Autos stehen auf der überfluteten Bundesstraße 265 in Nordrhein-Westfalen im Wasser.Bild: dpa / Marius Becker
Klima & Umwelt
09.08.2021, 10:2909.08.2021, 11:03
Der Weltklimarat führt die Folgen der menschengemachten
Erderwärmung in seinem neuen Bericht drastischer vor Augen als je
zuvor. Meeresspiegelanstieg, Eisschmelze, mehr Hitzewellen, Dürren
und Starkregen lassen sich nach den neusten wissenschaftlichen
Erkenntnissen deutlich sicherer vorhersagen als bisher. Das geht aus
dem Bericht über die physikalischen Grundlagen des Klimawandels
hervor, der am Montag in Genf veröffentlicht wurde.
Die Fakten sind alarmierend: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass
Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer
weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden", heißt es.
Belegt ist auch, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt und das Eis
weiter schmilzt. "Sehr wahrscheinlich" heißt: mit 90 bis
100-prozentiger Sicherheit.
Das Zwei-Grad-Ziel steht vor dem Scheitern
Selbst, wenn es gelingen sollte, bis 2050 Klimaneutralität zu
erreichen, dürfte der Meeresspiegel Ende des Jahrhunderts um bis zu
62 Zentimeter höher sein als 1995-2014. Klimaneutralität heißt, dass
nur noch höchstens so viel Treibhausgas ausgestoßen wird wie Senken
aufnehmen können. "In der Arktis sind Dreiviertel des Meereisvolumens
im Sommer schon abgeschmolzen", sagte Mitautor Dirk Notz vom
Max-Planck-Institut für Meteorologie. "Wir werden es vermutlich nicht
mehr verhindern können, dass das Nordpolarmeer bis 2050 im Sommer
zumindest in einzelnen Jahre weitgehend eisfrei sein wird."
Der Weltklimarat beleuchtete die physikalischen Grundlagen zuletzt
2013. Seitdem hätten sich Unsicherheiten in den Klimamodellen
deutlich reduziert. Anders als damals stellt die Wissenschaft jetzt
klar fest: Wenn die Treibhausgas-Emissionen nicht sehr schnell
heruntergefahren werden, wird das Ziel, die Erwärmung auf unter zwei
Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, scheitern. Zudem
könnten mehr Klimaveränderungen direkt auf den Einfluss des Menschen
zurückgeführt werden, sagte Mitautorin Veronika Eyring von der
Universität Bremen.
Auch Europa spürt die Folgen des Klimawandels
"Es ist zweifelsfrei, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre,
den Ozean und das Land aufgeheizt hat", heißt es in dem Bericht.
"Menschlicher Einfluss hat das Klima so aufgeheizt, wie es seit
mindestens 2000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. (...) 2019 war die
CO2-Konzentration in der Atmosphäre höher als zu jedem anderen
Zeitpunkt seit mindestens zwei Millionen Jahren."
Der Weltklimarat nennt auch zwei Horrorentwicklungen, die zwar
unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen seien. Zum einen ist das
ein Anstieg des Meeresspiegels um zwei Meter bis Ende des
Jahrhunderts, je nachdem, wie der Eisschild der Antarktis weiter
schmilzt. Zum anderen ist das ein Kollaps der Atlantische
Umwälzströmung (AMOC), die schon an Fahrt verloren hat. Sie verteilt
kaltes und warmes Wasser im Atlantik und beeinflusst etwa den für
Milliarden Menschen wichtigen Monsun in Afrika und Asien. Ein
Zusammenbruch des Systems, zu dem auch der Golfstrom gehört, hätte
auch Auswirkungen auf Europa.
Der Weltklimarat drängt auf Klimaneutralität
Die globale Mitteltemperatur liegt nach diesem Bericht für den
Zeitraum 2011 bis 2020 knapp 1,1 Grad über dem vorindustriellen
Niveau (1850-1900). Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die
Erderwärmung unter zwei Grad halten, möglichst bei 1,5 Grad. "Wenn
wir die Emissionen nicht schnell genug herunterfahren und bis etwa
2050-2070 netto-null erreicht haben, werden wir beide Pariser
Klimaziele verfehlen", sagte Mitautor Douglas Maraun von der
Universität Graz.
Der Weltklimarat entwirft fünf Szenarien. Darunter sind zwei, in
denen die Welt etwa 2050 Klimaneutralität erreicht und danach mehr
CO2 speichert als ausstößt. Nur damit könnte der Anstieg der
Mitteltemperatur Ende dieses Jahrhunderts bei 1,8 Grad oder darunter
bleiben.
Schreckensszenario: Globaler Temperaturanstieg von 5,7 Grad
Bei gleichbleibenden Emissionen bis 2050 würde die Temperatur Ende
dieses Jahrhunderts um 2,1 bis 3,5 Grad über dem vorindustriellen
Niveau liegen. In zwei weiteren Szenarien mit mindestens der
Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts wäre ein
Anstieg der Temperatur um bis 5,7 Grad möglich.
"Wenn man sich anschaut, was die einzelnen Regierungen für den
Klimaschutz zugesagt haben, würde man im Moment am ehesten im
mittleren Szenario landen", sagte Notz. "Für die Zukunft bleibt aber
natürlich unklar, ob die Zusagen eingehalten werden oder ob die
Regierungen andererseits ihre Bemühungen noch verstärken werden."
China und die USA stoßen am meisten CO2 aus
Ein Realitätscheck: Die Energie-Agentur der US-Regierung (EIA) hat
2019 berechnet, dass der CO2-Ausstoß wegen der erst beginnenden
Industrialisierung vieler Länder bis 2050 von heute im Jahr rund 36
Milliarden Tonnen auf mehr als 42 Milliarden Tonnen wächst. China
produziert zur Zeit das meiste Treibhausgas, etwa ein Viertel der
Gesamtmenge, vor den USA mit 18 und der EU mit 17 Prozent. Der Anteil
der CO2-Emissionen, die in Senken wie Wäldern oder Ozeanen
aufgenommen werden und nicht in der Atmosphäre bleiben, liegt nach
dem Bericht bei etwa 44 Prozent.
Der Bericht wurde von mehr als 230 Forschenden aus 66 Ländern
verfasst. Die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger
wurde von den 195 IPCC-Mitgliedsländern einstimmig abgesegnet. "Die
Regierungen sitzen also mit im Boot, keiner kann hinterher sagen: ich
habe damit nichts zu tun", sagte Jochem Marotzke vom
Max-Planck-Institut für Meteorologie.
(lfr/dpa)
6,5 Milliarden Euro sollten Schulen auf den neuesten Stand des digitalen Zeitalters befördern: im Rahmen des Digitalpakt Schule. Seit 2019 sicherte er Schulen entsprechend Gelder zu. Jedoch quasi im Top-Down-Management, also nach einem Verteilungsschlüssel anstatt nach Bedarf.