Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitales und möchte bei "Markus Lanz" nicht über Geld sprechen. ZDF/Screenshot
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Markus Lanz drängt Dorothee Bär in die Ecke: "Sie haben Angst!"
02.12.2020, 11:5302.12.2020, 12:25
Deana Mrkaja
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Dass man die eigenen Worte mit Bedacht wählen sollte, hat die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), am Dienstagabend bei "Markus Lanz" zu spüren bekommen. Als sie etwas Unüberlegtes äußert, wird es vom Moderator mehrfach gegen sie verwendet. Und auch der Internet-Experte Sascha Lobo steigt mit ein. Zudem äußert sich der ärztliche Direktor der Uniklinik Essen zur aktuellen Corona-Lage in seinem Krankenhaus und erklärt emotional, weshalb viele seiner Mitarbeiter die Lage als "sehr schlimm" empfinden.
Zunächst ist jemand ins Studio geschaltet, der es in den vergangenen Tagen geschafft hat, sich auch im chinesischen Staatsfernsehen einen Namen zu machen: Alexander Kekulé. In der vergangenen Woche erklärte er bei "Markus Lanz", dass der eigentliche Ausbruch des Covid-19-Viruses zwar in China stattgefunden habe, dass die weltweite Pandemie sich jedoch durch das mutierte Virus, die sogenannte G-Variante, aus Nord-Italien heraus entwickelt habe.
Zu Gast bei "Markus Lanz" (v.l.n.r.): Dorothee Bär, Sascha Lobo, Alexander Kekulé und Prof. Jochen A. Werner.ZDF/Screenshot
"Das ist eigentlich trivial. Das wissen wir bereits seit Juli. Es gibt mindestens fünf Publikationen, die das bereits bewiesen haben."
Den Mediziner überrascht eher, dass die "Chinesen auch 'Markus Lanz' schauen". Denn in Blutproben von September 2019 konnten bereits bei Untersuchungen Corona-Antikörper in Nord-Italien festgestellt werden, sagt Kekulé. Ebenso im Abwasser in Paris. Zwar sei es richtig, dass einzelne Fälle aus China nach Europa transportiert wurden, jedoch sei der Ausbruch des Virus durch die mutierte Variante in der Lombardei zustande gekommen. Wuhan sei eher eine Art "Superspreader-Event" gewesen.
Diese Aussagen riss das chinesische Staatsfernsehen aus dem Zusammenhang und sendete sie. So verbreiteten sie das Bild, die Chinesen hätten mit dem Ausbruch nichts zu tun.
Das chinesische Staatsfernsehen zitiert Alexander Kekulé und reißt seine Aussagen aus dem Zusammenhang, um die eigenen Positionen zu untermauern. ZDF/Screenshot
"Herr Prof. Kekulé, ich frage Sie erneut: Sie bekommen kein Geld von den Chinesen, haben keine Aktien dort oder ähnliches?", will Lanz von ihm wissen. "Bitteschön, nein, auf keinen Fall!" Seiner Meinung nach wüssten auch seine Kollegen Bescheid über die genannten Publikationen und er berufe sich nur auf Daten, die erhoben wurden und auf die Wissenschaft.
"Sie haben so Angst" - Dorothee Bär wird von Markus Lanz in die Ecke gedrängt
Moderator Markus Lanz möchte anschließend von der Staatsministerin für Digitales wissen, warum die Corona-WarnApp so schlecht funktioniere. Ruhig und bedacht antwortet die 42-Jährige, dass die App sehr wohl bei ihr funktioniere und diese ein lernendes System sei. Sie wisse zwar, dass die Software verbessert werden könnte, aber sie spricht auch die strengen Datenschutzgesetze in Deutschland an. Wären diese Gesetze angegangen worden zugunsten der App, hätten bereits Artikel in den Schubladen gelegen, die den Staat als Überwachungsstaat deklarierten, äußert sich Bär. Und da wird Lanz hellhörig.
"Woher wissen Sie das, dass die schon in den Schubladen waren?" "Weil ich das weiß. Ganz ehrlich, der Chaos Computer Club und Transparency International haben gleich zu Beginn der Diskussionen deutliche Signale gegeben, dass sie gegen die zentrale Speicherung der Daten sind, wie wir es eigentlich vorhatten." Seit dem Launch der App würde stetig an der Verbesserung der App gearbeitet werden, jedoch gäbe es in Deutschland eine bestimmte Kultur beim Thema Datenschutz.
Doch Lanz will nicht locker lassen: "Ich muss nochmal fragen, woher wissen Sie das mit den Artikeln?" "Man wird doch im Vorfeld damit konfrontiert", erklärt die Staatsministerin. "Jetzt wollen Sie sich darauf anhängen, ist gut", ergänzt sie leicht genervt. "Wir reden über journalistische Standards", sagt der Moderator nachhakend. "Sie legen mir das jetzt in den Mund", antwortet Bär. Sie versucht erneut zu erklären, dass man sich am Ende auch gegen die Meinung der Wissenschaftler für die heutige Variante entschieden hätte, um gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen.
Dorothee Bär wird von Markus Lanz in die Enge gedrängt. ZDF/Screenshot
"Hier entsteht ein ungutes Gefühl wegen der Überzeugungen, die Sie hatten", versucht Lanz Bär in die Ecke zu drängen. "Man kann das jetzt bewusst falsch verstehen", sagt die Mutter einer Tochter darauf. Dann springt dem Moderator jedoch auch der Autor und Internet-Experte Sascha Lobo zur Seite und sagt, er würde es auch "auf die gleiche Weise falsch verstehen".
Und er geht noch einen Schritt weiter: Nicht die Bundesregierung hätte hierbei Entscheidungen getroffen, sondern Google und Apple, deren Betriebssysteme man nutzen musste. Bei einer zentralen Speicherung der Daten wären die nicht mit an Bord und somit eine App gar nicht möglich gewesen.
Das sei nur eine These, antwortet die Staatsministerin darauf, jedoch kann sie Lobo damit nicht überzeugen. Er sagt, die Bundesregierung habe nicht den Druck ausgeübt, den sie hätte ausüben können. Zudem kritisiert der 45-Jährige stark, dass die App seit dem Launch überhaupt nicht weiterentwickelt worden sei: "Das geht bei Digitalprojekten einfach nicht!"
Sascha Lobo kritisiert die Corona-App der Bundesregierung. ZDF/Screenshot
Am Ende nehmen jedoch sowohl Lobo als auch Lanz die junge Politikerin aus der Schusslinie und betonen, dass sie als Staatsministerin nur wenig zu sagen habe. Ob sie denn einen eigenen Etat habe, will der Moderator von ihr wissen. "Ich habe mir was erkämpft", sagt Bär. "Wie viel?" "Im Millionenbereich." "Wie viel genau?" "Zu wenig. Mehr werden Sie auch nicht herausbekommen", sagt Bär. "Das ist ein ganz interessanter Fall", analysiert Lobo. "Dass sich eine Ministerin nicht traut zu sagen, wie viel es ist, weil es zu wenig ist."
Als Staatsministerin befinde sie sich sowieso im "Nicht-Schwimmerbecken der Politiker", kritisiert Lobo den Posten, da sie zu wenig Handlungsspielraum habe. Als die Runde darüber diskutiert, warum die Digitalisierung in Deutschland immer noch so schleppend vorangeht, spricht Lobo von einer "Virtualitätsfeindlichkeit" der Deutschen. Auch Bär spricht sich dafür aus, dass ein Umdenken in den Köpfen stattfinden müsse. Sie greift auch das Beispiel des Bargeldes auf und sagt, dass wir uns als eines der wenigen Länder daran klammerten und nicht mit Karte bezahlen wollten. Aber wenn sie das kritisiere, stünde der nächste Shitstorm bereits in den Startlöchern.
Genau da greift Lanz wieder an: "Sie haben Angst. Sie haben Angst, Frau Bär! Jetzt haben Sie Angst vor dem nächsten Shitstorm". "Ich habe keine Angst". "Sie haben so Angst", entgegnet Lanz erneut. Auch wenn sich die Streithähne am Ende darüber nicht einige werden, sind sich es sich jedoch darüber, dass in Deutschland in Bezug auf die Digitalisierung noch einiges getan werden müsse. Die fehlende Digitalität kritisiert auch Jochen Werner – doch noch mehr macht ihm ein anderes Thema zu schaffen.
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"Was ich erlebe, ist, dass meine Mitarbeiter angespannt sind", sagt der Mediziner. Von vergangenem Freitag bis heute seien im größten Krankenhaus des Ruhrgebietes allein 17 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung verstorben.
"Es geht kein Tag vorbei, wo hier nicht jemand in einem schwarzen Leichensack raustransportiert wird. Da spürt man, was für eine Belastung das ist."
Prof. Jochen Werner
Und am stärksten plagt ihn eine Sorge: der Pflegenotstand. "Wir haben alles getan. Wir sprechen seit so vielen Jahren über den Pflegenotstand". Der Arzt hatte vor allem mit vielen Mitarbeitern aus dem Ausland gerechnet. Aufgrund der Grenzschließungen durch Corona seien viele Verträge nicht zustande gekommen. Jeden Tage gäbe es auch beim Personal drei Neinfektionen und somit Wegbrüche bei den Mitarbeitern.
Prof. Jochen Werner prangert den Pflegenotstand in Deutschland an. ZDF/Screenshot
Die, die schon belastet seien, würden noch stärker belastet und würden daher eher krank werden, erklärt der Medizinmanager. "In welcher Situation sind wird? Halbschlimm oder schlimm?", will Lanz wissen. "Wir sind in einer Phase zwischen halbschlimm und schlimm. Aber die Mitarbeiter, die an der Front sind, die würden sagen, es ist sehr schlimm", fasst Werner die Situation zusammen. Er spricht sich nicht nur für mehr Personal aus, sondern vor allem auch für die Digitalisierung der Pflege, weil zu viel Zeit mit der sperrigen Dokumentation verloren ginge.
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