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AKK-Rücktritt: Wissenschaftler: "CDU wird am Nasenring durch Arena gezogen"

Am 7. Dezember 2018 übernahm Annegret Kramp-Karrenbauer den CDU-Parteivorsitz von Angela Merkel. Am Montag kündigte sie ihren Rücktritt an
Am 7. Dezember 2018 übernahm Annegret Kramp-Karrenbauer den CDU-Parteivorsitz von Angela Merkel. Am Montag kündigte sie ihren Rücktritt an Bild: Michele Tantussi / Getty Images
Interview

Experte: "Die CDU wird am Nasenring durch die Arena gezogen"

11.02.2020, 16:22
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Die Thüringen-Affäre fordert erste Opfer. Nachdem am Freitag bereits der thüringische CDU-Vorsitzende Mike Mohring seinen Rücktritt angekündigt hat, machte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer es ihm am Montag nach. Im Sommer will sie den Parteivorsitz niederlegen.

Watson hat mit dem Historiker und Politikwissenschaftler Klaus Schroeder darüber gesprochen, was die CDU in Thüringen falsch gemacht hat, wie sie in Zukunft mit der Linken umgehen sollte und wer jetzt nach Annegret Kramp-Karrenbauer kommt.

Klaus Schroeder ist Politikwissenschaftler und Zeithistoriker. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat und war unter anderem an der Aufarbeitung der Aufzeichnungen der Stasi-Unterlagen-Behörde beteiligt. Er gilt als Experte für die SED und die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands.

Über Annegret Kramp-Karrenbauer:

"Sie ist eine Nummer zu klein dafür, Kanzlerkandidatin zu sein"

watson: In der CDU herrscht Unruhe, Annegret Kramp-Karrenbauer hat gerade ihren Rückzug angekündigt. Was erleben wir hier gerade?

Klaus Schroeder: Nicht besonders viel Souveränität. Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht in der Lage, ihre Position zu erklären und Dinge wieder gerade zu rücken, die der CDU und der FDP in Thüringen vorgeworfen werden. Die CDU wird am Nasenring durch die Polit-Arena gezogen.

Welche Verantwortung trägt Kramp-Karrenbauer dafür?

Sie ist einfach eine unglückliche Figur. Und das nicht erst seit der Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen. Das ist nur das i-Tüpfelchen. Sie ist eine Nummer zu klein dafür, Kanzlerkandidatin zu sein.

Nun hat sie ja auch angekündigt, nicht selbst kandidieren zu wollen und auch den CDU-Vorsitz abzugeben. Wer könnte ihr Nachfolger an der Parteispitze werden?

Wir werden jetzt einen Machtkampf zwischen Daniel Günther und Armin Laschet auf dem linken Flügel und Friedrich Merz rechtsaußen erleben. In der Mitte gibt es eigentlich keinen mehr.

Viele würden Laschet wohl als den Kandidaten der Mitte bezeichnen. Wer hätte denn die besten Karten?

Friedrich Merz hätte zumindest die größten Chancen, enttäuschte Wähler von AfD und FDP zurückzugewinnen. Aber innerparteilich wird es schwer für ihn.

Welche Rolle spielt dabei die Werteunion?

Die ist viel zu klein. Das sind nur eine Handvoll Leute. Die Basis wählen zu lassen, ist eine gute Idee. Man muss das nicht wie die SPD machen und damit durch die Provinz tingeln, aber an sich ist das erwägenswert.

Und wer hätte bei so einer Wahl die besten Chancen? Friedrich Merz?

Gute Frage. Vielleicht wäre sogar Armin Laschet der Gewinner. Er hat den großen Landesverband Nordrhein-Westfalen hinter sich. Außerdem stellt sich die Frage, ob Norbert Röttgen nicht wieder aus den Büschen hervorkommt und auch noch will.

Wen würden Sie favorisieren?

Wenn Sie mich persönlich fragen, die gesamte politische Klasse ist gerade eine Katastrophe, egal ob bei CDU, SPD, FDP oder Grünen. Da fehlen Politiker mit Format. Auch wenn ich nicht immer mit ihr einer Meinung war: Man wird Angela Merkel noch hinterhertrauern. Sie ist unaufgeregt gewesen und hat ihr Ding durchgezogen. Und sie hat einen Machtinstinkt. Das verbindet sie mit Helmut Kohl.

Wenn wir nochmal nach Thüringen gehen: Welche Möglichkeiten hätte die CDU denn gehabt, diese Situation zu verhindern?

Das ist natürlich eine schwierige Situation. Im Prinzip war es für die CDU eine Lose-Lose-Situation. Hätte die CDU Ramelow die Wahl ermöglicht, wäre ein Flügel der Partei sauer gewesen und hätte Rabatz gemacht. Jetzt, da sie mit der AfD zusammen gewählt hat, ist der andere Flügel sauer. Die konnten machen, was sie wollen, es gab nichts zu gewinnen.

"Es war eine ausweglose Situation und die Linke hat die CDU geschickt in die Falle gelockt"

Aber Ramelow ist beliebt und gilt als Pragmatiker. Warum soll es für die CDU so unmöglich gewesen sein, ihn zu wählen?

Die CDU hatte das Wahlziel, Rot-Rot-Grün zu verhindern und damit einen Ministerpräsidenten Ramelow. Wenn sie ihn gewählt hätten, hätten sie sich komplett lächerlich gemacht. Es war eine ausweglose Situation und die Linke hat die CDU geschickt in die Falle gelockt. Dass die AfD dann auch noch das Spiel der Linken betreibt, ist überraschend...

Sie wollen damit sagen, dass die gesamte Affäre eigentlich eine Falle der Linken war?

Beides. Auch der AfD. Aber letztlich hat es nur den Linken genutzt. Die Linke wollte die CDU zwingen, sich zu enthalten oder Ramelows Wahl zu ermöglichen. Dass Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang antreten würde, war eigentlich klar. Dass aber die AfD den eigenen Kandidaten fallen lassen würde und geschlossen den FDP-Kandidaten wählt, halte ich für eine Überraschung. Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht, dass es da eine Absprache gab. Schriftlich wird man da sowieso nie was finden.

Mit oder ohne Absprache, es ist doch bedenklich, einen Kandidaten mit Hilfe der AfD wählen zu lassen...

Nur um das nochmal richtig zu stellen: Die CDU und FDP haben keine Koalition mit der AfD bilden wollen. Sie wollten die AfD auch nicht an der Macht beteiligen. Es war eine Wahl, bei der auch die AfD mitgewählt hat. Die historische Analogie mit 1930, die Bodo Ramelow zieht, als die Nazis erstmalig an der Macht beteiligt waren, ist einfach falsch. Da werden zwei Vorgänge gleich gesetzt, die nicht gleich sind.

"Wenn die Frau von Thomas Kemmerich auf der Straße angespuckt wird und seine Kinder unter Polizeischutz stehen, dann sind das extreme Zustände"

Warum ärgert Sie das so?

Da ist eine mediale Welle der Empörung und Wut auf die CDU und FDP eingebrochen. Und was mich am meisten empört, ist das, was der FDP passiert. Gewaltausbrüche von linker Seite gegen Gebäude, aber auch Personen. Das ist so widerwärtig. Wenn die Frau von Thomas Kemmerich auf der Straße angespuckt wird und seine Kinder unter Polizeischutz stehen, dann sind das extreme Zustände. Solange wir in einem demokratischen Staat wohnen, darf es keine politisch motivierte Gewalt geben, das vergiftet das gesamte Klima.

CDU und FDP waren aber auch nicht unbeteiligt daran, die Atmosphäre aufzuheizen. Der Vorwurf gegenüber der CDU und FDP ist, dass sie immer wieder die AfD und die Linke als Extremisten gleichgesetzt hat.

Die Linke hat sich mit ihrer eigenen Geschichte nie richtig auseinandergesetzt. Die haben die Aufarbeitung der DDR-Diktatur, die sie versprochen haben, nie geleistet. Wer hat denn mal durchgezählt, wie viele ehemalige Stasi-Leuten und SED-Funktionäre in der heutigen Linkspartei sind? Ich habe gesehen, dass der Landesgeschäftsführer der Linkspartei in Thüringen ein ehemaliger Stasi-Spitzel ist. Die Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ist auch in einem kommunistischen Haushalt großgeworden. Ihr Vater war Offizier bei der NVA, die Mutter im Innenministerium. Da können Sie sich vorstellen, was für Vorstellungen dort herrschten.

Das heißt, Sie finden es richtig, dass die CDU eine Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ausgeschlossen hat?

Ja. Wenn die CDU da nicht klar ist, wäre das ein Fehler. Das Tagesgeschäft hat Ramelow genauso gemacht wie jeder CDU-Ministerpräsident. Er hat keine großen Fehler gemacht, das Geld vom Westen einkassiert und gut verteilt. Aber mit so einer Partei, die immer noch die umbenannte SED ist und sich nicht mit ihrer Vergangenheit kritisch auseinandersetzt, kann man nicht zusammenarbeiten. Das wäre ein Tabu-Bruch, da bricht der CDU alles weg.

Denkbar ist trotzdem, dass einzelne CDU-Mitglieder Ramelow bei der Ministerpräsidentenwahl unterstützen.

Die Linke braucht vier Stimmen von der CDU, damit Ramelow ohne Hilfe der AfD gewählt werden kann. Das ist eine Situation, die extrem kritisch für die Partei ist.

Aber es ist ja auch kritisch, wenn sich Thomas Kemmerich als Kandidat einer Fünf-Prozent-Partei mit Stimmen von CDU, FDP und AfD wählen lässt.

Ja, klar. Ich hätte die Wahl an seiner Stelle auch nicht angenommen. Er hätte einen Plan haben müssen. Aber so war es ein Fehler.

Aber der Vorwurf war ja nicht nur, dass er sich hat wählen lassen, sondern auch, dass seine Regierung darauf angewiesen gewesen wäre, mit Unterstützung der AfD zu arbeiten.

Das hätte er ja ablehnen können.

Wie hätte das funktioniert? Die Linke, SPD und Grüne wollten nicht mit Kemmerich arbeiten.

Ja, aber wo kommen wir denn da hin, wenn wir jeden Kandidaten ausschließen, weil er von der AfD mitgewählt wurde? Jetzt hat Alexander Gauland angekündigt, dass die AfD Bodo Ramelow wählen will. Die sind ja nicht auf den Kopf gefallen. Man kann sich von der AfD nicht so vorführen lassen.

Was erwartet die CDU bei Neuwahlen in Thüringen?

Die werden die Wahl verlieren. Das ist klar.

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