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Corona: Nicht China! Warum Südkorea unser Vorbild sein sollte

In Südkorea gibt es sogenannte Drive-Through-Tests, bei denen Autofahrer direkt im Fahrzeug getestet werden.
In Südkorea gibt es sogenannte Drive-Through-Tests, bei denen Autofahrer direkt im Fahrzeug getestet werden.Bild: imago images / AFLO / Lee Jae-Won via www.imago-images.de
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Demokratie funktioniert: Warum Südkorea unser Vorbild sein sollte, nicht China

21.03.2020, 11:11
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Das Coronavirus trifft Europa mit voller Wucht. Die Fallzahlen steigen weiter an, in Deutschland sind bisher mehr als 20.000 Menschen infiziert, Dutzende sind gestorben. In Asien dagegen hat sich das Geschehen weitgehend beruhigt. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die drastischen Maßnahmen der chinesischen Regierung gelobt.

Das ist nicht erst seit Corona-Zeiten eine Tendenz. Auch angesichts von bisher nicht erfolgreich abgeschlossenen Großprojekten wie Stuttgart21 oder dem Flughafen BER erheben sich immer wieder Stimmen, die die Demokratie als zu langsam, zu schwerfällig geißeln. Wie großartig erscheinen dagegen autoritäre Systeme, in denen Maßnahmen einfach von oben beschlossen und umgesetzt werden, ohne Diskussionen. Doch anstatt ehrfürchtig zu einer Diktatur und deren schier unbegrenzten Möglichkeiten der Beschneidung von Freiheitsrechten zum vermeintlichen Volkswohl aufzuschauen, lohnt es sich, einen Blick ins demokratische Südkorea zu werfen.

Südkorea setzt nicht auf Abriegelung

In Südkorea sind die Fallzahlen seit Tagen rückläufig. Am Donnerstag dieser Woche etwa kamen nur 87 zusätzliche Fälle hinzu. Zum Vergleich: Am 29. Februar, auf dem Höhepunkt der Ausbreitung, waren es an einem Tag über 900 neue Fälle gewesen.

Dabei gibt es in Südkorea keine Ausgangssperren und keine Reisebeschränkungen. Es wurden auch keine Städte abgeriegelt. Abriegelung sei nicht die richtige Lösung, sagt der südkoreanische Virologe Kim Woo-Joo dem Fachmagazin "Science". "Südkorea ist eine demokratische Republik."

Mit Betonung auf demokratisch. Südkorea setzt also nicht wie die Volksrepublik China auf Beschränkung und Einsperren, sondern auf: Wissenschaft. Denn wie "Science" berichtet, betreibt das Land "das bisher umfangreichste und am besten organisierte Testprogramm der Welt, kombiniert mit umfangreichen Bemühungen, infizierte Menschen zu isolieren und ihre Kontakte aufzuspüren und unter Quarantäne zu stellen." Mit anderen Worten: Es werden möglichst viele Menschen getestet, egal, ob Verdachtsfall oder nicht.

Dazu haben die Behörden sogar sogenannte Drive-Through-Tests eingerichtet, bei denen Menschen einfach mit dem Auto vorfahren und direkt getestet werden. Dann ermitteln die Behörden bei positivem Test alle Kontakte. Nur Betroffene und konkrete Verdachtsfälle werden isoliert.

Südkorea weist laut "Science" die zweithöchste Testquote nach dem Miniland Bahrain auf. Auf eine Million Einwohner kommen demnach 5200 Tests. 51 Millionen Menschen leben in Korea, also sprechen wir von über 265.000 Tests. Zum Vergleich: In Deutschland, wo 80 Millionen Menschen leben, wurden laut Robert-Koch-Institut an die 160.000 Tests in kassenärztlichen Laboren durchgeführt. Das wären gerade einmal 2000 pro einer Million Einwohner.

Tracking sinnvoll eingesetzt

Zugegeben, zum Erfolg von Südkorea im Kampf gegen das Virus gehört auch ein Eingriff in den Datenschutz. So lesen die Behörden Bewegungsdaten über Handys und andere Mobilgeräte aus und geben diese weiter. Bewohner bestimmter Bezirke erhalten Textnachrichten, in denen sie auf die Bewegungen von Infizierten in ihrer Nähe hingewiesen werden. Geschlecht, Alter und ein detailliertes Bewegungsprofil der Betroffenen werden öffentlich gemacht. Abgesehen davon sind die Daten jedoch anonym – und ihre Verwendung erspart es der Bevölkerung, weitreichende Einschnitte in ihr Privatleben hinnehmen zu müssen.

Auch Taiwan war mit diesem Tracking übrigens sehr erfolgreich. Nur 67 Infizierte zählte man am Freitag offiziell. Dabei befindet sich der Inselstaat nur wenige Kilometer vor dem chinesischen Festland. Nach dem chinesischen Neujahrsfest am 25. Januar setzte die Regierung ein Frühwarnsystem in Kraft. Dafür legte sie die nationale Gesundheitsdatenbank mit den Reisedatenbanken zusammen.

Die Bürger können alle ihre Reiseaktivitäten und gesundheitlichen Beschwerden dorthin übermitteln. Diese Daten werden dann benutzt, um die Bevölkerung in verschiedene Gefährdungsklassen einzuteilen. Einwohner mit hohem Risiko werden unter Quarantäne gestellt und über Mobiltelefon überwacht. Per Smartphone-Tracking kann festgestellt werden, ob sich der Betroffene an die Quarantäne-Regelungen hält. Wer es nicht tut, riskiert hohe Bußgelder.

Demokratie gewährleistet Kontrolle der Regierung

Völlig zu Recht gibt es an den Tracking-Methoden der beiden Staaten auch Kritik. In fast jedem anderen Zusammenhang wären sie sehr beängstigend. Die Maßnahmen dürfen natürlich nur in dieser besonderen Situation genutzt werden, und ausschließlich zur Bekämpfung des Virus. Nur: Sowohl Südkorea als auch Taiwan sind Demokratien. Und in diesen ist viel eher gewährleistet, dass es zu keinem Missbrauch der Daten kommt als in einer Diktatur wie China. Weil es eine Oppostion und eine Zivilgesellschaft gibt, die die Regierung bei ihrem Tun kontrollieren.

Ob der Erfolg der südkoreanischen Wissenschaftler und Behörden im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus sich fortsetzt, ist natürlich nicht sicher. Was ist das schon in diesen Tagen? Eins aber steht bereits fest: Die Demokratie ist kein Auslaufmodell. Es gibt sehr wohl Alternativen zum chinesischen Weg. Das Virus beweist keineswegs, dass Diktaturen effizienter mit Krisen umgehen, ganz im Gegenteil: Die Demokratie erweist sich auch in der Bekämpfung von Bedrohungslagen als schlagkräftig und flexibel. Und das ist, bei all den schlimmen Neuigkeiten derzeit, eine gute Nachricht.

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