Markus Söder ist laut Umfragen aktuell der populärste Kandidat der Union für das Amt des Regierungschefs – das bedeutet aber nicht, dass er es auch wird.Bild: Getty Images Europe / Maja Hitij
Meinung
Fünf Gründe, warum Markus Söder nicht Kanzlerkandidat der Union wird
Zwischen Ostern und Pfingsten will die Union ihren Kanzlerkandidaten küren. Auch wenn gerade vieles für Markus Söder spricht, gibt es gute Gründe dafür, dass weder er noch die CSU einen Kanzler Söder will.
Er gab keine gute Figur ab. Als wären die schlechten Umfragewerte der Unionsparteien in den vergangenen Wochen, der Maskenskandal und die Schlappen bei den Landtagswahlen nicht schon genug, legte CDU-Chef Armin Laschet in der Sendung von Markus Lanz am vergangenen Dienstag einen eher kontraproduktiven Auftritt hin. Der Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Laschets Öffnungsstrategie in NRW, die Moderator Lanz dem CDU-Vorsitzenden vorhielt, konnte dieser wenig entgegensetzen.
Auf sozialen Netzwerken ergoss sich daraufhin Häme über den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. Kein guter Einstand für Laschet, den möglichen Kanzlerkandidaten der Union. Und das auch noch zur ungünstigsten Zeit, denn zwischen Ostern und Pfingsten will die Union ihren Kanzlerkandidaten küren.
Auch innerhalb der eigenen Partei schwindet die Unterstützung für Laschet. Immer mehr CDU-Bundestagsabgeordnete sprechen sich inzwischen offen für Laschets Konkurrenten Markus Söder als Spitzenkandidaten der Union aus – und rufen nach dem bayerischen Ministerpräsidenten, wie der "Spiegel" jüngst berichtete. Der sonnt sich derweil in seiner Beliebtheit und möchte sich nach wie vor nicht festlegen, ob er nun Kanzlerkandidat werden will oder nicht.
Und tatsächlich: Obwohl die guten Umfragewerte eindeutig für den bayerischen Ministerpräsidenten sprechen, gibt es gute Gründe gegen eine Kanzlerkandidatur. Genauer gesagt: Es gibt gute Gründe, warum weder Söder noch die CSU ein Interesse daran haben, dass der bayerische Ministerpräsident kandidiert. Watson hat die wichtigsten zusammengetragen.
Weniger Bayern-Politik im Bund
Auf Bundesebene war die CSU in der Vergangenheit darauf bedacht, ihre Politiker in Ministerien zu hieven, in denen sie bayerische Interessen durchsetzen konnte.Zuletzt wunderbar zu beobachten gewesen bei Andreas Scheuer und dessen Vorgängern Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer im Verkehrsministerium. Das jahrelange Drama um die PKW-Maut hatte letzten Endes vor allem ein Ziel: Revanche für die Vignetten-Pflicht in Österreich, unter der vor allem bayerische Ski-Fahrer, Berufspendler und Tagesurlauber zu leiden hatten.
Für die allermeisten Bundesbürger ein sinnloses Unterfangen, für das sie nun sehr wahrscheinlich mit vielen hundert Millionen Euro Steuergeldern bezahlen müssen. Trotzdem konnte sich Verkehrsminister Andreas Scheuer mit seiner Idee auf Bundesebene durchsetzen, auch wenn die EU letzten Endes das Vorhaben einkassierte. Das Beispiel zeigt: Ein großer Teil der Stärke der CSU in Bayern rührt daher, dass sie so offensiv und bisweilen rücksichtslos bayerische Interessen im Bund vertritt.
Sollte die CSU nun den Kanzler stellen, ist es vorbei mit Klientel-Politik für Bayern à la PKW-Maut. Dann wird die CSU ziemlich sicher auf ein Ministerium verzichten müssen. Nach Andreas Scheuers Performance in dieser Legislaturperiode ist es gut möglich, dass es das Verkehrsministerium ist. Und ein Kanzler Söder kann aus politischen Gründen nicht einfach sein Heimatbundesland bevorzugen. Ein CSU-Kanzler bedeutet also weniger Einfluss für Bayern im Bund. Das kann weder die CSU noch Markus Söder wollen.
Die CSU kann nicht mehr Opposition spielen
Seit 2005, seit also Angela Merkel die Bundesregierung anführt, gehörte dazu, dass die härteste Opposition gegen ihre Politik in den eigenen Reihen zu finden war – genauer gesagt in München. Die CSU stänkerte immer wieder gerne gegen die "Preußen" in Berlin, auch wenn sie selbst Teil der Bundesregierung war.
Besonders heftig wurde dieser Gegensatz im Konflikt zwischen dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Angela Merkel hinsichtlich ihrer Flüchtlingspolitik. Zwar regierte die CSU im Bund mit, aber aus der bayerischen Staatskanzlei heraus machte Seehofer der Kanzlerin das Leben schwer – während vor Ort in Bayern Staatsregierung, Bürgermeister und Landräte schnell und unbürokratisch die Aufnahme von Geflüchteten regelten.
Diese Doppelrolle, an der Regierung beteiligt zu sein und gleichzeitig Opposition zu spielen, ist nicht mehr möglich, wenn die CSU den Kanzler stellt. Dann kann sich Markus Söder oder sein Nachfolger im Ministerpräsidentenamt nicht mehr hinstellen und über unsinnige Beschlüsse aus Berlin schimpfen. Dann muss die CSU die Verantwortung für die Bundespolitik in vollem Umfang tragen. Ob sie das will?
Der Inbegriff des Konflikts zwischen Berlin und München: Der frühere bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (r.).Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
"CDU-Parteivorsitz und Kanzleramt gehören zusammen"
"Es ist so, dass ich der Meinung bin, dass man Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende gemeinsam sein sollte. Das gehört zusammen für mich": Das ist der exakte Wortlaut des Satzes, der anschließend oft zitiert wurde. Gesagt wurde er von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber RTL im Herbst 2016, als die Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik schwer unter Beschuss geraten war.
Die Zukunft sollte zeigen, dass die Kanzlerin damit recht hatte: Zwar musste Angela Merkel unter dem hohen Druck der eigenen Partei ihr Amt an der Spitze abgeben, aber ihren Platz konnte keiner ihrer Nachfolger so recht einnehmen. 2018 wurde zunächst Annegret Kramp-Karrenbauer CDU-Parteivorsitzende und räumte nach einigen Pannen und schlechten Umfragewerten der Union den Platz nach gut zwei Jahren schon wieder.
Und auch der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet wirkt nicht besonders glücklich in seiner Doppelrolle als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Parteichef. Dass die Kanzlerin ihn öffentlich in Interviews zurechtstutzt, wie gerade geschehen bei "Anne Will", kann ihm überhaupt nicht gefallen. Es stellt seine Autorität an der Spitze der Partei infrage. Solche Situationen sind aber auch in der Zukunft zu befürchten, wenn Markus Söder Kanzler wäre.
Der Konflikt wäre wohl umso heftiger, da sich beide in unterschiedlichen Parteien befinden und noch dazu für zwei oft rivalisierende Bundesländer – Bayern und Nordrhein-Westfalen – stehen. Mit Streit innerhalb der Partei hat die Union keine guten Erfahrungen gemacht. Solcher Streit wäre mit einem Kanzler Söder und einem CDU-Parteichef Laschet wohl unvermeidbar.
Außerdem ist die Frage, ob Laschet Söder so einfach den Vortritt lassen wird. So gibt Ex-Kanzlerberater Werner Weidenfeld gegenüber watson zu bedenken: "Wenn der CDU-Vorsitzende sagt, er kandidiert, dann hat er auch ein Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Der Vorsitzende der größeren Partei muss ja nicht vor der kleineren CSU auf die Knie gehen."
In Bayern geliebt, in Berlin geschmäht
Die Umfragewerte sind gleichbleibend gut für Markus Söder – als Ministerpräsident von Bayern. Wie es aussehen würde, wenn er Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl wäre oder gar Kanzler, ist eine ganz andere Geschichte. Natürlich liebäugeln viele Bundesbürger in den anderen Bundesländern mit der strengen Linie und der klaren Haltung, die Markus Söder während der Coronakrise verkörpert.
Ob die Wähler im Bund aber auch abseits einer pandemischen Krisen-Situation einen Kanzler wollen würden, der eine solch strenge Linie fährt, ist eine andere Frage. Söders eher ruppiger Charme mag im sicherheitsorientierten und eher konservativen Bayern gut ankommen. Ob die Wähler in Berlin, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen mit seiner Art auf Dauer klarkommen würden, kann man bezweifeln.
Manch einer wird sich bereits vor der nächsten Bundestagswahl die Frage stellen, ob er wirklich von Markus Söder regiert werden will. Und das umso mehr dann, wenn er sein Kreuz in der Wahlkabine macht: Sollte die Pandemie nämlich im Herbst einigermaßen im Griff sein, wonach es aussieht, dann könnten liberalere Kanzlerkandidaten wie Annalena Baerbock oder Robert Habeck von den Grünen oder der SPD-Finanzminister Olaf Scholz die sympathischere Wahl sein als der grantige und leicht autoritär wirkende Franke Markus Söder.
Ein CSU-Kandidat wurde noch nie Kanzler
Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber: CSU-Ikonen, die innerhalb der Partei Legenden-Status innehaben. Und noch etwas haben sie gemeinsam: Sie sind beide gescheiterte Kanzlerkandidaten der Union, wenn auch im Fall von Edmund Stoiber nur ganz knapp. Das letzte Argument gegen eine Kanzlerkandidatur von Markus Söder ist denkbar einfach und doch ebenso wichtig: Es gab noch nie einen CSU-Kanzler – aber dafür zwei gescheiterte Kandidaturen.
Die Geschichte lehrt: Egal, wie beliebt die CSU-Politiker in Bayern sind, auf Bundesebene haben sie noch nie eine Wahl gewinnen können. Was in München en vogue ist, funktioniert eben nicht zwangsläufig in Bonn oder Berlin. Auch deshalb wird es sich Markus Söder zweimal überlegen, ob er kandidieren möchte.
Selenskyj sendet Warnung an China wegen Nordkorea-Soldaten
Derzeit blickt die Welt vor allem in die USA, wo sich am 5. November entscheidet, wer das einflussreichste Amt der Welt übernehmen wird. Der US-Wahlkampf zwischen Donald Trump und Kamala Harris beherrschen die Schlagzeilen. Währenddessen geht der Krieg in der Ukraine weiter – beinahe unauffällig.