Politik
TV

Markus Lanz geht Kevin Kühnert beim Thema Abschiebungen an: "Äh, Entschuldigung"

Markus Lanz hatte beim Thema Abschiebungen eine andere Meinung als Kevin Kühnert.
Markus Lanz hatte beim Thema Abschiebungen eine andere Meinung als Kevin Kühnert.
TV

Markus Lanz und Kevin Kühnert geraten beim Thema Abschiebungen aneinander: "Äh, entschuldigung"

04.12.2020, 11:10
Deana Mrkaja
Deana Mrkaja
Deana Mrkaja
Mehr «Politik»

Immer wieder verüben Mitglieder von kriminellen Großfamilien spektakuläre Verbrechen in Deutschland – wie beispielsweise den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden vor knapp einem Jahr. Immer wieder kommen diese Kriminellen mit einem blauen Auge davon. Warum das so ist, erklärt ein Clan-Experte am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". Daneben äußert auch SPD-Politiker Kevin Kühnert sich zum Thema islamistischer Terrorismus in Deutschland und greift dabei die Linke an. Beim Thema Abschiebungen von Straftätern war er jedoch mit Moderator Lanz äußerst uneins.

Zu Gast bei "Markus Lanz" am Donnerstagabend (v.l.n.r.): Kevin Kühnert, Dr. Jördis Frommhold, Florian Lanz und Claas Meyer-Heuer.
Zu Gast bei "Markus Lanz" am Donnerstagabend (v.l.n.r.): Kevin Kühnert, Dr. Jördis Frommhold, Florian Lanz und Claas Meyer-Heuer.ZDF/Screenshot

Claas Meyer-Heuer beobachtet die unterschiedlichen Clan-Milieus in Deutschland bereits seit sehr vielen Jahren als Journalist. Einige Mitglieder kennt er auch persönlich. Bei vielen Gerichtsterminen ist er dabei und weiß, warum sie häufig im Nichts enden. Seiner Meinung nach wurde bereits vor 20 Jahren die Chance vertan, aktiv etwas gegen die kriminellen Großfamilien zu unternehmen. So beschreibt er bei "Lanz", dass es bereits Anfang der 2000er Jahre eine Studie zum Thema gab, die von der Polizei selbst herausgegeben wurde, sich liest "wie eine Anklageschrift" und auch mögliche Maßnahmen gegen die Kriminalität enthielt. Doch: "Man wollte es politisch nicht sehen. Es passte nicht in den Zeitgeist", sagt der "Spiegel-TV"-Redakteur.

Stattdessen hatte sich die Politik seiner Aussage nach mit der Integration beschäftigt. Wenn diese nicht gelinge, läge es an den Maßnahmen, nicht an den Menschen, war der politische Konsens. Man wollte integrieren, nicht abschieben. Und so wurden die Parallelgesellschaften immer größer. Viele der Kriminellen heute seien bereits in dritter Generation in Deutschland geboren. Und dann erklärt der Experte, warum es insbesondere in Berlin ein Problem gibt.

"Das ist die Realität der Berliner Staatsanwaltschaft"

Meyer-Heuer beschreibt, wie Wissam Remmo – ein bekannter Verbrecher aus dem arabischen Clan-Milieu – bereits als 15-Jähriger mehrfach angeklagt war. Größtenteils wegen Diebstählen und räuberischen Diebstählen. Seitdem wurde er immer wieder angeklagt und nun auch mehrfach verurteilt. So soll sein Clan sowohl in Dresden als auch am spektakulären Münz-Raub im Berliner Bode-Museum beteiligt gewesen sein.

"Ein Staatsanwalt hat in Berlin im Schnitt 1200 Anklagen pro Jahr. Das sind fünf bis sechs Verfahren am Tag. Das schafft man nicht. Der muss in den Akten schauen, wie er Verfahren einstellen kann."
Class Meyer-Heuer

"Wie viele wurden bei Wissam eingestellt?", will Moderator Markus Lanz wissen. "Ich würde sagen, 50 Prozent der Fälle. Wobei ich nicht sagen kann, wie viele davon zu Recht eingestellt wurden, weil nichts nachgewiesen werden konnte", antwortet Meyer-Heuer. "Das ist die Realität einer Berliner Staatsanwaltschaft".

Der Clan-Experte weiß, wie die Realität Berliner Staatsanwälte aussieht.
Der Clan-Experte weiß, wie die Realität Berliner Staatsanwälte aussieht. ZDF/Screenshot

Bevor Wissam Remmo wegen des Münz-Diebstahls in Berlin verurteilt wurde, saß er bereits in Untersuchungshaft – wegen eines anderen Deliktes. Er war in der Nähe Erlangens in eine Fabrik eingebrochen, die Spreizwerkzeuge herstellt, die sonst eher von der Feuerwehr gebraucht werden. "Das perfekte Einbruchswerkzeug", nennt es Meyer-Heuer.

Wissam Remmo wurde jedoch vorher aus der U-Haft entlassen, da er seinen alten Vater pflegen muss. "Die Familie hat sieben Kinder", sagt der Experte dazu. "Das klingt wie ein schlechtes Drehbuch", wirft der anwesende SPD-Politiker Kevin Kühnert ein.

Claas Meyer-Heuer ist Reporter für "Spiegel-TV" und berichtet seit Jahren über die Clan-Szene in Deutschland.
Claas Meyer-Heuer ist Reporter für "Spiegel-TV" und berichtet seit Jahren über die Clan-Szene in Deutschland. ZDF/Screenshot

"Es wundert einen also nicht, dass diese Clans unseren Rechtsstaat nicht ernst nehmen", fasst der Journalist die Situation zusammen. Auf dem Weg von Berlin nach Erlangen sei der Täter sogar noch von der Polizei kontrolliert worden – samt Sturmhaube und Schraubenzieher im Auto, seinem Einbruchwerkzeug. Doch da das an sich nicht illegal ist, konnten sie ihn nicht aufhalten. Zudem würde bei Clans immer "das Recht des Stärkeren" gelten. So beschreibt der Spezialist, dass sich viele Beamte gar nicht trauten, sich gegen Clan-Mitglieder durchzusetzen.

In Berliner Stadtteil Buckow soll die Familie Remmo eine Villa besitzen, wo sie eine nicht genehmigte Gartenlaube gebaut haben sollen. Das zuständige Bezirksamt weiß das zwar, aber "traut sich nicht dagegen vorzugehen".

"Da merkt man, wir haben ein Problem in der Gesellschaft. Wenn sich Beamte nicht trauen einzugreifen, dann läuft etwas schief."
Claas Meyer-Heuer

"Wenn sie in der Mehrzahl sind, nehmen sie, was sie können. Sie nehmen sich das Recht des Stärkeren", betont der Reporter erneut. "Wenn in Berlin zwei Beamte über die Sonnenallee fahren in Neukölln, werden die nicht ernst genommen." Dann beschreibt Meyer-Heuer eine verstörende Szene: So soll Ordnungsbeamten in den Mund gespuckt worden sein, als diese versucht hatten, Falschparker aufzuschreiben.

"Wir müssen ihnen das Geld wegnehmen"

"Wie kriegen wir das in den Griff?", will Lanz am Ende wissen. "Da müssen wir ganzheitlich ansetzen. Wir müssen als Staat zeigen, dass wir dieses asoziale Verhalten nicht länger tolerieren." Meyer-Heuer spricht sich dafür aus, eine Vermögenssteuer einzuführen, damit man nicht mehr "Hartz IV bezieht und AMG fährt". "Wir müssen ihnen das Geld wegnehmen", schlägt Meyer-Heuer vor. Man müsse zeigen, dass Verbrechen sie nicht mehr lohne, dann würde die Kriminalität vielleicht irgendwann auch aufhören.

Beim Thema Vermögenssteuer spricht er auch die SPD und Kevin Kühnert direkt an. Dieser sitzt Kopf nickend da und scheint dem Experten zuzustimmen. Kühnert selbst hat sich nach den vergangenen islamistisch motivierten Anschlägen in Frankreich, Deutschland und Österreich deutlich positioniert. Im Gegensatz zu anderen Kräften aus dem politisch linken Spektrum, findet Markus Lanz.

Islamistisch motivierte Angriffe seien der blinde Fleck der Linken, äußert Moderator Markus Lanz und lobt Kühnert als einen der wenigen, der dazu Stellung bezog. "Wer ein linkes Weltbild vertritt, kann Gewalt als Mittel der Wahl nicht akzeptieren, das geht nicht", sagt der 31-Jährige. Er beschwert sich, dass bei rechtem Terror deutliche Worte von der Linken gebe, aber hierbei nichts Vergleichbares.

Er sei sich dennoch bewusst, dass die Linke den Rechten einen Nährboden für Hypothesen liefern würde, wenn sie sich klar dazu äußerten, weil sie dann von der Rechten politisch instrumentalisiert würden: "Jetzt sind die Linken auch für Grenzschließungen, für ein homogenes Land, wollen sich abschotten", könnte es heißen, sagt Kühnert. Für ihn liegt das Problem darin, dass nicht richtig mit den Begrifflichkeiten hantiert würde.

Lanz und Kühnert streiten beim Thema Abschiebungen

"Ich halte viele der Politiker als zu klug, als dass ich glaube, sie könnten die Dimension des Problems nicht verstehen", sagt Kühnert. Und wünscht sich, dass Islamismus als das verstanden wird, was er ist: "Die Abschaffung eines demokratischen Rechtsstaates zugunsten eines Gottesstaates". Islamisten, die Straftaten begehen, gehören für den SPD-Politiker "in den Knast".

Beim Thema Abschiebungen gerieten Markus Lanz und Kevin Kühnert jedoch aneinander. Lanz verwies auf das Vorgehen in Dänemark und Schweden, die sagten: "Wenn du kriminell bist und dich komplett daneben bist, dann schieben wir dich selbstverständlich auch in Teile von Syrien." Lanz wollte wissen: "Warum machen wir das nicht?"

Markus Lanz und Kevin Kühnert diskutierten miteinander.
Markus Lanz und Kevin Kühnert diskutierten miteinander.bild: screenshot zdf

Der Moderator führte das Beispiel des Syrers an, der in der Altstadt in Dresden jemanden getötet habe, "dessen Vergehen es war, schwul zu sein".

Lanz attackiert:

"Was hindert uns daran? Es ist das Auswärtige Amt. Es ist ihr Ressort, es ist ihr Minister, es ist Heiko Maas, der die Risikobewertung vornimmt."

Kühnert verwies auf die Rechtslage. "Ich will hinterfragen, welches Ziel wir verfolgen, wenn wir Leute aus dem Verkehr ziehen, egal ob wir sie in den Knast stecken oder nach Syrien abschieben", setzte Kühnert an. Lanz unterbrach ihn, erneut mit Fokus auf das Dresden-Beispiel: "Äh, Entschuldigung. Der ist schwer kriminell, kommt aus dem Knast und wenn der am selben Tag noch abgeschoben wird aus Syrien, dann lebt der arme Mann in Dresden noch. Das ist der Punkt. Das ist ganz einfach."

Kevin Kühnert hält Abschiebungen nicht für eine nachhaltige Lösung.
Kevin Kühnert hält Abschiebungen nicht für eine nachhaltige Lösung.ZDF/Screenshot

Kühnert ruft dazu auf, sich vom einzelnen Fall zu lösen und sich die Sachlage generell anzuschauen. Die Leute sollen ja nicht nur hierzulande keinen Anschlag verüben, sondern auch nicht in anderen Ländern, so seine Argumentation. Lanz überzeugt diese Argumentation gegen eine Abschiebung nicht: "Das ist eine Nebelkerze. Total. Wir müssen doch nicht Probleme lösen, die wir gar nicht haben."

Kühnert bleibt trotzdem dabei, dass Abschiebungen keine nachhaltige Lösung des Problems seien, weil er sich fragt, wer sich im entsprechenden Land um die Bestrafung kümmern solle. Er glaubt an eine langfristige Strategie, in deren Kern es darum geht, die Leute mit unterschiedlichen Maßnahmen vom Islamismus wegzubringen.

USA: Bidens impulsiver "Müll"-Ausrutscher könnte Trump in die Karten spielen

In wenigen Tagen wählen die USA. Auf den letzten Metern zur Zielgeraden rühren beide Kandidat:innen nochmal kräftig die Werbetrommeln für sich. Jedes Wort und jede Tat bleiben jetzt besonders bei den Wähler:innen hängen, wie die Entgleisungen bei Donald Trumps Kundgebung im Madison Square Garden Anfang der Woche.

Zur Story