine Kompetenz. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist zwar ein anderes Kaliber, aber seine Partei ist einfach zu schwach. Söder und Laschet hätten sich hier viel stärker profilieren müssen und nicht nur über Lockdown quatschen.
Was kann die Union denn selbst tun, um wieder Aufwind zu bekommen?
Sie muss jüngere Menschen nach vorne holen. Es gibt ja auch ein paar Politiker mit Migrationsgeschichte, die einen guten Eindruck hinterlassen – und Frauen, die es allemal mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck von den Grünen aufnehmen könnten. CDU und CSU müssen jünger und weiblicher werden. Das Potenzial haben die Parteien, sie müssen es nutzen.