Armin Laschet hat sich durchgesetzt: Er wird Kanzlerkandidat von CDU und CSU für die kommende Bundestagswahl. Der Machtkampf zwischen ihm und seinem Gegner, dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, hat tagelang gedauert und war teilweise heftig bis schmutzig.
Für Markus Söder hatten sich auch prominente CDU-Politiker ausgesprochen, darunter Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Außenpolitiker Norbert Röttgen. Die meisten Landesverbände der Jugendorganisation Junge Union waren für Söder.
Wie stark beschädigt ist Armin Laschet jetzt? Hat er das Zeug zum Bundeskanzler? Warum haben sich CDU und CSU so zerfleischt?
Watson hat darüber mit Werner Weidenfeld gesprochen. Weidenfeld hat Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Vorvorgänger Helmut Kohl beraten, er hatte jahrelang Zugang zu den mächtigsten Politikern Deutschlands.
watson: Herr Weidenfeld, wie schwach steht Armin Laschet jetzt aus Ihrer Sicht da?
Werner Weidenfeld: Der Punkt für Armin Laschet ist: Er hat Markus Söder zwar in einer wirklich kämpferischen Auseinandersetzung besiegt. Aber Söder ist gleichzeitig auch der Gewinner.
"Söder ist ein kühler Machtpolitiker. Und das Kalkül dieser Art von Machtpolitikern ist es, an den Tag danach zu denken."
Wie meinen Sie das?
Wann immer die Nachfolge Laschets bei der Kanzlerkandidatur ansteht, dann wird die Antwort sein: Klar, Söder. Söder ist ein kühler Machtpolitiker. Und das Kalkül dieser Art von Machtpolitikern ist es, an den Tag danach zu denken.
Kann man das, was Söder gemacht hat vergleichen mit dem, was 2002 Angela Merkel mit Edmund Stoiber machte? Also im ersten Moment auf die Kanzlerschaft verzichten, um es dann später noch einmal zu versuchen?
Ja, in gewisser Hinsicht. Nur: Angela Merkel war damals als Machtpolitikerin noch nicht so weit, wie Söder es heute ist. Merkel war damals in einer schwächeren Position. Deswegen ist die Frage um die Kanzlerkandidatur damals auch viel plausibler und weniger aufsehenerregend gelöst worden als heute in der Union.
Am Dienstag, beim Statement der CSU-Spitze zu Laschets Kandidatur, war ein Satz von CSU-Generalsekretär Markus Blume sehr auffällig. Er sagte: "Markus Söder war erkennbar der Kandidat der Herzen". Da hat er der CDU-Spitze aber nochmal einen schönen Giftpfeil hinterhergeworfen.
Klar, es waren sogar mehrere Pfeile. Söder selbst hat ja in seiner Rede ellenlang gesagt, wie toll die Zustimmung zu ihm in den letzten Wochen war, nicht nur von vielen Parteifunktionären aus der CDU, sondern aus der Bevölkerung, wie ihn das gerührt hat und so weiter. Das hat sein Generalsekretär dann mit dem Satz zum "Kandidaten der Herzen" zusammengefasst. Dabei ist Söder nicht der Politikertyp, der das Herz höher schlagen lässt. Er ist jemand, dem man zutrauen kann, dass er Dinge durchsetzt.
Wie schwer beschädigt ist jetzt die Union zwischen CDU und CSU?
Unbeschädigt geht sie da nicht raus. Wie stark das mittelfristig wirkt, das hängt jetzt davon ab, wie CDU und CSU in den nächsten Wochen und Monaten weitermachen. Wenn das rumpelig weitergeht, sind sie relativ stark beschädigt. Die Menschen vergessen das ja nicht. Aber wenn sie den Menschen auch etwas anderes bieten, dann können sie das auch locker wegstecken.
"Immer freundlich, verbindlich, positiv": Eine Passantin in Berlin gratuliert Armin Laschet am Dienstag zur Kanzlerkandidatur.Bild: dpa / Kay Nietfeld
"Laschet ist schon ein cleverer, erfahrener Politiker mit einem bestimmten Temperament."
Hat Armin Laschet aus Ihrer Sicht das nötige Format, um Bundeskanzler zu werden?
Das hat er schon. Er ist ja Wahlsieger geworden in Nordrhein-Westfalen, im größten Bundesland. Laschet ist schon ein cleverer, erfahrener Politiker mit einem bestimmten Temperament. Er ist eben Rheinländer, eigentlich immer freundlich, verbindlich, positiv, aufbauend, verständnisvoll. Das ist niemand, der die Leute vor den Kopf stößt. Insofern kann man ihm die Kanzlerschaft schon zutrauen.
Trotzdem hat er jetzt schon ein ziemlich beschädigtes Image, man sieht das an den Umfragewerten in NRW und an seinen Zustimmungswerten. Was muss Laschet denn jetzt aus ihrer Sicht tun, um sein Image zu stärken?
Er darf sich nicht verstellen, sein Naturell nicht verleugnen. Und er muss mit der Aufbauarbeit zum Wahltag hin beginnen. Das bedeutet: die programmatischen Prioritäten festlegen. Und er muss eine Art Mannschaft um sich bilden. Außerdem kann er seine internationalen Kontakte aktivieren, um staatsmännisch zu wirken. Ich gehe davon aus, dass er das auch machen wird. Er hat ja schon in Düsseldorf, als Ministerpräsident, Toptalente um sich gesammelt, bei denen ich mir immer dachte: Was machen die in der Landespolitik? Deshalb traue ich ihm es auch zu, dass er das hinbekommt.
Sie glauben also an Laschets Erfolgschancen.
Ob es am Ende für die Kanzlerschaft reicht, ist eine andere Frage. Gerade, weil auf der anderen Seite die Grünen modellhaft vorgeführt haben, wie man eine Kanzlerkandidatur klärt.
Ganz anders als bei der Union. Bei vielen Menschen bleibt der Eindruck, dass sich CDU und CSU einen unnötigen Machtkampf geliefert haben. Man hätte seit Monaten vorhersehen können, dass Markus Söder den CDU-Chef bei der Kanzlerkandidatur herausfordert. Warum haben sie es nicht hinbekommen, ein Verfahren zu finden, um das ordentlich zu klären?
Weil das Risiko zu groß war, vor allem für Laschet. Söder hätte ja so oder so nicht wirklich verloren. Aber wenn Laschet zum Beispiel eine Abstimmung in der Bundestagsfraktion verloren hätte, hätte er auch als Parteivorsitzender zurücktreten müssen.
Sie meinen, CDU und CSU hatten Angst, dass die Folgen so eines Verfahrens zwischen zwei Kandidaten zu heftig geworden wären.
Ja, wenn Laschet als Parteichef gewusst hätte: Diese Abgeordneten, die wählen mich nicht mehr, hätte er mit diesen Leuten ja nicht mehr konstruktiv arbeiten können.
"Natürlich können die Grünen gewinnen. Es muss sich nicht mehr viel bewegen, dann sind sie am Wahltag Nummer eins."
Eine Frage treibt momentan viele Politiker und Politiker bei CDU und CSU um: Wie realistisch ist es aus Ihrer Sicht, dass am Ende die Grünen die Wahl gewinnen und Annalena Baerbock die Kanzlerin ist?
Das ist eine realistische Möglichkeit. Die Machtarchitektur in unserer Republik hat sich verändert. Die stabilen Wähler, die die beiden Volksparteien gewählt haben, gibt es fast nicht mehr. Die SPD rutscht und rutscht, auch wegen ihrer internen Machtkämpfe. Das ist ja nicht attraktiv für die Wähler. Die Union hat auch viel verloren. Und es bleibt etwas, das ich fluides Stimmungsmilieu nenne: Leute die mal so, mal so wählen. Aus diesem Wählerpotential ist ja schon viel zu den Grünen abgewandert, ein paar andere zur AfD. Also: Natürlich können die Grünen gewinnen. Es muss sich nicht mehr viel bewegen, dann sind sie am Wahltag Nummer eins.
Der Experte
Werner Weidenfeld
Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld ist Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Universität München und Rektor der Alma Mater Europaea der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Salzburg). Außerdem ist er Vizepräsident des Cyber-Sicherheitsrats Deutschland e.V. (Berlin). Weidenfeld hat die Bundeskanzler Angela Merkel und Helmut Kohl beraten. Für Kohl war er von 1987 bis 1999 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.
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