Kann man Oliver Welke mit Adolf Hitler und seinem Propagandaminister Joseph Goebbels vergleichen? Zwei Personen aus der ungarischen Regierung finden: Ja, man kann. Der eine von ihnen ist Zoltan Kovács, Staatssekretär und Sprecher des autoritären Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Er warf der von Welke moderierten "heute-show" kürzlich in einer Stellungnahme vor, sie verbreite "arrogant und böswillig eine herablassende Karikatur des ungarischen Premierministers". Kovács ergänzte: "Ich erinnere mich an eine andere Zeit, in der sich Deutsche als überlegen betrachteten und auf den Rest von uns herabschauten. Es hat nicht so gut funktioniert."
Der zweite ungarische Regierungsvertreter, den die "heute-show" zum Nazi-Vergleich motivierte, ist Staatssekretär Tamas Menczer. Ein "Propagandavideo" habe Welkes Sendung ausgestrahlt, sagte er und fügte hinzu: "Die Deutschen waren in der Propaganda schon immer stark.“
Was war passiert?
Die "heute-show" hatte Ende November einen Beitrag darüber gesendet, dass die ungarische und die polnische Regierung damals den EU-Haushalt und den Corona-Rettungsfonds blockierten – weil sie nicht wollten, dass Staaten Geld gekürzt wird, die rechtsstaatliche Prinzipen wie Pressefreiheit und Gewaltenteilung missachten.
In der Anmoderation nannte Welke Ungarns Premier Orbán einen "Gulasch mit Ohren". Was der tue, sei "zum Kotzen". Im Beitrag selbst sprach dann Komikerin Kebekus darüber, dass man die EU doch einfach auflösen könne – um sie dann unter dem Kürzel "EUODBUUP" neu zu gründen: die "Europäische Union ohne die bekloppten Ungarn und Polen".
Es ist kein Problem, dass die Regierung eines Premierministers, der Richter zum Feindbild macht, Migranten aus muslimisch geprägten Ländern dämonisiert, die Pressefreiheit zusammenstutzt und antisemitische Propaganda verbreitet, sich von der "heute-show" provoziert fühlt.
Im Gegenteil: Üblicherweise ist es für eine Satire-Sendung eine Auszeichnung, wenn sie autoritär denkende Regierende zur Weißglut treibt.
Trotzdem war Kebekus' Ungarn-Sketch problematisch. Denn er steht für eines von zwei Problemen, die die "heute show" seit Jahren hat – und die Oliver Welke und sein Team dringend abstellen sollten.
"Gulasch mit Ohren" und "bekloppte Ungarn und Polen": Das sind zwei Ausdrücke, die Welke und Kebekus in ihrem Ungarn-Beitrag verwendet haben. Und es mag ja sein, dass die Autoren der "heute-show" mit beiden auf die rechtsnationalen Regierungen in Budapest und Warschau zielen. Sie treffen aber alle Ungarn und Polen – und alle Menschen mit ungarischen und polnischen Wurzeln.
"Gulasch mit Ohren", damit wird der Mensch Viktor Orbán mit einem Nationalgericht gleichgesetzt – und damit mit einem Stereotyp über das Land, aus dem er kommt.
Es ist ein Muster, das eine unappetitliche Tradition hat: Menschen mit französischen Wurzeln als "Froschschenkelfresser", Italiener als "Spaghetti": Ein weißer Deutscher, der Hans Müller heißt, findet solche Bezeichnungen vielleicht witzig. Jemand, der regelmäßig unter Rassismus leidet, kann darüber eher selten lachen.
Solche abwertenden Klischees verwendet die "heute-show" immer wieder: Geht es um China, dann heißt es "Weltmacht süß-sauer", Staatschef Xi Jinping ist "Presid-Ente Süß-Sauer", haha. Italien wurde in einer Grafik einem Sketch vor der Parlamentswahl 2013 schon einmal als "Dritte Welt" bezeichnet.
Das ist billig, beleidigend und populistisch.
Und "die bekloppten Ungarn und Polen"? Warum nimmt Kebekus in ihrem Stück buchstäblich alle Staatsbürger ins Visier – und damit auch die Frauen, die seit Wochen auf den Straßen polnischer Städte für das Recht auf Abtreibung gehen und die ungarischen Aktivisten, die sich für Menschenrechte einsetzen und dafür tausendmal mehr Mut brauchen als Gleichgesinnte in Stuttgart oder Gütersloh?
Kurz gesagt: Geht es um Probleme in anderen Ländern, dann zielt die "heute-show" nach oben, trifft aber unten. Sie zielt auf die Regierungen und Mächtigen im Staat – so, wie politische Satire das eben tut. Aber wenn sie als Waffe beleidigende Länderklischees verwendet, dann trifft sie jeden Bürger – auch diejenigen, die sich auflehnen gegen die Missstände.
Katharina von Kleinen-von Königslow sieht diese Art von Humor kritisch. Die Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg hat schon 2012 den Stil der "heute-show" in einem Aufsatz untersucht – und verfolgt die Entwicklung der Sendung weiterhin. "Das Problem ist, dass die 'heute-show' eher den einfacheren Humor bedient", sagt Kleinen-von Königslow. Mit Blick auf die verwendeten Länder-Klischees sagt sie:
Wie es anders geht, zeigt ein Mann, dessen Show seit Jahren als globales Vorbild für moderne politische Satire gilt: John Oliver. Oliver – in Großbritannien geboren, in den USA zum internationalen Entertainment-Star geworden und seit Jahren mit Emmys überhäuft – schafft es etwa, ein über 20-minütiges Video über das chinesische Regime um Xi Jinping aufzunehmen, darin dessen Menschenrechtsverletzungen so scharf wie absurd humorvoll zu kritisieren – ohne ein einziges rassistisch konnotiertes Klischee. Im Gegenteil: Oliver bringt in seinem Beitrag eine Hommage an Liu Xiaobo unter, den 2017 in Hausarrest verstorbenen Schriftsteller, der sich für Demokratie und gegen den Totalitarismus der kommunistischen Partei eingesetzt hatte.
Ein gehöriges Verdienst hat die "heute-show" trotz dieses Kritikpunkts: Sie macht regelmäßig auf wichtige politische und gesellschaftliche Probleme aufmerksam – auf leicht verständliche Weise. Damit sorgt sie dafür, dass manche Themen auch etliche Menschen erreichen, die nicht täglich Deutschlandfunk hören oder Woche für Woche den Politikteil der "Zeit" durchlesen.
Ein gutes Beispiel dafür ist ein Beitrag von Ende November: Er dreht sich darum, dass es an deutschen Gerichten zu wenige Staatsanwälte und Richter gibt. Das kann im Extremfall dazu beitragen, dass manche Straftaten nicht konsequent verfolgt werden können: der gigantische mutmaßliche Steuerbetrug im Cum-Ex-Skandal etwa, bei dem manche Straftaten wegen Personalmangels zu verjähren drohen.
Dass die "heute-show" so etwas schafft, liegt auch an ihrem eher einfach gestrickten Humor. Forscherin Kleinen-von Königslow drückt es so aus:
Und das Publikum der "heute-show" komme eben aus der Mitte der Gesellschaft und sei eher älter.
Mit ihrem Stil schafft es die Show also, wichtige, aber auf den ersten Blick eher sperrige Themen an ein breites Publikum zu bringen. Manchmal aber driftet der einfach-witzelnde Stil ab – womit wir beim zweiten Problem wären, das die "heute-show" lösen sollte: dem Hang zum Elitenbashing.
Der Unterschied zwischen Elitenkritik und Elitenbashing ist, grob gesagt: Kritik schafft es, Unterschiede zu machen. Etwa zwischen einem Politiker, einer Fraktion oder einer Partei, die etwas Problematisches tut oder lässt – und zwischen jemandem anderen, der es besser macht. Bashing holt aus zum Rundumschlag gegen "die da oben", gegen eine gesamte Gruppe. Zum Beispiel gegen "die Bundestagsabgeordneten".
Das Schlamassel um eine Wahlrechtsreform in Deutschland ist kritikwürdig, ohne Frage: Dass es seit einem guten Jahrzehnt nicht klappt, zu verhindern, dass der Bundestag immer größer wird, ist zum Haareraufen ärgerlich. Aber wenn Komiker Gernot Hassknecht in der "heute-show" über diese – in seinen Worten – "Reform-Missgeburt"sagt, dass jetzt nur die "elende CSU" profitieren würde und davon spricht, man würde sich "mehr Politikverdrossenheit" basteln, dann hilft das nicht weiter bei einer ernsthaften Debatte.
Vor allem, wenn Hassknecht dann noch erzählt, ansonsten sei die Reform ja "viel zu kompliziert", das könne man ja "einfach mal googeln". Komplizierte Dinge humorvoll zu erklären, das wäre genau die Aufgabe guter politischer Satire.
Durch Hassknechts Elitenbashing bleibt nach dem Beitrag bei den meisten Zuschauern der Eindruck kleben, "die da oben" im Bundestag würden sich eben nur viele Pöstchen gönnen. Eine Analyse, die man ziemlich genau so auch in drittklassigen Facebook-Kommentaren lesen kann.
So einfach ist es aber nicht: ein parlamentarisches System so umzubauen, dass es erstens eine diverse Gesellschaft gut repräsentiert und zweitens das Parlament nicht zu groß wird, ist eben ziemlich kompliziert.
Und einen Vorschlag zu einer tief greifenden Reform hat es ja gegeben, aus der Mitte des Bundestags: Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken (die sich sonst bei sehr wenigen Themen einig sind) hatten ihn erarbeitet. Die Regierungsmehrheit aus Union und SPD schmetterte den Vorschlag ab. Es waren nicht "die Abgeordneten". Das hätte Hassknecht in der "heute-show" auch erzählen können. Aber Kritik ist eben aufwändiger als Bashing.
Mit Blick auf die Wirkung solcher Sketches sagt die Forscherin:
Das ZDF hat die Fragen von watson zu den Kritikpunkten am Humor der "heute-show" nicht direkt beantwortet.
Auf eine entsprechende E-Mail antwortete ein Sprecher des Senders nur mit diesem Statement: