Griechenlands größtes Flüchtlingslager Moria war in der vergangenen Woche durch mehrere Brände fast vollständig zerstört worden. Rund 11.500 Menschen wurden obdachlos, darunter 4000 Kinder. Tausende ehemalige Lagerbewohner, darunter auch Schwangere und Familien mit kleinen Kindern, harren seitdem im Freien aus.
Die Bundesregierung hatte Anfang der Woche erklärt, weiteren 1553 Geflüchteten von den griechischen Inseln Schutz in Deutschland zu bieten. Von der Hilfsmaßnahme nach dem Großbrand im Lager Moria sollen insgesamt 408 Familien profitieren, die bereits von griechischen Behörden als schutzberechtigt anerkannt wurden. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete das Aufnahmeprogramm als "eigenständigen Beitrag" Deutschlands, der einer angestrebten europäischen Einigung vorausgehen solle.
Grüne und Linke hatten den Merkel-Seehofer-Vorstoß zur Aufnahme von 1500 weiteren Flüchtlingen als unzureichend kritisiert. Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sprach von einem "Alibi-Angebot". Sie verwies darauf, dass allein auf der griechischen Insel Lesbos "über 4000 Kinder mit ihren Familien unter menschenunwürdigen Bedingungen" lebten.
Denn während einige ihrer Kollegen aus dem politischen Berlin die Zustände in Moria nur aus der Ferne betrachten konnten, weiß Göring-Eckardt, wie schwer das Elend der geflüchteten Familien wirklich wiegt. Sie hatte sich vergangene Woche auf den Weg nach Griechenland gemacht, um die Lebensumstände der Menschen mit eigenen Augen zu sehen. Am Donnerstagabend teilte sie das Erlebte mit Markus Lanz und seinen Gästen im ZDF. Und sie stellte in der Talkrunde gleich zu Beginn klar:
Dazu ließen die "Lanz"-Macher erschreckende Aufnahmen einblenden, die die Grünen-Politikerin bei ihrem Besuch hatte anfertigen lassen. Sie zeigten hunderte Kinder und Jugendliche, die wortwörtlich dicht an dicht mit ihren Familien auf einer Asphaltstraße campierten.
"Das war hochdramatisch zu sehen", erklärte sie. Einige Geflüchtete hätten versucht, sich in den Olivenhain zurückzuziehen, um der brennenden Sonne zu entkommen, viele seien aber auf der Straße geblieben, da nur dort der Zugang zu Essen und Wasser gegeben wäre. Göring-Eckardt berichtete weiter: "Es waren viele Mütter, Väter zu sehen, die völlig erschöpft sind und sich nicht mehr wirklich um ihre Kinder kümmern können." Und weiter:
Bei ihrem Besuch sei die Politikerin auch auf Einheimische getroffen, die gegen den Wiederaufbau des Camps protestiert hätten. "Die sagen: 'Ihr lasst uns hier allein'", erklärte sie. Göring-Eckardt hätte aber Verständnis für jene Bewohner von Lesbos: "Man kann sich die Zahlen anschauen. Europa hatte 2017 angekündigt, 160.000 Menschen aufzunehmen, jetzt sind es, glaube ich, gerade 35.000. Da sieht man die Diskrepanz und auch das fehlende Vertrauen. Da habe ich echt Verständnis."
Am nächsten Tag sei sie noch in das abgebrannte Lager gefahren, das sie zuvor bereits einmal in seinem ursprünglichen Zustand besucht hatte. "Das ist schon damals nicht wirklich ein guter Ort gewesen", erinnerte sie sich. Das Erlebte hätte Göring-Eckardt "sehr umgetrieben", aber auch "angetrieben bei der Suche nach einer politischen Lösung".
Dazu merkte sie an, dass es nicht ausreichen würde, die griechische Regierung dazu zu drängen, ein "schönes Lager" zu bauen. Vielmehr müsste mit dem restlichen Europa gemeinsam Verantwortung getragen werden. Dazu würde auch gehören, Geflüchtete aufzunehmen, deren Asylverfahren in Griechenland noch nicht abgeschlossen ist: "Ich möchte, dass es auch da ein geordnetes Verfahren gibt."
Gastgeber Lanz übte indirekt aber auch Kritik an Göring-Eckardts Ansätzen. Denn sie hätte wiederum Angela Merkel und Horst Seehofer in einem Tweet zur Moria-Lage dazu aufgefordert, Menschlichkeit zu zeigen.
Lanz gefiel diese Aussage offensichtlich nicht. "Ich tue mich sehr schwer damit, ausgerechnet Menschen wie Frau Merkel und Herrn Seehofer, die ja nachweislich schon viel gemacht haben, fehlende Menschlichkeit zu unterstellen. Diesen Zugang verstehe ich nicht", sagte er zur Grünen-Politikerin.
Ihr Tweet sei noch weitergegangen, rechtfertigte sich die Grünen-Fraktionsvorsitzende, "da geht es auch um Ordnung." Und weiter: "Was wir aus 2015 und davor lernen sollten, ist, dass wir kein Chaos mehr zulassen sollten in Europa." Dazu gehöre eben auch, diese Menschen, die auf der Straße leben, aufzunehmen. So könne man zeigen: "Das ist europäisch."
Dazu sei aber eine "Koalition der Willigen" benötigt. Wäre Katrin Göring-Eckardt zum Zeitpunkt des Brandes selbst Innenministerin gewesen, hätte sie nicht stillgestanden. Dennoch sei sie bereits froh über die Geflüchteten, die mit Sicherheit von Deutschland aufgenommen werden.
(ab/mit Material von AFP)