Russlands Präsident Wladimir Putin beschränkt die freie Meinungsäußerung im Land seit Beginn des Ukraine-Kriegs zunehmend. Etwa durch die Kontrolle der sozialen Medien und die mitunter brutale Bestrafung derer, die sich öffentlich gegen die Regierung des Russland-Machthabers stellen.
Hierfür wurde auch in diesem Jahr ein aufsehenerregendes Exempel statuiert: mit Alexander Nawalny, dem wohl bekanntesten Putin-Gegner Russlands, der im Februar unter mysteriösen Umständen in einem russischen Straflager starb.
Es ist nur einer von vielen Fällen, bei denen Russland mit aller Härte gegen politische Gegner:innen vorging. Wer sich online offen gegen Putin oder den Ukraine-Krieg äußert, gerät schnell unter die Beobachtung der Kreml-Behörden.
Ohnehin ist das Internet im Land stark eingeschränkt und kontrolliert. "Westliche" Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook sind schon seit Längerem verboten. Stattdessen gibt es dort Plattformen wie "VKontakte" und "Odnoklassniki".
Nun haben Propagandisten eine neue Video-Hosting-Plattform namens "Platforma" eingeführt. Sie soll eine Alternative zu Youtube bieten.
Die neue Plattform stammt von der Firma Rteam, die zur Muttergesellschaft des Propagandasenders Russia Today (RT) gehört. Sie verspricht, eine Alternative zu Youtube zu sein – jedoch ohne "westliche Zensur" und "antirussische Rhetorik".
"Platforma" ahmt die Oberfläche von Youtube vollständig nach. Dies soll den User:innen den Übergang erleichtern. Es gibt Suchfunktionen, Playlists, Anzeigeverläufe und thematische Videokategorien. Ebenso wie bei Youtube können User:innen kurze vertikale Videos (Shorts) und Live-Übertragungen veröffentlichen.
Videos bis zu einer Auflösung von 4K können hier hochgeladen werden, jedoch sind die meisten Videos laut dem unabhängigen russischen Medium "Meduza" aktuell nur in 1080p oder niedriger verfügbar. Die Plattform lockt mit einem Vorteil: Monetarisierung ist möglich, und im Gegensatz zu Youtube nimmt sie keinen Prozentsatz der Einnahmen für sich selbst.
Allerdings bringt selbst die Monetarisierung nichts, wenn es nicht genügend Views gibt.
"Meduza" berichtet allerdings von nur wenigen Videos auf der Plattform. Und selbst diese haben demnach wenige Aufrufe. Zudem sei es aktuell schwierig, die Plattform über Suchmaschinen zu finden. Ein direkter Link sei kaum auffindbar.
Im Präsentationsvideo der neuen Plattform wird Youtube dafür kritisiert, Meinungsfreiheit nur selektiv zu gewähren: "Jeder glaubt, dass Youtube für freie Meinungsäußerung steht, aber diese Meinungsfreiheit gilt nicht für jeden", heißt es am Anfang des Videos.
Gezeigt werden in dem Clip Ausschnitte von Videos des ukrainischen Journalisten Dmitri Gordon und des Politikers Michail Chodorkowski, die offen Wladimir Putin kritisieren. Die Off-Stimme im Video behauptet, dass Youtube russische Staatsmedien und patriotische Blogger blockiere. Der neue russische Dienst soll diese "westliche Zensur" umgehen.
Die Entwickler betonen ein "klares Moderationssystem". Inhalte, die gegen russische Gesetze verstoßen oder antirussische Rhetorik enthalten, werden eingeschränkt. Das bedeutet auch: Videos mit Nacktheit, Schusswaffen oder LGBTQ-Inhalten sind verboten und werden automatisch überwacht.
Die Plattform nutzt zudem laut "Meduza" Spracherkennungstechnologie zur automatischen Untertitelung. Es ist jedoch unklar, was die Entwickler genau mit der Formulierung "alle sensiblen Themen werden sorgfältig moderiert" meinen.
Derzeit bestehen die Hauptinhalte auf der Plattform aus Unterhaltungsvideos, patriotischen und propagandistischen Inhalten. Einige Beispiele sind Videos wie "Vorteile der Präsidentschaft W. W. Putins" und "Super Song über Präsident Wladimir Putin".
Suchanfragen zu "Zelensky" (dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj) und "Nawalny" liefern irrelevante Ergebnisse. Suchanfragen zu "Krieg" und "Ukraine" zeigen hauptsächlich Propagandavideos. Teilweise kommen darin Schusswaffen vor, obwohl diese laut Plattformregeln verboten sind.
Expert:innen sind skeptisch, was den Erfolg der neuen Plattform angeht. Sergei Vilyanov vom Fintech Lab Accelerator betonte gegenüber der russischen Zeitung "Wedomosti", dass ein Mangel an interessanten Inhalten ein häufiges Problem bei solchen Projekten sei.
Ohne diese Inhalte werden laut ihm Blogger:innen nicht wechseln wollen. "Das Problem scheint durch den Kauf von Traffic und Inhalten gelöst zu werden, aber (...) das wird sehr lange dauern, mindestens ein paar Jahre", zitiert die Zeitung Vilyanov.
Sergei Polovnikov von "Content Review" ergänzt, dass enorme Investitionen in die Infrastruktur notwendig seien, um ein vollwertiges Youtube-Analogon zu schaffen. Es sei unklar, ob die Entwickler über solche Ressourcen verfügen.