Wahlplakate der Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty (SPD) und Hendrik Wüst (CDU).Bild: dpa / Oliver Berg
Meinung
28.04.2022, 10:1528.04.2022, 17:11
In einem Wahlkampf müssen aktuelle politische Themen behandelt werden. Es muss kritisiert werden. Es müssen Spitzen verteilt werden, das gehört dazu. Aber die Shitshow, die die CDU in Nordrhein-Westfalen (NRW) gerade abzieht, ist völlig daneben.
In den Umfragen liefern sich die CDU und die SPD dort gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wahltag ist der 15. Mai. Die Chancen, dass die CDU erneut die Landesregierung anführen wird, schmälern sich. Die Christdemokraten wollen das nicht auf sich sitzen lassen – völlig klar. Sie greifen ihre stärkste Konkurrenz, die Sozialdemokraten, an, wo es nur geht.
Statt sich aber auf die ehrliche Kritik zu fokussieren – zum Beispiel darauf, dass das Büro einer SPD-Politikerin möglicherweise versucht hat, die Tochter einer CDU-Landesministerin auszuspähen – möchte die CDU ihre Konkurrenz lieber als "Kreml-Fans" outen.
SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty und Kanzler Olaf Scholz. Bild: dpa / Bernd Thissen
Ist ja auch sonnenklar, könnte man meinen. Schließlich sehen sich einige Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen mit einer solchen Kritik konfrontiert. Die in NRW kandidierenden Genossinnen und Genossen sind bisher allerdings noch nicht mit einer starken Putin Nähe aufgefallen.
Im Gegenteil: Der Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hat den ehemaligen Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, zurückgepfiffen. Geisel hatte gerade erst in einem Blogeintrag bezweifelt, dass die Ukraine im Zusammenhang mit Opferzahlen und Zerstörung die Wahrheit sagt. Kandidieren wird Geisel ohnehin nicht.
Statt um Inhalte geht es in diesem Wahlkampf vor allem um die anderen. Nicht darum, was die eigene Partei für das Bundesland tun könnte.
Und das zu einer Zeit, in der in NRW das Dorf Lützerath enteignen wird, um dort Kohle abzubauen.
Kohle.
Im Jahr 2022.
Um hier den Fehler zu erkennen, muss man kein Öko-Fanatiker sein.
Braunkohleabbau im nordrhein-westfälischen Lützerath.Bild: Hufnagel PR / Ulrich Hufnagel / Ulrich Hufnagel
Es sollte um Inhalte gehen
Aber nicht nur Klimaschutz müsste heute ein Thema im Wahlkampf sein. Sondern auch Bildung, die soziale Frage, Migration. Es gibt so viele, wichtigere Themen. Und ja, auch der Krieg ist ein Thema, mit dem sich die Parteien im Wahlkampf auseinandersetzen müssen:
- Wohin mit den Menschen, die in NRW ankommen?
- Wie kann die Situation an den Schulen verbessert werden?
- Wie steht es um Deutschkurse und psychologische Betreuung?
In einer Zeit, in der alles den Bach heruntergeht, verliert sich die politische Elite in Zickereien. Im Ellenbogenkampf und verletztem Stolz.
"Ob am Ende ein Soze oder ein Konservativer an der Macht ist, ist völlig irrelevant, solange die Probleme im Land von keinem erkannt und angegangen werden."
Was zählt: dem anderen möglichst eins mitzugeben.
Was nicht zählt: eine Politik schaffen, die den Problemen und Herausforderungen der aktuellen Zeit gewachsen ist.
Was hilft: offene Diskussionen, über Perspektiven und Lösungsvorschläge.
Was nicht hilft: Einander anprangern.
So wie es zum Beispiel der Vorsitzende der CDU NRW, Bodo Löttgen, beim SPD-Kandidaten Kutschaty versucht hat. Per Brief und Fragebogen wollte er diesen in Bedrängnis bringen. Darüber berichtete der "Spiegel". Die Fragen, die Löttgen Kutschaty darin stellt, sind unter aller Sau: Ob der NRW-Landesverband der SPD Spenden von Gazprom erhalten hätte oder ob sich Kutschaty schon mit Sputnik V – einem russischen Impfstoff gegen schweren Covid-Verläufe – habe impfen lassen.
Ein Thema, auf das sich auch der ehemalige Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, stürzt.
Ja, Kutschaty hat sich im Frühjahr 2021 dafür ausgesprochen, auf Sputnik V zu setzen, um die Impfkampagne zu beschleunigen. Er war mit dieser Idee nicht alleine: Vorreiter war der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der Schwesterpartei der CDU. Der hatte damals angekündigt, Millionen von Sputnik-Dosen zu bestellen.
Ziemiak und auch Löttgen nutzen diese Forderung nun, um eine Russlandnähe herzustellen, die es in der SPD NRW nicht gibt.
Es bleibt die Hoffnung auf eine neue politische Kultur
Gerade eine Partei, in der Mitglieder die Coronapandemie genutzt haben, um sich selbst zu bereichern, muss es in dieser neuen Krise schaffen, sich endlich um die Menschen zu kümmern. Um die Bürgerinnen und Bürger des Bundeslandes, die sie als Teil der Regierung vertreten möchten.
Aber nicht nur die CDU muss endlich die Backen zusammenkneifen und auf den eigenen Teller gucken: Auch das Schielen der SPD nach Mallorca ist unangenehm. Ja, die Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) und einige Mitglieder des Kabinetts sind in Zeiten von Flut und Zerstörung nach Mallorca geflogen. So weit, so schlecht. Aber: Heinen-Esser hat Konsequenzen gezogen. Natürlich muss der Vorfall ordentlich aufgeklärt werden, genau deshalb gibt es aber bereits den Untersuchungsausschuss im Landtag.
EX-Landesumweltministerin (NRW) Ursula Heinen-Esser (CDU).Bild: dpa / Marius Becker
Es ist nachvollziehbar, dass die SPD in Zeiten des Wahlkampfes darauf wieder und wieder aufmerksam macht. Trotzdem haben die Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen andere Probleme. Und die gilt es zu lösen.
Ob am Ende ein Soze oder ein Konservativer an der Macht ist, ist völlig irrelevant, solange die Probleme im Land von keinem erkannt und angegangen werden. Die Hoffnung aller Generationen kann nur sein, dass der Politikstil Zickerei, in dem sich SPD und CDU gerade verlieren, möglichst schnell zur Vergangenheit wird.
Das gilt auf Landes- wie auf Bundesebene: Wir brauchen eine neue politische Kultur. Wir brauchen Diskurs und Debatte, mit dem Ziel, die bestmögliche Lösung zu finden. Offenheit, auf andere Parteien einzugehen. Eine Abkehr von Sticheleien und Parteigehabe, wenn es gerade um wirklich wichtige Themen geht. Denn eins haben wir nicht. Und das ist Zeit.
Vor allem für junge Menschen ist es wichtig, dass die Entscheidenden ihre Probleme anerkennen und wahrnehmen würden. Schließlich müssen sie noch sehr viel länger auf dieser missglückten Welt leben. Unabhängig davon, ob Heinen-Esser am Ballermann war oder Kutschaty Sputnik V in seinem Körper trägt.
Nach bald drei Jahren hat die Ukraine kaum noch Optionen, um den Krieg gegen Aggressor Russland militärisch zu gewinnen. Besiegt ist das geschundene Land deswegen aber nicht.
Am Dienstag ist es 1000 Tage her, seit der russische Autokrat Wladimir Putin den Befehl zur Invasion der Ukraine gab. Nun beginnt der dritte Kriegswinter. Er droht in der Ukraine "besonders kalt und dunkel zu werden", so der österreichische "Standard". Denn russische Luftschläge haben die Energieversorgung hart getroffen, zuletzt am Wochenende.