Bei "Hart aber fair" zu Gast am Montagabend (v.l.n.r.): Hubertus Heil, Tanja Stolze, Dr. Eckart von Hirschhausen, Doris Unzeitig und Thomas Kemmerich. Mit Moderator Frank Plasberg. ard/screenshot
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Bei "Hart aber fair": Wer ärmer ist, stirbt meist früher
12.11.2019, 10:13
Deana Mrkaja
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Es sind erschreckende Erkenntnisse, die Moderator Frank Plasberg am vergangenen Montag in seiner Sendung "Hart aber fair" präsentiert: Je höher das Einkommen in Deutschland ist, desto höher ist auch die Lebenserwartung. Und das nicht zu knapp: Frauen, die besser verdienen, sollen nach Angaben in der Sendung im Schnitt bis zu 4,4 Jahre länger leben und Männer sogar 8,6 Jahre. Die soziale Ungleichheit scheint kaum woanders so deutlich erkennbar zu sein wie an dieser Stelle.
Dabei wird der langjährige Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Nürnberg, Dr. med. Fred Beier, zitiert:
"Es geht nicht darum, ob sich jemand einen Neuwagen leisten kann, sondern darum, wann der Leichenwagen vor der Tür steht."
Warum Männer die "Loser seien", will Plasberg von dem Arzt und TV-Moderator Dr. Eckart von Hirschhausen wissen: "Weil Männer sich verhalten wie Männer. Sie rauchen mehr, sie trinken mehr, sie haben riskantere Jobs. Und sie gehen weniger zur Früherkennungsvorsorge." Doch ohne weitere Umwege kommt von Hirschhausen auf einen weiteren wichtigen Punkt – die Bildung: "Was habe ich alles in der Schule gelernt, aber keine einzige Stunde über seelische Gesundheit."
Der Mediziner spricht sich für eine bessere frühkindliche Bildung aus. ard/screenshot
Nun soll der "Gerechtigkeitsminister", wie der Moderator Arbeitsminister Hubertus Heil nennt, auch zu Wort kommen und dabei die Frage beantworten, ob sich seine Partei und sein Ministeramt diesen "Schuh" der Ungerechtigkeit "anziehen müsse". "Ja, müssen wir", antwortet Heil nüchtern darauf. "Wir waren schon einmal weiter in Deutschland. Wir müssen viel reparieren, aber im Nachhinein. Wie beispielsweise mit der Grundrente. Das ist eine nachsorgende Sozialpolitik. Ich würde gerne vorsorgende Sozialpolitik machen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist."
Hubertus Heil will die "Chancen für ein selbstbestimmtes Leben" garantieren. ard/screenshot
Ungerechtigkeit endet nicht bei der Lebenserwartung
Nicht nur in Bezug auf die Lebenserwartung von Menschen, sondern auch wenn es um die Gesundheit im Allgemeinen geht, werden in der Sendung düstere Zahlen zum Vergleich aufgezeigt: So sollen Kinder aus bildungsfernen Haushalten zu 44 Prozent häufiger Verhaltensstörungen wie ADHS aufzeigen als Kinder, die aus einem Akademiker-Haushalt stammen. Auch die Wahrscheinlichkeit an Adipositas zu erkranken liegt bei Kindern aus ungebildeten Haushalten 2,5 Mal höher als bei gebildeten. Wenn es um Karies geht, sogar drei Mal höher.
Die Buchautorin Doris Unzeitig, die lange Jahre als Rektorin an einer Berliner Brennpunktschule tätig war, weiß, dass "die Kinder häufig das übernehmen, was sie von ihren Eltern vorgelebt bekommen."
Was sie sonst noch im Schulalltag erlebt hat?
Schokolade statt Pausenbrot und Parken vor dem Fernseher statt Vorlesen. Ihrer Meinung nach sei es deshalb wichtig, die "Eltern mit ins Boot zu holen". Dazu müssten "jedoch erst Maßnahmen geschaffen werden", prangert die gebürtige Österreicherin an.
Doris Unzeitig war einmal Rektorin an einer Berliner Brennpunktschule. ard/screenshot
"Bildung beginnt bereits im Mutterleib", kommentiert von Hirschhausen die Diskussion. Tausende Kinder jährlich würden bereits mit einem Alkohol- oder Nikotinmissbrauch geschädigten Gehirn auf die Welt kommen. Er macht sich des Weiteren für frühkindliche Bildung stark: "Jeden Euro, den wir in die frühkindliche Bildung stecken, kommt 25-fach gesellschaftlich zurück."
Der Arbeitsminister hakt hier ein und mahnt davor, "den Diskurs von oben herab" zu führen. Es gehe schließlich um Aufklärung und Verantwortung. Und er bringt einen konkreten Vorschlag: "Wie wäre es, wenn wir dafür sorgen, dass unsere Kitas nicht nur besser ausgestattet werden, sondern auch frühkindliche Bildung machen und ein Anlaufpunkt sind für Eltern? Unser Problem als Staat ist nämlich auch, wie die Hilfe bei den Eltern ankommt."
Doch was können Eltern nun bewirken, fragt Plasberg am Montagabend? Denn die Schulform soll laut einer in der Sendung genannten Statistik in Deutschland vererbt werden. So sollen lediglich 7 Prozent aller Gymnasialschüler aus einem Haushalt stammen, in dem beide Eltern kein Abitur haben.
Andreas Schleicher, der Initiator der PISA-Studie, der in der Sendung zitiert wird, kommt zu einer eindeutigen Einschätzung. Er glaubt, dass nicht die fähigen Kinder, sondern die mit bessergestellten Eltern, Zugang zur Bildung hätten. Zudem sagt er:
"Es gibt eine durchsetzungsstarke Gruppe, die Interesse an dem ungerechten System hat: die bürgerlichen Akademiker."
Heil möchte nicht nur mehr Chancengerechtigkeit und eine bessere Ausstattung der Kitas und Schulen, sondern auch faire Löhne für die Erzieher, um wieder mehr Menschen für diesen Beruf zu interessieren: "In klassischen Männerberufen wird in diesem Land mehr bezahlt als für soziale Dienstleistungsberufe. Das ist eine Frage von Wertschätzung."
Dazu hat auch der FDP-Landesvorsitzende in Thüringen, Thomas Kemmerich, eine eindeutige Meinung und greift den Arbeitsminister damit an: "Niedrigere Einkommen müssen entlastet werden. Wenn die schon beim Mindestlohn Steuern zahlen, läuft etwas schief."
So endet am Montagabend eine hitzige Diskussion über die Ungleichheit in Deutschland, bei der besonders die Verantwortung der Eltern thematisiert wurde.
Zum Schluss rührt schließlich noch Hubertus Heil mit einer Aussage über seine Mutter: "Meine verstorbene Mutter war alleinerziehend, voll berufstätig, verschuldet und hat trotzdem für eine gute Bildung für mich gesorgt. Das werde ich ihr nicht vergessen."
"Werd' ma nich pampich hia. Ick hab ja schon meene Blonden." September 1985. Ein Mann in Ostberlin hebt zwei Gläser hoch, damit der Tisch abgewischt werden kann.
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