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Plasberg: "Hart aber fair" diskutiert Judenhass – ARD versagt und bezieht Stellung

Moderator Plasberg am Montagabend bei "Hart aber Fair".
Moderator Plasberg am Montagabend bei "Hart aber Fair".ard-screenshot
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Plasberg will Antisemitismus in "Hart aber Fair" diskutieren – ARD-Team versagt doppelt

15.10.2019, 17:5915.10.2019, 20:50
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Wie steht es um den Antisemitismus in Deutschland – ist der Hass gegen Juden gewachsen? Was macht die Gesellschaft dagegen? Fragen, die Moderator Frank Plasberg seinen Gästen nach dem Attentat von Halle am Montagabend in der Sendung "Hart aber Fair" stellte.

  • Plasberg hatte in seine Sendung unter anderem den SPD-Sicherheitspolitiker und niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius und den jüdischen Gastronomen Uwe Dziuballa eingeladen.
  • Doch für Aufregung sorgten in der Sendung vor allem die Beiträge einiger Zuschauer, die in der Talksendung thematisiert wurde.

Dziuballa erklärte in der Sendung, dass er sich mit dem alltäglichen Judenhass arrangiert habe. Und für ihn sei auch klar: "Die Verrohung der Worte hat zugenommen." Nach einer Reihe von rechtsextremen Anfeindungen hat Dziuballa den Glauben an Sicherheit durch die Polizei aufgegeben: "Ich hab nicht mehr an die Gewaltenteilung geglaubt."

Dziuballa dürfte an diesem Abend auch an der "Hart aber Fair"-Redaktion gezweifelt haben. Denn gegen Ende der Sendung verlas die "Zuschaueranwältin" Brigitte Büscher die Reaktionen der Zuschauer auf den Talkabend – das passiert in der ARD-Sendung jede Woche.

Zuschauer-Reaktionen sorgen für Streit im Netz

Diesmal sorgte eine von Büscher zitierte Äußerung für Aufregung in Sendung – und bei den Zuschauern im Netz. In der ARD zitierte Büscher zunächst die Meinung des Nutzers Frank Duzella, der der Redaktion schrieb: "Wir haben nicht mehr 1939 und unsere Generation hat nix damit zu tun. Wir haben 2019 und genug neue Probleme auf der Welt und in Deutschland."

"Nicht mehr 1939", "nix damit zu tun"– eine eigene Einordnung dieser Relativierung der NS-Zeit gelang der ARD-Redakteurin nicht.

Stattdessen zitierte sie lediglich eine andere Nutzerin, die Duzella widersprach. Wenig später nahm Büscher die Äußerung einer weiteren Nutzerin auf den Schirm – zum Entsetzen eines Studiogastes und vieler TV-Zuschauer.

Die Nutzerin Gisela Holl schrieb der Redaktion nämlich: "Vielleicht sollte man das Judenthema etwas zurücknehmen, denn genau das schürt Hass. Wir wissen um unsere Vergangenheit, die Kinder bekommen es in der Schule auch eingetrichtert und gut ist's."

"Judenthema", "eingetrichtert", "gut ist's" – auch hier widersprach niemand, weder Plasberg noch Büscher fanden Worte, diese Verharmlosung des Antisemitismus zu benennen.

Ganz so, als sei der Gedanke, dass deutsche Schulkinder die Geschichte des Holocausts nur lernen müssten, weil sie dazu gezwungen werden, völlig in Ordnung. "Gut ist's" – ganz so, als sei das "Judenthema", das "eingetrichtert" werde, schon nicht so wichtig.

Ein redaktionelles Versagen. Das sich später im Umgang mit den Twitter-Zuschauerreaktionen auf die Szene gleich nochmal wiederholte.

Äußerung lässt Gast "schwer atmen"

Denn zu den vielen Empörten vor dem Fernseher gehörte auch der "Zeit"-Redakteur Lars Weisbrod, der die Sendung vor dem Fernseher verfolgt hatte. Weisbrod twitterte: "Das Attentat ist erst ein paar Tage her und 'Hart aber Fair' sendet diesen antisemitischen Dreck quasi unkommentiert als 'Zuschauermeinung'. Was geht eigentlich bei euch im Kopf vor, Junge?"

Die "Hart aber Fair"-Redaktion antwortete Weisbrod auf Twitter am Montagabend knapp: "Dieser Post fand sofort eine adäquate Antwort und war eingebettet in eine kluge und intensive Diskussion. Ihn ohne die ganze Sendung zu diskutieren, ist falsch und unfair."

Fraglich ist, was die ARD-Redakteure unter "adäquate Antwort" verstehen. Denn nachdem Büscher den Tweet verlesen hatte, sagte Plasberg lediglich zu Studiogast Michel Friedman: "Ich weiß, dass Sie gerade schwer atmen." Dieser wollte offenbar schon zum Protest gegen die Äußerung ansetzen.

Bei Diskussion wird AfD-Fan zitiert

Und der ARD-Moderator fuhr fort: "Aber das ist eine Zuschauerdiskussion mitten aus Deutschland an einem Montagabend." Das war alles. Wieder keine Einordnung. Stattdessen: Schweigen.

Ein zweites Versagen.

Auf den Facebookprofile der beiden zitierten Zuschauer kann man sehen, dass beide Nutzer Fans der rechtspopulistischen AfD, ihrer noch extremeren Teil-Organisation "Der Flügel" oder dem österreichischen Rechtspopulisten Strache sind.

Das erwähnte die ARD-Redaktion nicht. Man ging stattdessen zur Tagesordnung über: Während Plasberg zurück zu seinem Pult ging, las Büscher noch eine Zuschauermeldung vor. Der Nutzer schrieb: "Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass soviel Antisemitismus inzwischen salonfähig ist."

Die "Hart aber Fair"-Redaktion konnte dem Nutzer nicht das Gegenteil beweisen. Das ist sehr schade. Und beunruhigend.

Beim Sender nachgefragt

Auf Nachfrage von watson erklärte die ARD, dass es richtig war, die kritisierten Zuschauer-Posts zu zeigen. Damit würden "Denkweisen dokumentiert, die zwar nicht in der Mitte der Gesellschaft, aber mitten in Deutschland bis heute verbreitet sind." Zudem hätten andere Zuschauer diese kritischen Posts auch unmittelbar gekontert, was in der Sendung dokumentiert wurde.

Zu den oben angesprochenen Posts habe es laut ARD eine direkte Gegenantwort gegeben, die sich gegen Antisemitismus aussprechen. So wie von Tibi Thomann: „Eingetrichtert? Was soll so eine Aussage? Nichts ist gut. Niemals.“

Aber warum hat sich die ARD überhaupt dazu entschieden, Zuschauerkommentare, die Frank Plasberg vorher kannte, zu zeigen, die Antisemitismus offensichtlich verharmlosen?

Die Antwort der ARD: "Die ganze Sendung war geprägt von einer Einordnung der verschiedenen Ausprägungen von Antisemitismus durch die Gäste, die Einspieler und den Moderator. So gab es zum Beispiel einen Einspieler in dem deutlich wurde, wie antisemitische Ressentiments auch weit unter der justitiablen Schwelle sprachlich geschürt werden."

Die ARD entschied sich bewusst gegen die Einladung eines AfD-Vertreters, sagte der stellvertretende Redaktionsleiter Benjamin Wassen im Podcast der Sendung. "Uns war klar, dass gegen die AfD ausgeteilt wird, dann hätten sie darin gehört", so Wassen. Jedoch haben sie sich bewusst dagegen entschieden, was auch gut gewesen ist, begründet er weiter.

Die Tonalität war eine besondere, so Wassen. Durch die Anwesenheit der AfD wäre die Sendung im Stil konfrontativer gewesen, was man vermeiden wollte.

Eine generelle Absage an die AfD sei das nicht gewesen, so Plasberg im Podcast.

Bezogen auf die kritischen Post, sagte Leiter, dass Posts in einem Video aufbereitet und mit den Gästen im Vorfeld schon diskutiert wurden. Zudem wolle man den Zuschauern die Entscheidung nicht abnehmen.

(lin)

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