Wie sehr die Menschen in Russland hinter der völkerrechtswidrigen Invasion in der Ukraine noch stehen und bisher standen, ist nicht unabhängig zu überprüfen. Fest steht: Ihr Präsident Wladimir Putin setzte von Beginn an auf starke Desinformationskampagnen.
Nach wie vor heißt es in Russland, es laufe eine militärische "Spezialoperation". Dass Russland sein Nachbarland überfallen hat und völkerrechtswidrig mordet, wird höchstens hinter vorgehaltener Hand diskutiert.
Zuletzt legte eine angeblich unabhängige Meinungsumfrage in Russland jedoch nahe, dass die Unterstützung für Putins Machenschaften in der Ukraine sinke.
Die Zahlen dazu liefert die russische Oppositions-Umfrageorganisation Chronicles. Demnach befürworten 40 Prozent der Befragten einen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine – ohne das Erreichen der russischen Kriegsziele.
Putin versucht mit allen Mitteln, gegen eine mögliche Kriegsmüdigkeit in Russland anzukämpfen und verbreiten unter anderem Falschinformationen über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. So wurde dieser beispielsweise im Juli in einer russischen viralen Desinformationsvideokampagne fälschlicherweise beschuldigt, ein Drogenproblem zu haben.
Putin hat offenbar einen neuen Verbündeten in Sachen Streuen von Falschinformationen: die fragwürdige Video-App Cameo. Mit ihrer Hilfe soll er amerikanische Promis ohne ihr Wissen für seine Zwecke missbrauchen.
"Hallo, Wolodymyr, Elijah hier", zitiert die "New York Times" aus einem Video des Schauspielers Elijah Wood. Es stammt dem Bericht nach von Cameo und macht den Anschein, als würde der Schauspieler Selenskyj ansprechen. Wood ist vor allem durch seine Rolle als Frodo Beutlin in "Herr der Ringe" bekannt. Er fordert den Präsidenten in dem Video auf, sich wegen Drogen- und Alkoholmissbrauchs in Behandlung zu begeben. "Ich hoffe, Sie können die Hilfe bekommen, die Sie brauchen", sagt Wood zum Schluss.
Auf Cameo können Nutzer:innen personalisierte Nachrichten berühmter Persönlichkeiten bestellen. Im Fall von Wood gibt es die ab 340 US-Dollar. Das Video soll echt sein. Es wurde jedoch in einem anderen Kontext – und laut "New York Times" wohl auf Russisch – vom Kreml für seine Desinformationskampagnen genutzt. Offenbar ohne Wissen des Schauspielers.
Am Donnerstag veröffentlichte der Microsoft Threat Analysis Center einen Bericht, der nahelegt, dass das Video von Wood und ähnliche dieser Videos in Russland auf Social Media seit Juli verbreitet werden. Sie seien dann zudem von kremlnahen Nachrichtenorganisationen veröffentlicht worden.
Neben Wood verwendete der Kreml laut der Recherche der "New York Times" offenbar auch Videos des Musikers und Produzenten Shavo Odadjian sowie der Schauspieler:innen John McGinley, Dean Norris, Priscilla Presley und Kate Flannery.
Zudem erscheint Mike Tyson, ehemaliger Boxer im Schwergewicht, in einem Video, das wohl von seiner eigenen Werbeseite auf Cameo stammt. Der Kreml hat das Video ohne die Stimme Tysons verwendet. Ein Off-Kommentar schlägt allerdings in dieselbe Kerbe wie die Videos der Schauspieler:innen.
Flannery beispielsweise, bekannt aus der US-amerikanischen TV-Serie "The Office", hält laut "New York Times" in der russischen Version des Videos herausfordernd eine Flasche Whisky in die Luft, bevor sie sagt: "Im Ernst, es wird wunderbar sein. Tun Sie es einfach."
Das war nur eine von vielen Desinformationskampagnen des Kremls in den vergangenen Wochen und Monaten. Sie sollen Unterstützung im eigenen Land bringen und im Ausland Widerstand. Forscher:innen von Microsoft konnten zwar die genaue Quelle der Videos nicht ermitteln. Expert:innen befinden jedoch, dass die Kampagne Ähnlichkeiten zu früheren russischen Desinformationskampagnen aufweist.
Microsoft schreibt in seinem Bericht, bezogen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew:
Die "New York Times" zitiert Cameo in einer Erklärung, dass solche Videos gegen die Community-Richtlinien des Unternehmens verstoßen würden:
Auf Anfragen der Zeitung reagierten die Prominenten aus den Videos angeblich nicht. Ein Sprecher von Elijah Wood soll gesagt haben, dass der Schauspieler die Nachricht zwar auf Cameo aufgezeichnet habe, diese jedoch "in keiner Weise an Selenskyj gerichtet oder überhaupt etwas mit Russland, der Ukraine oder dem Krieg zu tun" haben soll.