Er ist nicht nur ehemaliger Bundesfinanzminister, sondern wollte 2013 auch Bundeskanzler werden, er verlor die Wahl aber. Peer Steinbrück (SPD) verabschiedete sich anschließend aus der Politik, doch ganz abgeschlossen hat er mit seiner alten Partei noch nicht. Am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" verriet der 73-Jährige, was er wirklich von der SPD und seinem Führungsduo hält – mit klaren Worten.
Peer Steinbrück kann derzeit nicht schlafen: "Ich schlafe nachts nicht, weil mich die SPD beschäftigt." "Dann schlafen Sie wohl schon sehr lange nicht?", hakt Moderator Markus Lanz provozierend nach. "Nein, ich leide unter Schlafentzug." Der ehemalige Spitzenpolitiker erkennt fünf Alarmzeichen, die der Partei Probleme bereiten, die sie jedoch nicht wahrzunehmen scheint.
Seiner Aussage nach halten nur acht Prozent der Wähler die Partei für zukunftsgewandt, nur 20 Prozent gingen davon aus, dass Themen wie die innere Sicherheit oder die Durchsetzung des Rechtsstaates bei der SPD richtig aufgehoben seien.
Beim Aufzählen der fünf Punkte reckt der Politiker seinen Mittelfinger in die Luft. Das erinnert an ein Cover des "SZ-Magazins" aus dem Jahr 2013, auf dem Steinbrück seinen Mittelfinger in die Kamera hielt und damit das ganze Land provozierte. "Vorsicht, das ist der falsche Finger", ermahnt ihn Lanz ironisch. Steinbrück überlegt, lacht und sagt: "Dieser Finger hat mich damals zwei Prozent gekostet."
Dann kommt Markus Lanz auf Thilo Sarrazin und seinen Ausschluss aus der SPD zu sprechen. Zwar habe dieser "nicht alle Sinne beisammen", jedoch sieht Steinbrück bei Sarrazin auch Themen angesprochen, die die SPD selbst hätte auch ansprechen sollen. Er nennt die in Deutschland existierende Paralleljustiz, Themen wie Zwangsheirat und Jugendkriminalität. "Ich hätte mich gefreut, wenn andere die Themen aufgegriffen hätten und nicht die eklige, dumpfbackige Rechte."
Der Moderator kommt zudem auf eine Rede des Politikers zu sprechen, die er bereits 2009 gegeben hatte. Darin redet er über die Integration als eines der wichtigsten Themen für die SPD, genauso wie auch den Fakt, sich um Globalisierungsverlierer kümmern zu müssen – alles Themen, die heute relevant sind. Warum er damit nicht punkten konnte, will Lanz wissen. "Ich habe einen Wahlkampf getrieben, der nicht zu mir passte." Was Steinbrück meint, sind nicht die von ihm angesprochenen Themen, sondern, dass er mehr versucht habe, der Partei zu gefallen als den Wählern.
"In der Politik gibt es die Sprache hinter der vorgehaltenen Hand. Dass man manchmal die Wahrheit nicht sagen darf, weil es irgendwelche Aktionäre oder so verschreckt", kommentiert der in Hamburg geborene Politiker.
Unzufrieden ist er nicht nur mit der SPD an sich, sondern insbesondere mit dem Führungsduo der Partei. "Wie finden Sie die Führungsetage?", fragt Lanz ungeniert. "Sind wir hier unter uns?" – "Ja". – "Sind Ihre Einschaltquoten wirklich so schlecht?", witzelt Steinbrück noch.
"Jeder muss einen Bonus bekommen, um sich einzuarbeiten. Wir reden von einer 100-Tages-Frist, Laber, Laber... Aber ich habe große Sorge." Er glaubt, dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sich nur in "Pirouetten" um die wichtigen Themen drehen, aber dass die SPD für die Zukunft und Themen wie die Digitalisierung oder die Probleme der Globalisierung nicht richtig aufgestellt sei.
"Ich habe Olaf Scholz gewählt", gibt der Ex-Bundesfinanzminister offen zu. Seine Traumkombination als Führungsduo der SPD seien entweder Stefan Weil und Franziska Giffey oder Olaf Scholz und Giffey gewesen. "Die hätten Flughöhe gehabt", sagt Steinbrück. In der jetzigen Verfassung der SPD erkenne er "keine Zukunftskompetenz". Ein härteres Urteil kann man wohl kaum fällen.
Für den Ex-Vize der SPD gibt es nur "Doppelbotschaften": "Wie bleiben wir an der Digitalisierung dran, aber vermitteln den Bürgern auch, dass ihre Jobs nicht von Maschinen übernommen werden? Die Globalisierung ist irreversibel, aber wie verbreiten wir dennoch Sicherheit?" Ein wichtiges Thema bleibt für Steinbrück die Integration: "Ja, wir sind ein Einwanderungsland. Aber wir setzen die Regeln dieses Landes auch bei den Menschen durch, die hier herkommen."
Am Ende sagt er noch, dass jeder Bürger, egal, welche Partei er wählt, dennoch Interesse an einer starken Sozialdemokratie haben sollte.