Der große Knall ist ausgeblieben: Der katholische Hardliner Nathanael Liminski (CDU) ist nicht Bildungsminister von Nordrhein-Westfalen geworden. Vermutlich hatten hier die Grünen ihre Finger im Spiel.
Denn wie hätten sie es ihrer Wählerschaft erklären können, dass ein erzkatholischer Christdemokrat zuständig für die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler ist?
Ein Mann, der früher mit homofeindlichen Aussagen auffiel. ("Ich kenne viele Homosexuelle, und einige tun mir leid. Der Staat muss schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern.")
Ein Mann, der Schwangerschaftsabbrüche ablehnt. ("Finde ich ethisch nicht vertretbar, aber ich kann es noch verstehen, wenn es um Gesundheitsgefahren für die Mutter oder um eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung geht.")
Die Antwort ist einfach: Gar nicht.
Die Berufung Liminskis in das Amt des Bildungsministers hätte für die Grünen, als feministische und progressive Partei, in fünf Jahren ihre Abwahl bedeuten können. Denn ein katholischer Hardliner ist wohl nicht das, was sich die Grüne-Wählerschaft an der Spitze der Bildungseinrichtungen erhofft. Sexualkundeunterricht á la Bibel? Biologieunterricht, der sich der Zeit nicht anpasst?
Gut für den Koalitionsfrieden also, dass die neue Bildungsministerin Doro Feller heißt. Ebenfalls Christdemokratin. Noch besser für den Koalitionsfrieden: Die paritätische Besetzung des Kabinetts. Und zwar nicht durch eine Kompensation der Grünen. Beide Koalitionspartner haben ihre Posten paritätisch verteilt.
Aber selbst wenn der große Bildungsknall ausgeblieben ist: Auch Liminski hat einen der Posten inne. Der Katholik bleibt Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf. Diesen Posten hatte er bereits unter dem ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten und Ex-Kanzlerkandidat der CDU Armin Laschet inne. Unter dem neuen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst bekommt Liminski sogar ein Upgrade. Er ist jetzt Minister in der Staatskanzlei.
Sein Aufgabenschwerpunkt neben der Koordination der Kanzlei: Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Ministerium ist unter anderem für die Landesvertretung von NRW in Berlin zuständig. Das heißt, es bereitet im Auftrag der Landesregierung die Entscheidungsfindung für Abstimmungen im Bundesrat vor.
Ein christlicher Hardliner kümmert sich darum, dass die sechs Bundesratsmitglieder aus NRW wissen, worüber sie abstimmen – und wie sie abstimmen. Bedenklich.
Was wird im Bundesrat abgestimmt? Unter anderem Gesetze, die die Verfassung ändern. Also die Gesetze, die in unserem Grundgesetz stehen. Schutz der Ehe, Religionsfreiheit, Recht auf Selbstbestimmung zum Beispiel.
In seiner Sturm-und-Drang-Zeit, als 24-Jähriger, schrieb Liminski in einem Artikel, den er in der Internetzeitung "freiewelt.net" veröffentlichte, dass ein Zurück zum Glauben förderlich für die Gesellschaft sei. Er bezog sich in dem Beitrag auf den Vorstoß des damaligen Innenministers in Brandenburg, Jörg Schönbohm (CDU), der meinte, das Christentum in Ostdeutschland müsse wiederbelebt werden. Liminski nahm diese Äußerung zum Anlass, um aufzudröseln, warum gläubige Christen die besseren Menschen sind. Warum sie für die Zukunft der Gesellschaft sorgen könnten.
Nicht nur, dass Liminski hier Atheisten durch die Blume die Schuld an einer vermeintlichen Verrohung der Gesellschaft zuschiebt, auch die Plattform an sich ist problematisch. Herausgeber ist Sven von Storch. Ja, der Name ist bekannt. Seine reizende Gemahlin Beatrix ist Politikerin bei der AfD. Sie war es, die vorschlug der Sonne das scheinen zu verbieten, um der "angeblichen" Klimakrise entgegenzuwirken. Sie war es, die an den Außengrenzen auch auf Frauen und Kinder schießen lassen wollte.
Als Liminski 2009 bei der Internetzeitung veröffentliche, gab es die AfD noch nicht. Trotzdem dürfte auch damals schon klar gewesen sein, welches Geistes Kind Sven von Storch ist. Liminskis Vater, Jürgen Liminski, veröffentlichte auch nach Gründung der AfD noch auf der Plattform.
Erzkonservative, die kein Problem mit Rechtspopulisten haben? Nichts ungewöhliches. Erzkonservative, die wohl kein Problem mit Rechtspopulisten haben, ein Ministeramt innehaben und Leiter der Staatskanzlei sind? Ein potenzielles Problem.
Was passieren kann, wenn religiöse Hardliner mit Sympathien für Rechtspopulisten die Politik mitbestimmen, ist in Polen zu sehen. Für die LGBTQI+-Community ist das Leben dort nicht gerade ein Zuckerschlecken. Ebenso wenig für Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind. Letztere haben seit neustem ihr Recht auf Selbstbestimmung auch in Teilen der USA wieder verloren. Ein kleiner Schritt für konservative Männer, ein großer Schritt für die Frauenbewegung – und zwar ganz weit zurück!
Natürlich, nur weil Liminski jetzt Landesminister ist, ändert das nicht die gesamte Politik. Denn klar ist auch, dass mit der Ampel ein progressives Bündnis – zumindest in gesellschaftspolitischen Belangen – die Bundespolitik maßgeblich bestimmt.
Mittlerweile hat Liminski sich außerdem in Teilen von seiner Aussage über Homosexuelle distanziert. Aber eben nur in Teilen. Über seinen Glauben spricht er in der Öffentlichkeit nicht mehr. Wie fundamentalistisch und dogmatisch Liminski heute denkt, bleibt also offen.
Und natürlich gilt die Religionsfreiheit auch für Politikerinnen und Politiker. Das muss sie. Das ist richtig und wichtig.
Trotzdem bleibt die Frage: Ab wann ist religiös zu religiös?