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Russland: So rigoros geht Putin gegen krimtatarische Aktivisten auf der Krim vor

Krim, Gedenktag für die Opfer der Deportation der Krimtataren CRIMEA, RUSSIA MAY 16, 2022: A theatrical performance at the Path of Revival of the Peoples of Crimea memorial at the Siren rail station i ...
Am 16. Mai 2022 feierten Krimtatar:innen den Gedenktag für die Opfer der Deportation im Jahr 1944.Bild: imago images / TASS
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80 Jahre nach Stalin: Russland geht rigoros gegen Tataren auf der Krim vor

06.03.2024, 18:23
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Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim vor zehn Jahren hat das Leben aller Menschen auf der Halbinsel deutlich verändert. Besonders jenes der Krimtatar:innen. Schon seit mehreren Jahren sehen sie durch die Annexion ihre Kultur bedroht. Denn die Geschichte der auf der Krim lebenden turksprachige Ethnie hat eine dunkle Vergangenheit.

Bereits der ehemalige Ministerpräsident der Sowjetunion, Josef Stalin, hatte den Krimtatar:innen vorgeworfen, mit Nazis zu kollaborieren. Viele von ihnen wurden 1944 in Viehwaggons eingepfercht und nach Zentralasien verschleppt. Fast die Hälfte überlebte dies nicht. Wer sich weigerte, wurde sofort erschossen. Erst 1988 durften sie in ihre angestammte Heimat zurückkehren.

Eine beispiellose Vertreibung auf brutale Art und Weise.

Seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 ist die alte Angst wieder da. Mit dem neuerlichen Kriegsbeginn 2022 hat sich die Situation nochmals verschärft, 400.000 Menschen verließen die Halbinsel. Aktuell geht Russlands Machthaber Wladimir Putin erneut rigoros gegen Krimtatar:innen vor, durchsucht und enteignet Häuser und nimmt Personen fest. Eine lokale Menschenrechtsgruppe schlägt Alarm.

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Die Krim ist seit Beginn des neuerlichen Ukraine-Krieges immer wieder Kampfhandlungen ausgesetzt. Bild: Planet Labs PBC/AP / Uncredited

Russland-Geheimdienst nimmt auf der Krim Krimtataren fest

Eigentlich hatte Putin 2014 einen Erlass unterzeichnet, wonach die Krimtatar:innen rehabilitiert werden sollten, "um die historische Gerechtigkeit wiederherzustellen". Doch in Wahrheit stellten die Vereinten Nationen 2017 fest, dass sich die Menschenrechtslage für sie auf der Krim seit der Annexion signifikant verschlechtert hat.

Nach 2022 noch einmal mehr. Aktuell scheint sich die Lage weiter zuzuspitzen.

Laut einer örtlichen Menschenrechtsgruppe durchsuchte der russische Föderale Sicherheitsdienst (FSB) am Dienstag die Wohnungen fast eines Dutzend krimtatarischer Aktivisten und religiöser Persönlichkeiten auf der annektierten Krim. Bei den Durchsuchungen wurden mindestens zehn Personen festgenommen, wie die unabhängige "Moscow Times" berichtet. Unter den Festgenommenen befanden sich auch muslimische Geistliche aus dem nördlichen Dschankoi-Bezirk der Halbinsel sowie Mitglieder der Rechtsgruppe Crimean Solidarity in der südlichen Stadt Bachtschyssarai.

Der FSB soll auch den ehemaligen Imam Remzi Kurtnezirow festgenommen haben, der dauerhaft behindert ist. Das behauptet seine Tochter Emine Islyamova. In einem von Crimean Solidarity auf Facebook veröffentlichten Video sagt sie, dass bewaffnete Geheimdienst-Beamte bei den Durchsuchungen am Dienstag "extremistische" Bücher in ihrem Haus platziert hätten.

Anwälte sprechen von unrechtmäßigen Verhaftungen durch Russland

In der vergangenen Woche gab es eine weitere Welle von Massenverhaftungen, die das zweite Mal innerhalb weniger Tage stattfand und sich gegen krimtatarische Aktivist:innen sowie religiöse Persönlichkeiten auf der annektierten Halbinsel richtete.

Jewhenij Jaroschenko, ein Analyst der Menschenrechtsgruppe Crimea SOS, prognostiziert laut "Moscow Times", dass die von Moskau eingesetzten Behörden voraussichtlich Maßnahmen ergreifen werden. Das Ziel: Unabhängige islamische Führer zum Schweigen zu bringen. Dadurch soll der Weg für pro-russische Geistliche geebnet werden.

In einem Interview mit der RFE/RL-Tochtergesellschaft Krym.Realii äußerte Jaroschenko: "Unter anderem wurden [FSB]-Durchsuchungen durchgeführt aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Ernennung von Imamen." Weiter erklärte er: "Die russischen Besatzer bestehen darauf, dass Gebete ausschließlich von Imamen der von Moskau kontrollierten Geistlichen Verwaltung der Muslime der Krim geleitet werden." Dagegen möchten ihm zufolge Mitglieder der muslimischen Gemeinschaften ihre Gebete von einem selbstgewählten Imam führen lassen.

Die Anwälte der Festgenommenen äußerten sich gegenüber der unabhängigen ukrainischen Nachrichtenagentur "UNN": Ihnen zufolge werden ihre Mandanten unrechtmäßig festgehalten. Der Vorwurf: Organisation einer terroristischen Vereinigung und Beteiligung an der Tätigkeit einer solchen Organisation. Gemäß dem Anwalt Edem Semedlyayew sind die Inhaftierten mit dieser präventiven Maßnahme des "Gerichts" nicht einverstanden und planen daher, Berufung einzulegen.

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Krimtataren spielen eine Rolle im Ukraine-Krieg

Möglicherweise sind die Krimtataren Putin ein Dorn im Auge. Schließlich spielten sie bisher auch eine Rolle im Ukraine-Krieg. Ende 2023 etwa konnte die Ukraine wiederholt Teilerfolge gegen die russische Schwarzmeerflotte verbuchen. Ein wesentlicher Beitrag dazu könnte die Untergrundarbeit einer besonderen Gruppe geleistet haben: die der krimtatarischen Partisanen von "Atesch". Laut ihren eigenen Angaben betrieben sie Spionage, um herauszufinden, welche Kriegsschiffe im Krim-Hafen von Sewastopol anlegten, und veröffentlichten dann Fotos und Koordinaten.

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