Proteste gegen die Verhaftung des Oppositionellen Alexei Nawalny am vergangenen Wochenende in Sankt Petersburg. Bild: ap / Alexander Zemlianichenko
Russland
06.02.2021, 18:0806.02.2021, 18:09
Russische Einsatzkräfte gehen nach den
Massenprotesten gegen die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej
Nawalny weiter teils mit roher Gewalt gegen regierungskritische
Aktivisten vor. In St. Petersburg und in der Pazifik-Metropole
Wladiwostok gab es am Samstag mehrere Festnahmen und massenhafte
Hausdurchsuchungen, wie in mehreren unabhängigen Portalen im
Internetkanal Telegram zu lesen und auf Fotos und Videos zu sehen
war. Allein in St. Petersburg gab es 30 Einsätze, wie die Polizei
mitteilte.
Betroffen waren vor allem Unterstützer Nawalnys, darunter auch
bei der Organisation Offenes Russland (Otkrytaja Rossija) des im
Ausland lebenden Kremlkritikers Michail Chodorkowski. Der frühere
Ölmanager gehört zu den finanzstarken Gegnern des russischen
Präsidenten Wladimir Putin.
In St. Petersburg waren viele Straßen am Samstag über Stunden mit
Absperrgittern abgeriegelt. Die Lage ähnele einer Stadt im
Ausnahmezustand, die sich auf einen Überfall vorbereite, berichtete
das örtliche Nachrichtenportal fontanka.ru. Es standen Hunderte
Polizisten bereit. Der Grund für das ungewöhnliche starke
Sicherheitsaufgebot sei unklar, hieß es.
Nawalnys Organisation ruft zu Verzicht auf Proteste auf
Zwar hatte es zuletzt auch in Putins Heimatstadt St. Petersburg
Demonstrationen für die Freilassung Nawalnys gegeben. Das Team des
Oppositionellen hatte allerdings auch angesichts der mehr als 10.000
Festnahmen der vergangenen Tage und wegen überfüllter Gefängnisse
erklärt, vorerst auf Proteste zu verzichten. "Bleibt frei!", hatte
Nawalny bei Instagram mitteilen lassen.
Für Entsetzen sorgte der Fall eines stummen Mannes, der an
Protesten in St. Petersburg teilgenommen und Parolen geschrien haben
soll. Ein Gericht habe den Schwerbehinderten, der auch kaum hören
könne, nach seiner vorübergehenden Festnahme zu einer Geldstrafe
verurteilt, berichtete das Menschenrechtsportal Apologija Protesta.
Vielerorts beschlagnahmten die Beamten Technik und Mobiltelefone.
Anwälte kritisierten, dass sich die maskierten Einsatzkräfte teils
weder vorgestellt noch etwas zu den Vorwürfen gesagt hätten. In
Wladiwostok im äußersten Osten des Landes wurde der Journalist
Gennadi Schulga bei sich zuhause festgenommen – und vor einem
Fressnapf für Haustiere mit dem Kopf auf den Boden gedrückt. Die
Polizei veröffentlichte das Video ohne Zustimmung Schulgas – als
Abschreckung für Andersdenkende im Land, wie Kommentatoren
meinten.
(se/dpa)
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