Sie haben es durchgezogen: Annegret Kramp-Karrenbauer, Verteidigungsministerin und frühere Vorsitzende der CDU, und ihr Parteifreund, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: Sie haben Konsequenzen gezogen und ihre Stühle für Jüngere geräumt.
Diese Aktion verdient Respekt, hat es doch der Unions-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Armin Laschet bis heute nicht geschafft, das Wort Rücktritt in den Mund zu nehmen. Stattdessen stehe er bis zum bitteren Ende bereit. Behält die Hoffnung, Scherben der Ampel-Verhandlungen aufkehren zu können. Behält die Hoffnung auf die von vielen Seiten totgesagte Jamaika-Koalition. Demut vor einem Wahlergebnis klingt anders.
Allerdings kann auch bei dem Rückzug von Altmaier und Kramp-Karrenbauer nicht von Demut gesprochen werden. Dafür kommt die Einsicht zu spät.
Vielmehr schwingt nun ein Beigeschmack mit. Altmaier und Kramp-Karrenbauer wären zwar womöglich bereit gewesen, mit diesem Ergebnis in die Regierung zu gehen. Eventuell auch wieder Posten zu übernehmen – vielleicht als Familienminister oder Arbeitsministerin. Nun, da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Union die Opposition führen wird, ist der Abschied aus der Spitzenpolitik möglicherweise leichter.
Im Saarland wird außerdem im März 2022 ein neuer Landtag gewählt. Dass dieses Manöver nun schon Taktik hinsichtlich des nächsten Wahlkampfes ist, ist also nicht unwahrscheinlich.
Trotzdem ist das freiwillige Beiseitetreten eine Chance für die Zukunft der Union. Zumindest dann, wenn die beiden Saarländer ein Beispiel werden, an dem sich andere Parteifreunde orientieren. Schließlich sind nicht nur Kramp-Karrenbauer und Altmaier seit über 25 Jahren Teil der CDU-Spitze. Auch Kollegen wie Friedrich Merz, Thomas de Maizière oder Wolfgang Schäuble könnten ihre Stühle freigeben und dabei helfen, dass die Fraktion weiblicher, jünger und progressiver wird.
Eine Veränderung, die sich Wählende augenscheinlich wünschen: 1.990.000 Menschen hat die Union an die SPD verloren, 1.050.000 an die Grünen. Die beiden Parteien zeichnen sich durch ihren verhältnismäßig hohen Frauenanteil aus, Posten und Listenplätze werden bei den Grünen paritätisch vergeben. In der neuen Fraktion der SPD liegt der Frauenanteil bei 41,7 Prozent – und damit fast doppelt so hoch wie bei der Union (23,5 Prozent). Für die Union sind drei Abgeordnete unter 30 Jahren in den neuen Bundestag eingezogen, für die Grünen sind es 22.
Dass bei der Union so wenige junge Abgeordnete eingezogen sind, liegt auch an dem schlechten Ergebnis bei der Wahl. So fasste es auch Altmaier zusammen und erklärte, es müsse alles getan werden, um diese Generation zurückzugewinnen. Eine erster und konsequenter Schritt wäre schon vor der Wahl nötig gewesen: Die Spitzenpositionen auf den Listenplätzen nicht vornehmlich mit älteren Herren besetzen.
Junge, progressive Polit-Neulinge hatten kaum eine Chance, an den Erfahrenen vorbeizuziehen. Schon gar nicht in Bundesländern mit kurzen Listen und wenigen Wahlkreisen. Ein Beispiel ist Wiebke Winter. Die junge Bremerin, die mit ihren 25 Jahren schon einiges erreicht hat. Sie ist seit Beginn des Jahres Mitglied im Bundesvorstand, Mitgründerin der Klimaunion und hat dem Bremer CDU-Urgestein Elisabeth Motschmann den Listenplatz zur Bundestagswahl abgeluchst. Gereicht hat es am Ende nicht. Die junge Frau hat weder ihren Wahlkreis geholt, noch hat ihr Listenplatz drei für den Einzug gereicht.
Auch die Plätze von Nadine Schön (38 Jahre) und Markus Uhl (41 Jahre) auf der Liste der Saarländer CDU haben nicht für einen Einzug ins Parlament gereicht. Durch den Verzicht haben die Beiden nun trotzdem das Glück, erneut Teil des Bundestages zu sein. In der vergangenen Legislaturperiode hatten sie jeweils ein Direktmandat geholt. Bei dieser Wahl haben sie ihre Wahlkreise aber an die Konkurrenten von der SPD verloren.
Blutjung sind Schön und Uhl also nicht mehr, auch wenn ihr Alter weit unterhalb des Durchschnitts (47,5 Jahre) im neuen deutschen Parlament liegt. Trotzdem passen sie thematisch in das Bild einer Neuaufstellung. Eines ihrer Schwerpunktthemen: Digitalisierung. Das Thema, das vor allem mit der FDP in Verbindung gebracht wird. Also jener Partei, die mit die meisten Stimmen der U-30-Wählenden eingefangen hat.
Für eine neue Union reicht es aber nicht aus, wenn die älteren Parteimitglieder und das Spitzenpersonal ihre Hüte aus dem Ring nehmen und Platz machen für neue. Eine Neuaufstellung muss auch eine Durchmischung mit sich bringen – ein Frauenanteil von 23 Prozent sollte nicht das Ziel einer Volkspartei sein.
Auf einem Sonderparteitag will die CDU ihren kompletten Bundesvorstand neu wählen. Die Frauen wollen dabei ein Wort mitreden: Die Vorsitzende der Frauenunion Annette Widmann-Mauz erklärte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", dass die Frauenunion eine eigene Konferenz zur Beratung der Neuaufstellung einberufen habe.
Zwar kann man der Partei schwerlich vorwerfen, Frauen zu verstecken: Angela Merkel ist noch immer Kanzlerin, Ursula von der Leyen ist Präsidentin der EU-Kommission. Von neun Ministerien, die die Union in der vergangenen Legislaturperiode geleitet hat, sind immerhin drei mit Frauen besetzt. Trotzdem ist die Partei noch weit entfernt von Parität.
Mitspracherecht ist auch, was sich eine Gruppe junger CDUler um Tilman Kuban, Sprecher der Jugendorganisation der Union, wünscht. In einem Gastbeitrag in der "Welt" schreiben sie von einer in Teilen eingeschlafenen und demoralisierten CDU. Gegen die Schere im Kopf der Abgeordneten helfe aus Ansicht der Jungen eine frische Programmatik, gepaart mit frischem Personal.
Auch sonst täte die CDU gut daran, sich bei der Wahl auf das Votum ihrer Basis zu verlassen, statt in Hinterzimmerklüngeleien Positionen zu verteilen. Dann wäre zumindest dafür gesorgt, dass die Parteilinie gemeinsam getragen wird, statt sich weiterhin in Machtkämpfen und Mobbing zu verlieren.
Das Drama zwischen CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet während des Wahlkampfes ist nur ein Beispiel für den desaströsen Zustand der Union. Ein weiteres ist Laschets Vorgängerin Kramp-Karrenbauer, die im Dezember 2018 die Kampfabstimmung gegen Friedrich Merz um den Parteivorsitz gewann. Sie musste ihren Sessel räumen. Und zwar, nachdem ein abtrünniger Landesverband mit der Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten Thüringen ihre Autorität untergraben hatte. Jetzt wäre es an der Zeit, interne Machtkämpfe hinter sich zu lassen und Spitzenpersonal zu finden, mit dem die gesamte Partei zufrieden ist – zum Beispiel durch eine demokratische Abstimmung.
Wenn die CDU in der Nach-Merkel-Ära weiterhin eine Rolle spielen will, muss sie es jetzt schaffen, ihre Fraktion und die Parteiführung durch eine Neuaufstellung zu entstauben. Sie muss jüngeren Menschen mehr Raum bieten und Frauen nicht nur auf die Bühne, sondern auch in die hinteren Fraktionsreihen stellen. Das aktuelle Wahldesaster müsste dafür aber als Weckruf verstanden werden. Mit nur zwei Abgeordneten, die den Weg für jüngere Menschen frei machen, ist es bei weitem noch nicht getan.