
Trumps "schönstes Gesetz" trifft ausgerechnet die, die ihn gewählt haben.Bild: AP / Jacquelyn Martin
watson antwortet
Steuersenkungen für Reiche, Einschnitte bei Gesundheitsprogrammen und Milliarden für Rüstung: Donald Trump nennt es den "One Big Beautiful Bill". Doch viele in den USA – auch Republikaner:innen – schlagen Alarm.
02.07.2025, 11:2002.07.2025, 11:20
Er nennt es "wunderschön". Doch was Donald Trump gerade durch den US-Senat gebracht hat, könnte Millionen Menschen das Leben deutlich schwerer machen – oder sogar kosten. Das "One Big Beautiful Bill" ist ein Megagesetz mit über 900 Seiten. Ein Monster aus Steuersenkungen, Sozialkürzungen und politischen Kampfansagen. Es soll nicht weniger als Trumps gesamte zweite Amtszeit vorzeichnen, in einem einzigen Entwurf.
Während die einen feiern, schlagen Ärzt:innen, Wirtschaftsexpert:innen und selbst Parteifreund:innen Alarm.
Was genau steckt drin? Wer verliert, wer profitiert – und warum kritisiert Elon Musk plötzlich ihn öffentlich? In diesem Q&A findest du alles, was du zu Trumps XXL-Gesetz wissen musst.
Worum geht's bei Trumps "One Big Beautiful Bill"?
Donald Trump nennt sein Mammutprojekt "One Big Beautiful Bill". Dahinter steckt ein Gesetzespaket mit mehr als 900 Seiten. Es gießt Trumps politische Ziele für seine zweite Amtszeit in ein einziges Gesetz. Laut Trump soll es seine "volle Agenda" widerspiegeln. Inhaltlich umfasst das Paket vor allem Steuersenkungen, Kürzungen bei Sozialleistungen und massive Investitionen in Verteidigung und Grenzsicherung.
Wie weit ist das Gesetz schon?
Der Senat hat dem Paket bereits knapp zugestimmt, mit einem Patt von 50:50 Stimmen. Die entscheidende Stimme kam von Vizepräsident J.D. Vance. Damit geht das Gesetz zurück ins Repräsentantenhaus. Trump will es spätestens am Freitag unterschreiben, pünktlich zum Unabhängigkeitstag. Er kündigte an, das wäre eine "wunderbare Feier für unser Land".

Donald Trump bezeichnet das Paket als "One Big Beautiful Bill".Bild: AP / Evan Vucci
Was soll konkret geändert werden?
Ein zentrales Ziel: Trumps Steuerreform von 2017 dauerhaft machen. Einzelpersonen sollen weiterhin von niedrigeren Steuersätzen profitieren, die eigentlich Ende des Jahres auslaufen würden. Unternehmen sind ohnehin schon dauerhaft entlastet. Zusätzlich soll es Steuererleichterungen für Trinkgelder und Überstunden geben, ein Wahlversprechen für die Working Class.
Welche Kritik gibt es aus ökonomischer Sicht?
Laut dem Congressional Budget Office (CBO), der unabhängigen Haushaltsbehörde des Kongresses, würde der aktuelle Gesetzentwurf die Staatsverschuldung bis 2034 um rund 3,3 Billionen Dollar erhöhen. Trump selbst nennt das einen "Mythos" und behauptet, das Gesetz werde das Haushaltsdefizit langfristig sogar verringern.
Wirtschaftsexpert:innen halten dagegen: Der Houston Chronicle warnt in einem Beitrag vom 1. Juli 2025, dass durch den Wegfall grüner Förderprogramme allein in Texas über 120.000 Jobs verloren gehen könnten. Die saubere Energiewirtschaft im Bundesstaat würde demnach um 87 Milliarden Dollar schrumpfen.

Menschen gehen in den USA auf die Straßen, um gegen Trump zu protestieren.Bild: imago images / gina M Randazzo
Wer profitiert vom Gesetz? Und wer verliert?
Laut Expert:innen gewinnen vor allem wohlhabende Amerikaner:innen. Die ursprünglichen Steuersenkungen aus 2017 hatten ihnen schon stark geholfen, jetzt werden sie dauerhaft gesichert. Gleichzeitig sind Kürzungen bei Medicaid geplant. Auch das staatliche Lebensmittelhilfe-Programm SNAP soll eingeschränkt werden.
Wie gefährlich sind die geplanten Kürzungen im Gesundheitssystem?
Besonders heftig fällt die Kritik am geplanten Umbau von Medicaid aus – der staatlichen Krankenversicherung für Menschen mit geringem Einkommen. Laut einer aktuellen Studie von Harvard-Wissenschaftler Adam Gaffney und seinen Kolleg:innen, veröffentlicht im Fachjournal Annals of Internal Medicine, könnten die Kürzungen jährlich zwischen 8200 und 24.600 zusätzliche Todesfälle verursachen.
Grund dafür seien strengere Arbeitsanforderungen und höhere Hürden für Bundesstaaten, das Programm zu finanzieren. Die Analyse wurde unter anderem von "Vox" zitiert.
Auch die republikanische Senatorin Joni Ernst sorgte mit einem entwaffnenden Satz für Schlagzeilen. Angesprochen auf die Auswirkungen der geplanten Kürzungen sagte sie bei einer Bürgerversammlung: "Naja, wir werden sowieso alle sterben." Die "Washington Post" kommentierte dazu, Kritiker:innen rechneten mittlerweile mit über 100.000 vermeidbaren Todesfällen im kommenden Jahrzehnt, wenn das Gesetz in dieser Form in Kraft tritt.

Medicaid- und SNAP-Empfänger:innen wurden während eines Protestes gegen die Pläne verhaftet.Bild: FR33460 AP / Kevin Wolf
Zusätzlich schätzt das unabhängige Congressional Budget Office, dass durch die neuen Anforderungen rund 11,8 Millionen Menschen bis 2034 ihren Versicherungsschutz verlieren könnten, allein beim Programm Medicaid.
Was wird zusätzlich gefördert?
Zwei große Posten stechen hervor: rund 150 Milliarden Dollar für Verteidigung – inklusive eines neuen Raketenabwehrsystems namens "Golden Dome" – und etwa genauso viel für Grenzsicherung. Auch neu: sogenannte "Trump Accounts" – steuerbegünstigte Aktiendepots für Neugeborene, die mit 1000 Dollar Startkapital gefüllt werden sollen.
Und was passiert mit Klima und Energiewende?
Viele Programme aus Bidens "Inflation Reduction Act" würden abgeschafft. Geplant ist das Auslaufen von Steuergutschriften für E-Autos, Solar- und Windenergie. Eine geplante Sondersteuer für Solarprojekte mit China-Komponenten wurde im letzten Moment wieder gestrichen.
Warum gab es Streit um KI?
Ursprünglich sollte das Gesetz ein zehnjähriges Moratorium für jede Form von KI-Regulierung enthalten. Bundesstaaten hätten also keine Gesetze dazu erlassen dürfen. Dieser Passus wurde in der Senatsfassung aber gestrichen, wie der "Guardian" berichtete. Gegner:innen hatten gewarnt, ein solches Verbot nehme den Bundesstaaten ihre Rechte – und sei in einer so schnell wachsenden Branche völlig unverantwortlich.
Warum gibt es Uneinigkeit in Trumps Lager?
Auch in den Reihen der Republikaner sorgt das Paket für Bauchschmerzen. Während fiskalkonservative Abgeordnete weitere Kürzungen fordern, warnen moderate Republikaner vor "sozialem Kahlschlag". Trump selbst konterte am Dienstag mit einem Appell an die eigene Partei, Einigkeit zu zeigen – und forderte, "gelegentliche Wichtigtuer" zu ignorieren.
Warum kritisiert Elon Musk das Gesetz so hart?
Musk nannte das Gesetz die "höchste Schuldenerhöhung der Geschichte" und kündigte an, Kandidat:innen zu unterstützen, die dagegen stimmen. Trump reagierte gewohnt scharf: Musk bekomme womöglich mehr Subventionen "als jeder andere Mensch in der Geschichte". Er drohte, Musks Firmen von Staatsaufträgen auszuschließen. Auf Nachfrage schloss er auch eine Abschiebung Musks nach Südafrika nicht aus.
Was sagt die US-Bevölkerung?
Die Mehrheit lehnt das Gesetz ab. In einer Umfrage der Quinnipiac University sprachen sich 55 Prozent dagegen aus, nur 29 Prozent dafür. Eine Fox-News-Umfrage ergab sogar 59 Prozent Ablehnung. Besonders deutlich: Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) glaubt, dass das Gesetz ihrer Familie schaden wird.
Die Zustimmungswerte bei den Republikanern und Demokraten sind relativ stabil. Bei den unabhängigen – umso wichtigeren – Wähler:innen verliert US-Präsident Trump hingegen an Zustimmung.
Donald Trump ist zwar noch kein halbes Jahr im Amt, trotzdem blicken die USA bereits jetzt auf die Zwischenwahlen Ende kommenden Jahres. Diese sollen ein Stimmungsbild unter den Wähler:innen abbilden.