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Als Greta Thunberg plötzlich nicht mehr aß: Mutter gibt in Buch private Einblicke

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Die Klimaaktivistin und die Opernsängerin: Greta Thunberg (r.) und ihre Mutter Malena Ernman.Bild: www.imago-images.de
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Drama statt Klima: Darum geht es wirklich im Buch der Familie von Greta Thunberg

01.05.2019, 12:1227.09.2019, 13:44

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Greta Thunberg, die Begründerin der Bewegung #fridaysforfuture, ist zur weltweiten Ikone des Klimaschutzes geworden. Und das mit gerade mal 16 Jahren. Ihre Familie beschreibt nun in einem Buch, welch langer Weg all dem zugrunde liegt. Herausgekommen ist eine Familiengeschichte, die nicht nur vom Kampf gegen die Klimakrise geprägt ist: Die Karriere der Eltern, Gretas Depression und Krankheiten begleiten die Umstellung der Familie auf eine klimafreundliche Lebensweise. Das ist manchmal schon zu persönlich.

"Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima" heißt das Buch, das offiziell von Greta, ihrer Schwester Beata und ihren Eltern Svante und Malena zusammengetragen und veröffentlicht wurde. Deshalb stehen auch alle Namen oben auf dem Cover. Tatsächlich ist es aus der Ich-Perspektive von Gretas Mutter Malena Ernman geschrieben. Sie erzählt, wie Greta zu der weltbekannten jungen Frau wurde, die heute weltweit auf Protesten und Klimatagungen die Massen begeistert. Wie der Titel schon vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine sachlich-kritische Auseinandersetzung mit der Klimaentwicklung. Stattdessen ist die Geschichte von Malena Ernman eine emotionale Familienchronik, gespickt mit Faszination für die eigene Tochter und das Aspergersyndrom.

Handlungsnarrative: Die Geschichte könnte auch "Becoming Greta" heißen.

Das Buch ist ein Thunberg-Prequel zum Jetzt. In den Kapiteln, die Ernman sehr passend als "Szenen" bezeichnet, skizziert sie symbolische Situationen aus dem Familienalltag, die bis kurz vor dem bekannten ersten Protest vor dem Stockholmer Parlament stattfinden.

Kurz zusammengefasst: Greta Thunberg erfährt im Grundschulalter vom Klimawandel und den Auswirkungen des menschlichen Handelns auf den Planeten. Sie lernt Dinge, die die Generation ihrer Eltern oft so fleißig ignoriert hat. Sie beginnt, sich Sorgen zu machen. Greta lacht nicht mehr, redet nicht mehr, isst nicht mehr - eine Alptraumvorstellung für jede Mutter und jeden Vater. Nur der Familienhund Moses hilft, damit Greta mit dem Weinen aufhört. Nach langen Monaten mit kräftezehrenden Momenten am Esstisch und in Kinderkrankenhäusern dann der erleichternde Satz der älteren der beiden Töchter: "Ich will wieder anfangen zu essen." Dann geht das Drama von vorne los, mit Gretas jüngerer Schwester Beata.

Eine krasse Geschichte. Doch es gibt ein großes "Aber" im Buch – und das ist der nervige Erzählstil.

Jeder Satz strotzt vor Bedeutungskraft.

Nicht nur der Titel von "Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima" klingt übertrieben und rutscht ab in den Kitsch. Die Erinnerungen der Familienmitglieder wirken manchmal schon regelrecht plakativ. Zum Beispiel, als Greta ihren eigenen Einfluss auf die Welt anzweifelt.

Greta sagt:

"So jemand wie ich wird die Welt nicht retten. Denn auf so jemanden wie mich hört niemand."
Greta Thunberg in "Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima"

Das wirkt, gerade in dem Wissen, wie die Geschichte weitergeht, als würde man das Schicksal mittels psychologischer Kriegsführung herausfordern. Der Satz hätte auch in einem dramatischen Theaterstück stehen können. Nur, um dann die Kritik zu bekommen: "Das ist zu gewollt. Zu dick aufgetragen. Jetzt wissen wir, dass sie berühmt werden wird."

Dabei hat die Geschichte ohne Aufbauschung genug reales Drama: Gretas Zustand, das Asperger-Syndrom und das später bei Gretas Schwester diagnostizierte ADHS werden dabei ebenfalls von der Mutter mit Faszination erzählt. Außerdem erzählt Ernman auch gerne etwas über sich und ihre Karriere.

Greta Thunbergs Mutter trat 2009 für Schweden beim ESC an:

Zwischen den Szenen, in denen es auch intime Einblicke gibt (Gretas erste Panikattacke und wie sollen Eltern mit so etwas umgehen), geht es tatsächlich auch ab und zu ums Klima. Auch hier wird Ernman gerne melodramatisch, aber angesichts der Ernsthaftigkeit der Klimakrise fühlt es sich hier angemessener an:

"Einer Krise, die wir Menschen durch unseren Lebensstil herbeigeführt haben: fernab von Nachhaltigkeit, losgelöst von der Natur, von der wir ein Teil sind."
Malena Ernman, in "Szenen aus dem Herzen: Unser Leben für das Klima"

Es ist schon alles irgendwie interessant. Aber es ist zu viel Drama.

Woher kommt das Drama?

Gretas Depressionen, die sie nicht mehr essen lassen, kommen von den Ängsten, die sie durch ihr Wissen über die Klimakrise hat, beschreibt es ihre Mutter im Buch. Aber hat jeder Konflikt, jeder Zusammenbruch, jeder Spaziergang mit den Eltern ein Bedeutung? In diesem Buch schon. Alles hat eine Bedeutung. Wie soll man glauben, dass alles tatsächlich genauso passiert ist, wenn es sich viel zu perfekt zu einem Roman zusammenfügen lässt? Für einen Tatsachenbericht scheint die Geschichte zu glatt.

Vielleicht ist es gemein, zu behaupten, dass die Autorin Malena Ernman als professionelle Opernsängerin ihrem berufsbedingten Hang nach Theatralik auch in ihrer Familienchronik voll nachgeht. Denn vielleicht ist alles wirklich so gewesen, wie die Szenen abgebildet sind. Wenn vier Personen namentlich dafür stehen, wird es schon so oder ähnlich abgelaufen sein. Oder nicht?

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Greta (vorne rechts) mit ihrer Schwester Beata und ihren Eltern bei einer Zirkusvorstellung 2011.Bild: www.imago-images.de

Was auffällt in dem Buch: Krankheiten, die zerstören, werden dennoch gefeiert.

Das Leben für die gesamte Familie Ernman-Thunberg klingt in dem Buch nicht nach Zuckerschlecken. Die Familie lebte am Limit, mit zwei psychisch erkrankten Töchtern, die sich weigerten zu essen, zu lachen. Die Mutter extrem berufstätig, der Vater ein Stay-At-Home-Dad, die beide irgendwie versuchen, sich um diese Kinder zu kümmern, sie zu retten. Alles opfern, um sie zu verstehen und ihnen zu helfen. Die Familie befindet sich all zu oft am Abgrund.

Es ist fast unglaubwürdig, dass Ernman Gretas Krankheiten dennoch als Superkraft ansieht, nachdem die Familie darunter Jahre lang gelitten hat. Ernman scheint die Ereignisse, die sicherlich schrecklich waren, zu einem prophetischen Zweck inszenieren. Sie verwendet Gretas Depression als Spannungskurve und als Parallele zum Weltzustand.

Ernman schreibt:

"Es geht um ausgebrannte Menschen auf einem ausgebrannten Planeten"
szenen aus dem herzen: unser leben für das klima"

Greta heilt sich selbst durch die Rettung des Klimas. Das ist einfach zu viel Epos für die Realität und verlacht auch ein Stück weit Menschen, die nach wie vor mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.

Es gibt keinen Grund, das Private so auszuschlachten.

Um Greta Thunberg und ihre Ziele zu unterstützten, muss man nicht wissen, wie schlimm die Familiengeschichte ihrer Mutter ist. Das Buch eignet sich für die, die alles Greta Thunberg wissen wollen. Und natürlich darüber, wie deren Mutter aufgewachsen ist und wie sie ihre Karriere so erlebt hat. Es ist auch vollkommen in Ordnung, diese Geschichte zu erzählen. Das Klima wird Malena Erman so aber nicht retten.

Klimaaktivisten können sich dann doch lieber Gretas Rede in Katowice ansehen.

Das Buch "Szenen aus dem Herzen: Unser Kampf für das Klima" erschien am Dienstag auch in Deutschland im Fischerverlag. Die schwedische Erstausgabe des Buches ist bereits kurz nach Beginn des Schulstreiks im August 2018 erschienen.

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