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Iran-Proteste: Was deutsch-iranische Politiker fühlen und fordern

Iranian women shout slogans to protest over the death of Mahsa Amini during a demonstration outside the Iranian consulate in Istanbul, Turkey, Monday, Oct. 17, 2022. Amini, a 22-year-old woman who had ...
Weltweit gehen Menschen aus Solidarität mit den Iraner:innen auf die Straßen..Bild: AP / Emrah Gurel
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"Ihr seid nicht allein" – wie deutsch-iranische Politiker auf die Proteste im Iran blicken

23.10.2022, 15:4131.10.2022, 18:05
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Deutsche Politiker:innen iranischer Herkunft beschäftigen in den vergangenen Wochen zwei Politikfelder. Ihre Fachthemen als Abgeordnete, Referent:innen oder Repräsentant:innen ihrer Partei oder ihres Mandats. Und: das Dauer-Thema Iran.

Sie sprechen auf Solidaritätskundgebungen oder auf Versammlungen ihrer Partei zu den Geschehnissen in dem Land, in dem sie oder die Eltern geboren sind. So auch Grünen-Chef Omid Nouripour kürzlich auf dem Parteitag der Grünen. "Sei meine Stimme", war seine Forderung, stellvertretend für die Frauen im Iran.

In allen Parteien finden sich Politiker:innen mit Iran-Bezug. Watson hat mit einigen von ihnen gesprochen.

Danial Ilkanipour (SPD) ist Hamburger mit iranischen Wurzeln

Danial Ilkhanipour (SPD) ist Abgeordneter im Landesparlament von Hamburg.
Danial Ilkhanipour (SPD) ist Abgeordneter im Landesparlament von Hamburg.bild: privat

Der SPD-Politiker Danial Ilkanipour ist in Deutschland geboren. Seine Eltern kommen aber aus dem Land, in dem seit mehr als einem Monat Proteste das Regime herausfordern. Den Kontakt zur Familie hat er bewusst seitdem abgebrochen: "Ich möchte niemanden gefährden." Er äußert sich klar zum Thema Iran. So auch in seiner emotionalen Rede im Plenum der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit 2015 ist er Mitglied im Hamburger Landesparlament.

Seit mehr als vier Wochen herrsche eine Ausnahmesituation, für Menschen, die auf irgendeiner Weise einen iranischen Bezug haben. Der 41-Jährige sagt im Gespräch mit watson:

"Schauen Sie sich die Gesichter von Menschen, die iranischen Bezug haben, an: Die haben alle Augenringe. Es dominiert unseren Alltag. Man geht seinen Verpflichtungen nach, aber es ist permanent präsent und jede freie Minute beschäftigt man sich mit diesem Thema – und verarbeitet. Man versucht, zu funktionieren."

Das Erste, was er morgens macht und das Letzte, was er abends tut, ist auf Twitter Nachrichten von den Protesten zu verfolgen. Da er kein Persisch lesen kann, ist er auf Journalist:innen wie Natalie Amiri oder Gilda Sahebi angewiesen, die auf Deutsch von den Protesten berichten.

Und wenn er davon liest, Bilder oder Videos sieht, löst es "ein komplettes Wirrwarr an Gefühlen" bei ihm aus: Trauer und Wut.

"Und unfassbare Bewunderung, wenn man bedenkt, was die Menschen dort durchmachen und dann trotzdem, erst recht dann, auf die Straße gehen. Wohl wissend, was da passiert. Und auch Hoffnung."

Hoffnung, weil jetzt "ein sehr spezielles Zeitfenster" bestehe. Es brauche "maximalen Druck", damit erstens "die Bevölkerung im Iran sehe, auf welcher Seite die EU und die deutsche Regierung stünden.

"Wir brauchen eine neue Iran-Politik, so wie wir eine neue Russland-Politik haben."

Und zweitens, damit "die Machthaber erkennen, dass sie es nicht aussitzen können, dass sie diesmal nicht damit durchkommen". Ilkhanipour fordert Sanktionen, die nicht die Bevölkerung treffen, wie Sanktionen zuvor, sondern sehr konkret die Machthaber. Er sagt:

"Wir bräuchten jetzt ein ganz klares Signal: Wir reden nicht mehr mit euch, wenn ihr nicht aufhört, auf eure eigenen Kinder zu schießen. Dieses Signal brauchen wir."

Hoffnung darauf hat er allerdings wenig. "Das sehe ich, stand heute, noch nicht." Dabei sei von der Bundesregierung, konkret von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), eine werteorientierte Außenpolitik, statt einer interessengeleiteten, ausgerufen worden.

Das begrüßt der SPD-Mann und fügt hinzu: "Wir brauchen eine neue Iran-Politik, so wie wir eine neue Russland-Politik haben." Sonst liefen Deutschland und Europa Gefahr, ihre Integrität und Glaubwürdigkeit auf lange Sicht zu verlieren.

Bahar Haghanipour (Grüne) ist Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Berlin

Familie Haghanipour/Ata
Bahar Haghanipour (Grüne) ist Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses.bild: Thomas Lobenwein

Bahar Haghanipour ist in Teheran geboren und in Berlin aufgewachsen. Die Politikerin ist seit 2021 Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses. Sie macht sich große Sorgen um die Demonstrierenden.

Wer dort gerade protestiere, riskiere "Verfolgung, das eigene Leben, die Sicherheit von Freund:innen und Verwandten – das ist in Deutschland kaum vorstellbar". Die Proteste verfolgt sie über die Nachrichten und über Instagram. Sie sagt:

"Das ist eine unglaublich wichtige Quelle, denn das iranische Regime schlägt eine neutrale Presseberichterstattung aus dem Land heraus nieder. Mit dem Internet und den sozialen Medien werden wir in Deutschland und weltweit Zeugen; und auch die Demonstrierenden kommen an aktuelle Informationen."

Neben der Aufmerksamkeit für die Aktivist:innen könne dadurch der Druck auf die iranischen Machthaber verschärft werden.

Doch zuerst müsse sichergestellt sein, dass neben der politischen auch geschlechtsspezifische Verfolgung, etwa durch diskriminierende Kleidungsvorschriften, im Asylverfahren anerkannt würden. "Denn im Iran werden Frauenrechte systematisch missachtet und verletzt. Frauenrechte sind Menschenrechte und diese sind nicht verhandelbar."

"Diese Menschen brauchen unseren Rückhalt."

Ebenso wie das Asylrecht – Haghanipour fordert: schnellere Vergabe für humanitäre Visa, einen sofortigen Abschiebestopp in den Iran, die Aufhebung von Einreisesperren für diejenigen, die in den Iran abgeschoben wurden. Aus dem Iran geflohene Menschen sollten "nicht nur eine Duldung bekommen, sondern ein Bleiberecht".

Bezogen auf das gewaltsame Vorgehen des Regimes gegen die Demonstrierenden fordert die Grünen-Politikerin unabhängige Untersuchungen und, dass "die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden".

Die Grünen-Politikerin nimmt an Solidaritätskundgebungen teil.
Die Grünen-Politikerin nimmt an Solidaritätskundgebungen teil.bild: privat

Die Demonstrierenden hätten den Wunsch nach Demokratie, Freiheit, Gleichberechtigung und nach einem selbstbestimmten Leben. "Diese Menschen brauchen unseren Rückhalt." Haghanipour fordert deshalb von den Menschen in Deutschland:

"Macht auf die Situation aufmerksam, geht auf Demonstrationen, teilt die Nachrichten. Gemeinsam zeigen wir den vielen Demonstrierenden im Iran: Ihr seid nicht allein!"

In den vergangenen Jahrzehnten sei es häufig zu Protesten gekommen, "eine Mobilisierung in diesem Ausmaß sehen wir aber zum ersten Mal". Die Politikerin wünscht sich, dass die "Bestrebungen nach politischer, gesellschaftlicher und religiöser Freiheit, nach einem selbstbestimmten Leben und Demokratie fruchten".

Niema Movassat war zwölf Jahre Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag

Niema Movassat (Linke) war von 2009 bis 2021 Bundestagsabgeordneter.
Niema Movassat (Linke) war von 2009 bis 2021 Bundestagsabgeordneter.bild: Paul-Philipp Braun

Der Linken-Politiker Niema Movassat war zwölf Jahre Abgeordneter im Bundestag. Bis 2021 hat er seinen Wahlkreis im Ruhrgebiet vertreten – 2021 trat er nicht mehr an. Ein Großteil der erweiterten Verwandtschaft des 38-Jährigen lebt im Iran.

Kontakt kann er aus zwei Gründen kaum oder gar nicht halten: Wegen des gedrosselten Internets. Außerdem schränkt er seine Kommunikation selbst ein: "Ich gehe fest davon aus, dass das iranische Regime die Kommunikation ins Ausland überwacht", sagt er gegenüber watson.

"Wir brauchen mehr als die Sanktiönchen, die gerade verabschiedet wurden."

Täglich beschäftigt ihn die Lage: "Politisch ist es de facto das einzige Thema, was in meinem Kopf ist." Zu schrecklich und brutal sei das Vorgehen des Regimes. Movassat wolle sein Bestes tun, damit "die Stimme der Menschen im Iran Gehör findet und die hiesige Politik gezwungen wird, sich mit der Situation vor Ort zu befassen."

Bislang sei dies nicht genug geschehen – so sei es "eine Schande, dass etwa Kanzler Scholz sich bisher nur ein einziges Mal zur Situation im Iran geäußert hat." Die politischen Entscheidungen gingen nicht weit genug. "Wir brauchen mehr als die Sanktiönchen, die gerade verabschiedet wurden." Movassat fordert den Stopp der Atom-Verhandlungen.

An der Breite der Protestbewegung sieht er die Chance für Veränderungen. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete sagt: "Ich habe die Hoffnung, dass diese Massivität der Proteste am Ende zum Sturz der Mullahs führt und dass der Iran eine Chance auf ein demokratisches System bekommt."

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