Katja Kipping war zu Gast bei Markus Lanz.Bild: screenshot zdf
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24.09.2020, 08:2424.09.2020, 10:59
Am Mittwochabend hatte Markus Lanz mit Ex-US-Sicherheitsberater John Bolton, Linken-Chefin Katja Kipping, dem Journalisten und ehemaligen Regierungssprecher Georg Streiter sowie den Brüdern Reinhold und Hubert Messner eine bunte Mischung an Gästen in seine Sendung geladen. Dennoch stand zunächst Donald Trumps Politik im Zentrum der Debatte, ehe Lanz die Linken-Politikerin in die Mangel nahm.
John Bolton trat im April 2018 als nationaler Sicherheitsberater in die Trump-Regierung ein und geriet immer wieder mit Trump aneinander, weil er versuchte, den politischen Kurs der USA zu verändern. Nach nur 17 Monaten im Amt schied Bolton dann aus der Regierung aus. Nun veröffentlichte er ein Enthüllungsbuch über seine Zeit im Weißen Haus, mit dem er die Wiederwahl Trumps verhindern will. Direkt zu Beginn der Sendung machte Bolton klar:
"Ich denke nicht, dass Trump irgendeine Philosophie hat. Er hat keine große übergreifende Strategie, keine politische Strategie. Er ist kein Konservativer, wie wir den Terminus verstehen. Er ist auch kein Liberaler. Er ist einfach nur Trump."
Bolton in Sorge über mögliche Trump-Wiederwahl
Man müsse sich Sorgen darüber machen, dass in den USA ein Präsident regiere, der "keine Leitlinien hat". Und er denke auch, "dass er nicht seine Verantwortung ordentlich einschätzen kann." Bolton sagt, Trump befasse sich nicht im gebotenen Maße mit den Schwierigkeiten, die vor ihm liegen und würde auch die Konsequenzen seines Handelns nicht durchdenken. Gerade im Bereich der nationalen Sicherheit hätte er seine Entscheidungen immer wieder nicht auf politischen Grundlagen, sondern hinsichtlich seiner Wiederwahl getroffen. Er ist aber zuversichtlich, dass sich die USA von vier Jahren Trump-Regierung erholen können. Sorge hätte er allerdings, was passieren würde, wenn es doch zur Wiederwahl käme.
Ex-US-Sicherheitsberater John Bolton schrieb ein Enthüllungsbuch über seine Zeit im Weißen Haus.Bild: screenshot zdf
Lanz wollte daraufhin wissen, wieso er so lange mit den Warnungen gewartet hätte. "Als ich mein Amt antrat, wusste ich schon, dass Trump kritisiert wurde und auch ich wurde für vielerlei Dinge kritisiert, aber ich wurde nicht dafür kritisiert, naiv zu sein. Ich hatte meine Augen weit offen, als ich antrat.", so Bolton. Er habe gedacht, dass die Verantwortung als Präsident Auswirkungen auf Trump hätte, "aber ich hatte Unrecht."
Trump war Bolton nach dem Ausscheiden aus der Regierung auch immer wieder öffentlich hart angegangen, hatte ihn als Lügner, als Kriminellen bezeichnet, der ins Gefängnis gehöre. Was er bei solchen Worten fühle, hakte Lanz nach. "Der Präsident hat das über viele Leute gesagt. Das ist sehr bedauernswert, das ist nicht sehr erwachsen und das beschädigt die Würde des Amtes. Ich muss darauf nicht antworten", erklärte der Diplomat lediglich und berichtete weiter: "Trump ist bauchgesteuert. Er hört nur auf seinen Bauch." Von politischen Gedanken habe er sich selten leiten lassen. "Und ich denke, dass das im Endeffekt sehr gefährlich sein kann. Selbst wenn man mit den Inhalten übereinstimmt, beruht das nicht auf gut durchdachten Plänen", machte Bolton in der Sendung deutlich.
Trump ist ein Bauchmensch, Merkel ein Kopfmensch
Lanz hakte auch zu Trumps Verhältnis zu Angela Merkel und Theresa May nach, denn das wurde schon in der Vergangenheit als problematisch beschrieben. Bolton konnte das nur bestätigen. Auch Georg Streiter bekräftigte diesen Eindruck, nachdem sich Lanz von dem aus den USA per Video zugeschalteten John Bolton verabschiedet hatte. Seiner Meinung nach habe das eben damit zu tun, dass Trump ein Bauchmensch, die Bundeskanzlerin aber ein Kopfmensch sei. Aber er sagt auch, man müsse immer im Kopf haben, dass es sich bei Bolton ebenfalls um einen Hardliner handele. "Wenn der jetzt Präsident geworden wäre, den würden wir auf eine andere Weise genauso schrecklich finden. Das ist ein bisschen die Ironie an der Geschichte", sagte er.
Journalist Georg Streiter ist auch ehemaliger Regierungssprecher.Bild: screenshot zdf
Katja Kipping mischt sich ein
Auch Katja Kipping schaltet sich ein und stimmte zu: "Finde ich auch. Bei aller Freude, dass man auch mal aus Interna so Kritik an Trump bekommt", sagte sie und erinnerte an Boltons Zeit als US-Gesandter in der Uno, die ebenfalls in ihren Augen kein gutes Licht auf ihn werfe. Er stünde auch für Isolationismus und Nationalismus.
Putin oder Trump, fragt Markus Lanz Katja Kipping
Für Lanz ein willkommener Einwurf. Er hakte direkt bei Kipping nach, wem sie mehr vertraue: Putin oder Trump. Die Politikerin ließ sich zu keiner unbedachten Äußerung hinreißen und erklärte: "Keinem von beiden. Und ich glaube, wenn ich in einem der beiden Ländern leben würde, dann würde ich gegen jeweils deren Politik demonstrieren gehen." Lanz fragte daraufhin nach, ob sie Russland vertraue, aber sie sagte nur, man könne keinem Land vertrauen. Sie habe in beiden Ländern gelebt und jeweils großartige Menschen getroffen, "aber meine Begeisterung für beide Länder galt eher der Kultur, der Literatur, als denjenigen politischen Akteuren", erklärte Kipping weiter.
Für den Moderator eine erneute Steilvorlage. Er nutzt die Gelegenheit und fragte nach dem vergifteten Kreml-Kritiker Nawalny und ob sie der russischen Version glauben würde. Kipping positionierte sich klar:
"Ich beteilige mich nicht an Spekulationen daran. Ich finde auch, dass uns das nicht voranbringt, wenn jeder da sein eigenes Erklärungsmuster strickt. Da gibt es ja von verschiedenen Seiten alles Mögliche."
Lanz nimmt Kipping bei Nawalny in die Mangel
Da fiel Lanz ihr sehr bestimmt ins Wort: "Eigentlich nicht!" Kipping sah das allerdings anders und erklärte, dass Spekulationen uns nicht weiterbringen würden, es bräuchte stattdessen eine unabhängige Kommission für die Ermittlung der Umstände. Und sie machte ganz deutlich: "Ich bin gegen eine Vorverurteilung von Russland und ich sage auch, Russland steht in einer besonderen Pflicht, hier die internationale Zusammenarbeit zu suchen und zu einer Aufklärung beizutragen."
Doch für Lanz war das Thema noch nicht abgehakt, er nahm Kipping weiter in die Mangel: "Dann frage ich anders: Wie finden Sie es, dass die Spekulationen, die zirkulieren, vornehmlich aus ihrer Partei kommen?" Aber auch hierbei geriet Kipping nicht aus der Fassung und erklärte, die Meinung der Fraktions- und Parteispitze der Linken sei da klar. Sie distanzierte sich aber auch von den Aussagen von Gregor Gysi, der als gefühlte Parteispitze, wie Lanz es nannte, eine andere Meinung vertritt. Sie und die Spitze würden es so nicht formulieren, machte sie klar.
Markus Lanz nahm Kipping in die Mangel.Bild: screenshot zdf
Kipping kontert Lanz und wird persönlich
Katja Kipping plädierte noch einmal bei der Aufklärungsarbeit für eine unabhängige Kommission.
Lanz, der bekannt für seine sehr hartnäckige Art des Nachfragens ist, warf darauf frech ein, ob wir uns dümmer stellen sollten, als wir sind. Aber Kipping konterte und wurde dabei persönlich:
"Meinen Sie, dass Ihr kluges Bauchgefühl entscheidender ist und einem hohen rechtsstaatlichen Standard entspricht?"
Kipping zu Lanz
Was ein hoher rechtsstaatlicher Standard in Russland sei, wollte Lanz daraufhin wissen. Aber die Linken-Chefin verdeutlichte, dass sie sich auf internationale Institutionen beziehe. "Wenn es ein Mordanschlag war, muss er aufgeklärt werden", sagte sie klar und sie räumte ein: "Viele Indizien sprechen für Russland", aber eine Indizienlage sei nicht das gleiche wie eine Beweisführung. "Da braucht es eine eindeutige Aufklärung. Dann kann man auch über Sanktionen reden, wenn ermittelt wurde, wer die Verantwortlichen sind", erklärte sie.
Streiter schießt gegen Linke
Lanz spielte daraufhin noch einmal die Aussage Gregor Gysis aus einem Interview mit "MDR Aktuell" ein, in dem er betonte, dass der Täter noch unbekannt sei. "Es kann ja auch sein, dass es zum Beispiel ein Gegner der Erdgasleitung von Russland nach Deutschland ist." Daraufhin konnte Streiter der Unterhaltung nicht mehr still folgen. Er warf ein:
"Es tut mir leid. Ich muss jetzt doch ein bisschen unhöflich werden."
Er fände das, was Katja Kipping sagt, zwar nicht ganz so schlimm wie das, was Gysi gesagt hat, aber er ist sich sicher, dass sich die Linken ganz anders äußern würden, wenn die Amerikaner einen Amerikaner umgebracht hätten. Bei Gysi sei das "richtig alte sowjetische Taktik", erklärte er.
Es gebe, wie Streiter weiter sagte, wenige Menschen, die 24 Stunden am Tag so kontrolliert wurden wie Nawalny. Da hätte Russland was auffallen müssen, meinte er. Dann zu behaupten, er hätte das Gift auf dem Flug nach Deutschland oder in der Charité bekommen, sei "alles Bullshit". "Das ist eine gezielte Verwirrungstaktik", warf der Journalist ein. Er verstehe nicht, warum man da den Russen nicht wehtun wolle und vermutete dahinter alte romantische Gefühle.
Er selbst sei zu einer Zeit und in einem Land aufgewachsen, wo die Amerikaner die Guten waren, in Kippings Jugend hingegen seien die Russen die Guten gewesen, fasste er zusammen. Diesen Blick auf ihre Jugend nahm Kipping dem Journalisten krumm. Sie warf ein:
"Ich find's immer interessant, wenn Leute, die nicht da gelebt haben, wo ich gelebt habe, mir meine Jugend erklären. Ich glaube, dass das nicht der innerdeutschen Einheit dient."
Nord Stream 2 darf nicht mit Nawalny-Aufklärung vermischt werden
Zwar betonte Streiter, er habe das sehr versöhnlich gemeint, doch Kipping rechtfertigte sich weiter. Sie sei als Feministin und als jemand, der sich mit Feministinnen und Umweltschützern aus Russland getroffen habe, frei von "irgendeinem romantischen Blick auf dieses Regime unter Putin. Das ist überhaupt nicht mein Ansatzpunkt". Sie fände nur, dass man auch in schmerzhaften Auseinandersetzungen mit ostdeutscher Geschichte "an rechtsstaatlichen Grundsätzen festhalten muss, auch wenn sie unbequem sind".
Sie betonte, für sie wäre es auch einfach, sich hinzusetzen und zu sagen, ihr Bauchgefühl sage, der Putin war das, "aber ersetzt mein Bauchgefühl und ihr und ihr Bauchgefühl jetzt eine Instanz?", fragte sie an Streiter und Lanz gerichtet. Deshalb fände sie die Spekulationen falsch, egal von wem sie kämen. Und auch Nord Stream 2 und Nawalny zu vermischen, sei in ihren Augen nicht richtig. Moderator Lanz grätschte sofort dazwischen und beharrte darauf, dass Gysi aber genau das getan hätte. Kipping stritt das allerdings immer wieder ab. Aus ökologischer Sicht könne man ihrer Meinung nach über einen Stopp von Nord Stream 2 sprechen, aber den Stopp "eines unliebsamen Energieprojektes" mit der Aufklärung eines Mordversuchs zu verbinden, halte sie für unsauber.
(jei)