Dies hier ist ein schwierig zu schreibender Text. Und vielleicht wollte Rammstein das auch so. Viel Kritik bekommt die Band gerade, weil sie vor und in ihrem neuen Musikvideo "Deutschland" die Shoah als Werbemittel benutze. Schon im Teaser-Trailer zum Song sahen Zuschauer die Rammstein-Musiker als KZ-Häftlinge mit Strick um den Hals. Uffh.
Die Kritik war dann auch entsprechend deutlich: Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, sagte etwa: Die Band "habe das Leid und die Ermordung von Millionen zu Entertainment-Zwecken missbraucht". Der aktuelle Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte: "Wer den Holocaust jedoch zu Marketingzwecken missbraucht, handelt verwerflich und unmoralisch."
Diese Kritik muss man ernst nehmen, denn so lassen sich das Rammstein-Video und sein Teaser durchaus sehen. Das komplette Video lässt allerdings auch noch eine andere Lesart zu.
In einer Zeit, in der AfD-Politiker das Dritte Reich zum Vogelschiss degradieren, zeigt die wohl bekannteste deutsche Band der Welt mit ihrem Song das Gegenteil. Sie betont, wie wichtig die Erinnerung an das Thema ist – dass sich die Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht einfach vergessen lassen. Das die deutsche Geschichte untrennbar mit Auschwitz verbunden ist.
Denn, um was dreht sich das Video? Um die Gewalt, die es in der deutschen Geschichte gegeben hat. Und so eine Erzählung kann den Holocaust nicht auslassen, auch nicht in einem Rammstein-Video.
Das Lied, das dem ersten Trailer folgt, geißelt Deutschland denn auch heftig und folgt nationalkritischen, vielleicht sogar anti-nationalen Denkmustern. Kurz, der Song "Deutschland" ist vor allem eins: eine Kritik an Deutschland.
Dabei nimmt die Band keine dogmatische antideutsche Position ein. Stattdessen macht Rammstein den ewigen Zwiespalt der Deutschen mit wenigen Worten klar: "Dein Atem kalt, dein Herz in Flammen", singt Frontmann Till Lindemann, oder: "Will dich lieben und verdammen", oder "man kann dich lieben und will dich hassen." oder "Meine Liebe kann ich dir nicht geben". Macht summa summarum: Sehr wenig Liebe für Deutschland, wie der Song ja auch heißt.
Nein, einer so erfolgreichen Band, die schon so lange und ohne Probleme Stadien weltweit füllt, kann es nicht nur um das Marketing gehen. Man darf den Musikern durchaus unterstellen, dass sie zumindest versucht haben, eine Aussage zu transportieren.
Die kann man jetzt gut finden oder schlecht. Man kann und muss vielleicht den zweistufigen Release des Videos kritisieren. Man muss auch monieren, dass verschiedene historische Ereignisse der Deutschen unbedacht in eine Reihe gestellt werden. Rammstein muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Tragweite von Geschichte, ja, die Singularität des industriellen Massenmordes zumindest nicht in aller Deutlichkeit herauszustellen.
Dennoch erscheint "Deutschland" bei all diesen Argumenten als heftige Zeitkritik gedacht zu sein, die zumindest einmal nachdenklich macht. Die auch bei Kritikern öffentliche Haltung provoziert. Es bleibt nur ein Verdacht, aber wie gesagt: Vielleicht wollte Rammstein das alles auch genau so.