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MSF-Bericht zu Sudan: Gewalt und Vergewaltigung in El Fasher und Zamzam

This November 2024 photo provided by the World Food Program shows a young internally displaced person at the ZamZam camp in El Fasher, North Darfur state, Sudan. (Mohamed Galal/WFP via AP)
Dieser Junge im Lager Zamzam, ist nur einer von vielen, die um ihr Leben fürchteten.Bild: World Food Program / Mohamed Galal
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Sudan: Ärzte ohne Grenzen schlägt Alarm wegen ethnischer Gewalt

Ein neuer Bericht von Ärzte ohne Grenzen dokumentiert Massaker in einem sudanesischen Lager – mit gezielten Tötungen, Vergewaltigungen und Hunger als Waffe.
04.07.2025, 11:3504.07.2025, 11:35
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Im Nordwesten Sudans eskaliert die Gewalt: In der Region um El Fasher, der letzten Stadt Darfurs außerhalb der Kontrolle der Rapid Support Forces (RSF), kommt es seit über einem Jahr zu systematischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung.

Besonders betroffen ist das riesige Binnenflüchtlingslager Zamzam, in dem über 500.000 Menschen lebten – viele davon Frauen und Kinder.

Ein neuer Bericht von Ärzte ohne Grenzen (MSF) dokumentiert nun erstmals detailliert die ethnisch motivierten Massaker und die humanitäre Katastrophe, die sich dort seit 2024 abspielen.

Am 11. April 2025 starteten die RSF und ihre verbündeten Milizen eine groß angelegte Bodenoffensive auf das Lager – hunderte Zivilist:innen wurden getötet, Tausende flohen.

MSF warnt: Es gibt Hinweise auf gezielte Gewalt gegen die ethnische Gruppe der Zaghawa, medizinische Versorgung ist fast nicht mehr möglich, und Hunger sowie Wasserknappheit gefährden nun das Leben Zehntausender.

HANDOUT - 16.04.2025, Sudan, Darfur: Die von Maxar Technologies zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt die weitgehende Zerstörung des Flüchtlingslagers Zamzam in Nord-Darfur. Foto: Uncredited/Maxar Te ...
Diese Aufnahme zeigt die weitgehende Zerstörung des Flüchtlingslagers Zamzam im April 2024.Bild: Maxar Technologies/AP / Uncredited

Zamzam in El Fasher: Schauplatz gezielter ethnischer Angriffe

"Wir hörten das Schießen ab neun Uhr morgens – und es hörte nicht auf bis nach Sonnenuntergang", berichtet eine 21-jährige Frau, die den Angriff auf Zamzam überlebte. Ihre Stimme ist eine von mehr als 80 in dem neuen MSF-Bericht, der erschütternde Zeugnisse zusammenfasst.

RSF-Kämpfer hätten wahllos auf Menschen geschossen – auch Kinder, Babys und alte Menschen seien unter den Toten. Ganze Häuserzeilen wurden niedergebrannt, Märkte geplündert und medizinische Einrichtungen systematisch zerstört.

Laut MSF sind solche Angriffe kein Einzelfall. Vielmehr deutet alles auf eine gezielte Kampagne gegen nicht-arabische Bevölkerungsgruppen hin, insbesondere gegen die Zaghawa. Diese stellen den Großteil der sogenannten Joint Forces, die sich im Frühjahr 2024 der sudanesischen Armee (SAF) im Kampf gegen die RSF angeschlossen hatten.

Zahlreiche Überlebende berichten, dass Männer und Jungen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit erschossen wurden oder verschwanden. Wer sich als Zaghawa zu erkennen gab, lebte gefährlich.

Systematisches Töten, Vergewaltigung und Hunger im Sudan

Schon Monate vor der Offensive auf Zamzam wurde El Fasher selbst regelmäßig beschossen. MSF spricht von mindestens sieben Angriffen auf das South Hospital allein im Mai 2024. Als Folge musste die NGO ihre Arbeit dort beenden. Das letzte funktionierende öffentliche Krankenhaus war damit verloren.

This September 2022 photo provided by the World Food Program shows internally displaced people at the ZamZam camp in El Fasher, North Darfur state, Sudan. (Leni Kinzli/WFP via AP)
Dieses Foto von 2022 zeigt vertriebene Frauen im Lager Zamzam.Bild: World Food Program / Leni Kinzli

Auch ein später unterstütztes Krankenhaus, das Saudi Hospital, wurde mehrfach getroffen. Zivilist:innen mit Kriegsverletzungen hatten fortan kaum noch Zugang zu chirurgischer Versorgung.

Neben den massiven Angriffen dokumentiert MSF auch sexualisierte Gewalt in erschreckendem Ausmaß. Frauen berichten von Vergewaltigungen durch RSF-Kämpfer, häufig bei Angriffen auf Flüchtlingslager oder auf dem Weg zur Wasserquelle.

Eine Psychologin schildert, wie sie drei vergewaltigte Schwestern betreute, die kaum in der Lage waren, über das Erlebte zu sprechen. Ein Mann zitiert RSF-Kämpfer, die offen davon sprachen, am Vortag "Mädchen vergewaltigt" zu haben.

Auch die Versorgungslage ist katastrophal. Seit Mitte 2024 warnt die Famine Review Group vor akuter Hungersnot. 38 Prozent der Kinder unter fünf leiden laut Erhebungen an akuter Mangelernährung, elf Prozent an schwerer Mangelernährung. In vielen Orten wurden Wasserpumpen zerstört oder funktionieren wegen Treibstoffmangels nicht mehr. Die Zahl der Toten durch vermeidbare Krankheiten steigt.

A man carries a water container past a building damaged during the civil war at a distribution point due to water outages in Khartoum, Sudan, Sunday, May 25, 2025. (AP Photo)
Wasser ist in vielen Orten des Sudan Mangelware.Bild: AP

Sudan: Internationale Hilfsorganisationen unter Beschuss

Selbst humanitäre Helfer:innen sind nicht mehr sicher. Am 11. April wurden neun Mitarbeitende der Hilfsorganisation Relief International in einer Klinik in Zamzam getötet, zwei weitere starben später an ihren Verletzungen. Die Organisation war der letzte verbliebene internationale Akteur im Camp.

Ein Augenzeuge berichtet, die RSF hätten die Helfer:innen gezielt aus ihrem Versteck geholt, unter ein Wellblechdach gestellt und erschossen. MSF-Mitarbeiter:innen sprechen von einem "Tötungsfeld", das die Region überzieht.

Ihre medizinischen Teams versorgten zwischen dem 13. April und dem 10. Mai allein im Krankenhaus von Tawila über 500 Verwundete – viele davon Kinder, darunter ein sieben Monate altes Baby mit einem Schuss unter das Kinn.

Ärzte ohne Grenzen mit Appell an die Weltgemeinschaft

MSF fordert nun ein sofortiges Ende der Gewalt – und endlich konkrete Schritte der internationalen Gemeinschaft. Die UN-Resolution 2736 vom Juni 2024 verlangt ein Ende der Belagerung von El Fasher und humanitären Zugang. Doch sie bleibt weitgehend folgenlos. Währenddessen verlieren jeden Tag weitere Menschen ihr Leben, werden vertrieben oder sterben an Hunger.

Der Bericht endet mit einem dringenden Appell: Mindestens 150.000 Tonnen Nahrungsmittel müssten monatlich geliefert werden, allein 19.000 Tonnen für Nord-Darfur. Doch ohne sicheren Zugang, Luftbrücken und politischen Druck sei keine Hilfe möglich. "Wenn El Fasher fällt", sagt ein Überlebender, "dann wird die RSF kommen, vergewaltigen, entführen, töten – und uns demütigen."

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