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Interview

FDP-Politikerin Ria Schröder mit klarer Kritik an Ländern wegen Bildungspolitik

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Ria Schröder ist bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.Bild: dpa / Georg Wendt
Interview

FDP-Politikerin Schröder über Probleme der Bildungspolitik – und wie Rentner helfen sollen

27.04.2023, 07:45
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"Bildung ist die Antwort auf den Fachkräftemangel", betonte FDP-Bildungspolitikerin Ria Schröder auf dem Bundesparteitag der Freien Demokraten am vergangenen Wochenende.

Ria Schröder ist 31 Jahre alt, Volljuristin und sitzt seit 2021 für die Hamburger Liberalen im Bundestag. Zuvor war Schröder mehrere Jahre Bundesvorsitzende der Nachwuchsorganisation ihrer Partei, den Jungen Liberalen. Heute setzt sie sich als bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion für Aufstiegschancen und Bildung unabhängig des Elternhauses ein.

Die soll nun unter anderem durch das sogenannte Startchancen-Programm verbessert werden.

Die Koalitionsparteien haben sich auf eine "Bildungsmilliarde" geeinigt, die laut der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in das Startchancen-Programm fließen soll. Damit soll auch der Fachkräftemangel bei Lehrkräften bekämpft werden.

22.04.2023, Berlin: Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesbildungsministerin und neugew�hltes Mitglied im FDP-Pr�sidium, spricht beim Bundesparteitag ihrer Partei. Auf der Tagesordnung stehen heute wei ...
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger wollte kürzlich die Länder bei einem Bildungsgipfel zusammenzubringen.Bild: dpa / Joerg Carstensen

Eine Einigung auf bis zuletzt strittige Punkte kam vor rund einem Monat, im März. Offenbar unter dem Eindruck des durchweg negativen Echos auf Stark-Watzingers Vorstoß eines Bildungsgipfels – bei dem die Mehrheit der Bundesländer abgesagt hatten.

Im Interview mit watson spricht Ria Schröder über die Bildungspolitik der Ampel und den gescheiterten Bildungsgipfel von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.

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Watson: Frau Schröder, Sie sind mit 31 Jahren noch nicht ganz so weit von den Studierenden entfernt, wie so manch andere:r im Bundestag. Was wollen Sie demnächst verstärkt angehen?

Ria Schröder: In diesem Jahr ist es besonders wichtig, dass wir das Startchancen-Programm auf den Weg bringen. Wir haben eine extreme Ungleichheit in Deutschland. Und wir haben gerade im IFO-Chancenmonitor auch noch mal gesehen, wie stark sich das Haushaltseinkommen und die Schulbildung der Eltern – besonders Alleinerziehender – auf den Bildungserfolg auswirken. Das kann nicht sein. Entscheidend muss sein, wie klug jemand ist, wie sehr sich jemand bemüht.

Und damit soll dem Fachkräftemangel bei Lehrer:innen entgegengewirkt werden?

Das Startchancen-Programm soll vor allem jungen Menschen Chancengleichheit ermöglichen. Aber wenn das an Brennpunktschulen auch den Lehrerberuf attraktiver macht, umso besser. Häufig müssen Lehrkräfte viel mehr machen als zu unterrichten: sich um die IT kümmern, Sozialpädagog:innen sein, Inklusion vorantreiben. Für all das gibt es aus gutem Grund Fachkräfte, die die Lehrkräfte dabei unterstützen. Wir müssen ermöglichen, dass Lehrkräfte das machen können, was sie am besten können: nämlich unterrichten.

Das soll mit dem Startchancen-Programm sichergestellt werden?

Wir wollen mehr sogenannte multiprofessionelle Teams an den Schulen. Dabei ist auch Schulsozialarbeit ein wichtiges Thema im Startchancen-Programm. Ich finde es außerdem richtig, dass Pensionär:innen zurückgeholt werden sollen.

Warum?

Die Pensionär:innen müssen das ja nicht mehr in Vollzeit machen. Aber gerade die pädagogischen Aspekte können ältere Menschen oftmals besonders gut. Sie nehmen dann ein bisschen die Rolle einer Oma ein – rein wertschätzend gemeint. Definitiv der falsche Weg wäre es, Lehrkräfte dazu zu zwingen, noch mehr zu arbeiten, aus der Teilzeit zurückzukommen. Das muss man über eine Attraktivitätssteigerung erreichen, nicht über Zwang. Denn dann suchen sich die Leute andere Jobs.

Die Ampel streitet sich momentan viel. Wirkt sich das auch auf die Bildungspolitik aus?

Die Probleme sind nicht so groß, wie man meint. Wir kommen natürlich aus unterschiedlichen Richtungen, aber es gibt eine große Einigkeit in vielen Punkten.

Zum Beispiel?

Bei der erfolgreich umgesetzten BAföG-Reform. Dabei gab es zwar unterschiedliche Vorstellungen, aber wir hatten einen wirklich guten Verhandlungsmodus. Wir haben Kompromisse gefunden und jeder findet sich mit seinen wichtigen Punkten darin wieder. Man muss auch mal sagen, wenn es gut läuft.

Bildung ist also kein Streitpunkt.

Es ist insgesamt in der Koalition wichtig und gut, dass wir über Themen streiten. Wir müssen uns jetzt aber Prioritäten setzen und schauen, wo die Schwerpunkte liegen. Vor allem auch gezielt entscheiden, was wir nicht machen.

"Es bringt nichts, einander die Lehrkräfte streitig zu machen und am Ende wird der Mangel nur verwaltet."

Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, dass sich der Lehrkräftemangel mit der Ampel bald verbessern könnte?

Wir selbst haben beim Thema Lehrkräfte keine Entscheidungshoheit. Die liegt bei den Ländern. Aber wir versuchen, die Lösungen der Länder zu diesem Problem zu flankieren.

Wie sieht das konkret aus?

Zum Beispiel durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung des Bildungsministeriums. Dort haben wir auch wissenschaftlich unterstützt. Das Erforschte muss aber auch umgesetzt werden. Es bringt ja nichts, wenn man hinterher schlauer ist, aber es keine Auswirkungen auf die Situation an den Schulen hat. Und auch mit den Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten könnte Lehrkräften der Unterricht leichter gemacht werden.

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Vor allem an Brennpunktschulen soll sich für Lehrer:innen einiges verbessern.Bild: dpa / Sebastian Gollnow

Da gibt es also noch ungenutztes Potenzial.

Absolut. Aber das muss auf Länderebene gelöst werden – und die müssen zusammenarbeiten. Denn es bringt nichts, einander die Lehrkräfte streitig zu machen und am Ende wird der Mangel nur verwaltet. In Bayern wurde ja sogar eine Prämie für Lehrkräfte ausgerufen, das ist absurd.

Wäre ein Bildungsgipfel, wie ihn zuletzt Bettina Stark-Watzinger initiierte, eine Idee, um die Zusammenarbeit zu stärken?

Das hängt vor allem vom Willen der Länder ab. Man kann so viele Gipfel veranstalten, wie man möchte – wenn die Länder da keinen Bock drauf haben, dann werden sie nichts ändern.

"Unser Wohlstand hängt davon ab, wie wir die Bildungspolitik heute gestalten."

Was wäre also die Lösung?

Das Thema ist zu groß, um sich an Eitelkeiten aufzuhängen. Es gibt einige Themen, die auf der Hand liegen. Zum Beispiel die Frage der Kündigung vor den Sommerferien, die Besoldungsgruppe A13 für alle, unabhängig von der Schulart. Aber auch leistungsorientierte Vergütung.

Wie soll das Ihrer Meinung nach aussehen?

Wer an Brennpunktschulen arbeitet, sollte dafür auch mehr Geld bekommen. Es ist eine andere Form der Belastung als an einem städtischen Gymnasium, an dem die Eltern viel unterstützen. Vor allem fehlt es häufig an Anerkennung für die Lehrkräfte, die mit ganz besonderen Herausforderungen bei Schüler:innen zu kämpfen haben.

Man kann also sagen: In Deutschland muss noch viel getan werden.

Ja, absolut. Wir können es uns überhaupt nicht leisten, zu warten. Der Bildungsmangel von heute ist der Fachkräftemangel von morgen – und von heute. Unser Wohlstand hängt davon ab, wie wir die Bildungspolitik heute gestalten.

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