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Amtsenthebungsverfahren: Wenn Donald Trump dafür nicht verurteilt wird, wofür dann?

WASHINGTON, DC - JANUARY 06: President Donald Trump arrives at the "Stop The Steal" Rally on January 06, 2021 in Washington, DC. Trump supporters gathered in the nation's capital today  ...
Donald Trump am 6. Januar bei einer Rede in Washington D.C. Wenig später stürmten hunderte seiner Anhänger das Kapitol.Bild: Getty Images North America / Tasos Katopodis
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Impeachment gegen Trump: Was genau muss ein US-Präsident denn noch tun, damit man ihn für amtsunfähig erklärt?

09.02.2021, 19:3310.02.2021, 08:13
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Es ging zunächst fast unter im Schock dessen, was am 6. Januar am und im Kapitol in Washington passierte. Aber am selben Tag hatte der damals noch amtierende US-Präsident Donald Trump zuvor eine bemerkenswerte Rede gehalten. Er sprach von der Wahl, in der er gerade unterlegen war, seinem Konkurrenten und davon, dass diese Wahl gestohlen wurde. Es fielen Sätze wie: "Wir werden nie aufgeben, wir werden uns nie zufriedengeben". Die Pandemie werde benutzt, "um uns bei der Wahl zu betrügen". Laut Trump handelt es sich um den "unglaublichsten Diebstahl in der Geschichte der Vereinigten Staaten".

"Mit Schwäche gewinnt man unser Land nicht zurück."
Donald Trump am 6. Januar 2021

Die Konsequenz aus seiner Analyse lieferte Trump gleich mit und sie ist eindeutig: "Wir müssen kämpfen", sagte er und rief auf: "Wir werden zum Kapitol marschieren". Zwar erklärte er nicht dezidiert, was dann zu tun sei, aber er gab seinen Anhängern zumindest mal einen Leitfaden seiner Weltanschauung an die Hand: "Mit Schwäche gewinnt man unser Land nicht zurück".

Kurz darauf stürmte ein wütender Mob das Kapitol, den Sitz des US-Kongresses. Die Menschen verwüsteten Teile des Gebäudes und lieferten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Fünf Menschen starben an diesem Tag oder an Verletzungen, die sie an diesem Tag erlitten hatten.

Nun soll dem ehemaligen US-Präsidenten hierfür der Prozess gemacht werden. Die Anklage im zweiten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump lautet: "Anstiftung zum Aufruhr." Jason Stanley, Professor an der Universität Yale, geht gegenüber dem "Spiegel" noch weiter und spricht von "Putschversuch".

"Ein Impeachment gegen einen abgewählten Präsidenten verstärkt nur die Spaltung in diesem Land."
John Bolton gegenüber watson

Die Republikaner wiegeln derweil ab. George Weinberg von den "Republicans Overseas Germany" erklärt gegenüber watson, man könne Trump nicht für diesen Gewaltausbruch verantwortlich machen: "Das war das Werk von ein paar hundert Hooligans." Ex-Sicherheitsberater John Bolton stellt im Interview mit watson den Nutzen des Amtsenthebungsverfahrens infrage: "Ein Impeachment gegen einen abgewählten Präsidenten verstärkt nur die Spaltung in diesem Land."

Das Traurige daran ist, dass das keine Minderheitsmeinungen innerhalb der Republikanischen Partei sind. Auch die meisten Republikaner in Repräsentantenhaus und Senat denken so. Damit ist davon auszugehen, dass sich nicht genug Republikaner finden werden, um Trump zu verurteilen. Sollte es so kommen, wäre das ein Armutszeugnis für die US-amerikanische Demokratie.

Was genau muss ein US-Präsident denn noch tun, damit man ihn für amtsunfähig erklärt?

Der Punkt ist: Wenn Donald Trump dafür nicht verknackt wird, kann man es auch bleiben lassen mit dem Konzept Amtsenthebungsverfahren. Was genau muss ein US-Präsident denn noch tun, damit man ihn für amtsunfähig erklärt?

Denn für genau so einen Fall wie Donald Trump gibt es das Impeachment: Die USA haben ein präsidentielles System, in dem der Präsident sehr viel Macht hat. Um dafür zu sorgen, dass er diese nicht ausnutzt, gibt es das Parlament, dass, im Sinne der Gewaltenteilung, den Präsidenten im Falle von Vergehen und schweren Verbrechen anklagen kann.

Zu welcher von beiden Kategorien der Aufruf, das Kapitol zu stürmen, genau gezählt werden kann, ist im besten Fall Auslegungssache. Aber es handelt sich eher nicht um den typischen Aufgabenbereich eines US-Präsidenten.

Dass dieser Präsident ungeeignet war und immer noch ist, ein Land zu führen, sollte nun auch dem letzten Parlamentarier klar sein. Legt man die üblichen Kriterien und Ansprüche an das Präsidentenamt an Donald Trump an, muss man spätestens seit dem 6. Januar zum Schluss kommen, dass dieser Mann zu gefährlich ist, um an der Spitze der Regierung zu stehen. Auch darum muss er nachträglich seines Amtes enthoben werden, um eine erneute Kandidatur zu verhindern.

Wenn Donald Trump also nicht des Amts enthoben wird, dann kann man das Impeachment-System auch abschaffen und die Demokratie für bankrott erklären. Dessen sollten sich auch die Republikaner bewusst sein.

"Erst das Land, dann die Partei, dann die Person."
Wird Willy Brandt zugesprochen

Wenn die Republikaner im Senat dann demnächst abstimmen, sollten sie sich die Fotos und Videos anschauen, die beim Sturm auf das Kapitol entstanden. Sie sollten schauen, wem ihr Präsident Tür und Tor zum Innersten der Demokratie geöffnet hat. Und sie sollten sich fragen, wem sie sich am meisten verpflichtet fühlen: dem Land, der Partei oder dem eigenen Sitz im Parlament.

In Deutschland gibt es ein Zitat, das gerne Willy Brandt zugesprochen wird: "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person". Den Satz hat auch schon jeder Unionspolitiker von Berlin bis Buxtehude einmal vor irgendeinem Parteitag gesagt – was die Aussage nicht weniger wahr macht.

Wenn die republikanischen Senatoren noch einen Funken Anstand und Demokratieverständnis in sich tragen, dann entscheiden auch sie danach. Dann stimmen sie ihrem Parteikollegen Arnold Schwarzenegger zu – und für eine Verurteilung des "schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten", wie Schwarzenegger Trump genannt hat.

19-jähriger Demokrat: "Eines Tages werde ich Präsident der Vereinigten Staaten sein"
Mit nur 19 Jahren ist Manuel Fernandez einer der jüngsten und beharrlichsten Demokraten in Florida. Als treuer Anhänger von Kamala Harris und Joe Biden und Vorsitzender der Demokraten am Miami Dade College hat er keine Scheu, seine Überzeugungen in einem Staat kundzutun, der weitgehend für die Sache Trumps eintritt. Ein Porträt.

Manuel, "Manny", hat sich mit uns in einem Starbucks in der Nähe verabredet. Man erkennt ihn schon von weitem, den 19-jährigen Mann mit der schlanken Figur und dem schmalen Gesicht, das unter einer hellblauen Cap verloren wirkt.

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