Digital Epidemiologe Prof. Dirk Brockmann hält Kontakteinschränkungen für viel wirksamer als die Beschränkung von Mobilität.ZDF/Screenshot
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"Markus Lanz": Epidemiologe erklärt, warum nur eine Maßnahme jetzt wirklich hilft
18.10.2020, 16:06
Deana Mrkaja
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Wenngleich die Infektionszahlen mit dem Corona-Virus im Vergleich zu den europäischen Nachbarn in Deutschland noch im Rahmen sind, ist das Land mittlerweile in einer zweiten Virus-Welle angelangt. Die Ministerpräsidenten haben sich auf neue Maßnahmen geeinigt - doch ein Epidemiologe bei "Markus Lanz" erklärt, warum er lieber auf Kontakt- statt auf Mobilitätseinschränkungen setzen würde.
Live an diesem Abend bei "Markus Lanz" ist auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zugeschaltet. Er sei nicht "genervt" von der langen Pressekonferenz, in der die neuen Corona-Maßnahmen vorgestellt wurden, sondern nicht zufrieden mit ihnen. Seiner Meinung nach gingen diese nicht weit genug. Er hätte sich noch strengere Regeln gewünscht. Ob die Politik machtlos sei, fragt Moderator Markus Lanz nach. Nein, antwortet Söder, schließlich gebe sie die Leitplanken und Rahmen vor.
"Corona stellt uns nicht mehr vor ein Rätsel. Man kann Corona trotzen. Es ist kein Krieg. Es ist eine Nervensache, eine Geduldsache und man braucht einen langen Atem."
Markus Söder (l.) ist an diesem Abend live zugeschaltet.ZDF/Screenshot
Der bayerische Ministerpräsident ist der Meinung, dass der Bevölkerung gegenüber die Regeln "einfach, verständlich und nachvollziehbar" kommuniziert werden müssen. Einen zweiten Lockdown sieht er nicht, sagt er zunächst, um dann jedoch zu sagen, dass durch die nicht ausreichenden Maßnahmen und der Geschwindigkeit, mit der sich das Virus ausbreite, man schneller bei einem zweiten Lockdown ankommen könnte, als man gerade glaube.
Epidemiologe: Mobilitätsbeschränkungen bringen wenig
Obwohl zunächst an dem sogenannten Beherbergungsverbot festgehalten wurde, droht es auch dort durch die zuständigen Gerichte gekippt zu werden - dass er das erwarte, gibt der CSU-Politiker in der Sendung bereits zu. Trotzdem betont er, dass ihm die beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichend seien. Im Gegensatz zu Prof. Dirk Brockmann, dem Digital-Epidemiologen vom RKI.
Prof. Dirk Brockmann hält nicht viel davon, die Mobilität von Menschen einzuschränken. ZDF/Screnshot
Zwei Sachen spielen bei den Neuinfektionen eine Rolle, sagt der Experte. Einerseits ginge es um die Mobilität. Solange sich das Virus in einem bestimmten Ort aufhalte, sei es sinnvoll, dort Mobilitätsbeschränkungen einzuführen - so wie zu Beginn im chinesischen Wuhan. "Das kann eine Ausbreitung des Virus verlangsamen", sagt der Mitarbeiter vom RKI. Doch wenn das Virus bereits überall sei, wie es nun der Fall ist, gäbe es bisher keine Studie, die zeigt, dass Mobilitätseinschränkungen die Ausbreitung maßgeblich beeinflussen. "Es bringt nicht gar nichts, aber sehr wenig", sagt Prof. Brockmann.
Epidemiologe erklärt: Die wichtigste Maßnahme ist jetzt schlicht, Kontakte zu reduzieren
Dann wird er noch deutlicher: Im Vergleich zu Kontaktbeschränkungen sei der Effekt sogar "vernachlässigbar". Er spricht davon, dass die Gruppengröße maßgeblichen Einfluss darauf habe, wir stark sich das Virus verbreitet.
Und daher gibt es im Grunde aktuell nur eine Maßnahme, die das Virus wirklich eindämmen kann: Wir müssen unsere Kontakte reduzieren. Der Epidemiologe erklärt: Wer die Gruppengröße halbiere, senke die mutmaßliche Menge an Menschen, die sich anstecken könne um 75 Prozent.
"Das Virus ernährt sich von unseren Kontakten."
Prof. Dirk Brockmann
Für Markus Söder ergibt sich daraus ein Widerspruch: Man könne nicht im Privaten alles einschränken, dann aber frei reisen. Seiner Meinung nach brauche es jetzt "Geduld und gute Nerven", um die zweite Welle zu überstehen.
99,9 Prozent aller Menschen in Deutschland seien nicht infiziert, kommentiert Lanz und will wissen, inwieweit es angebracht sei, dass die Politik sprachlich Angst verbreite, indem sie Dinge sagt wie: "Die Zahlen explodieren" oder "Wir sind kurz davor, die Kontrolle zu verlieren". Der Ministerpräsident will, dass man "ehrlich" bleibe und auf den Ernst der Krankheit hinweise. Er wolle schließlich einen zweiten Lockdown vermeiden, damit "Arbeit erhalten" bleiben kann.
Zu Gast bei Markus Lanz (v.l.n.r.): Prof. Dirk Brockmann, Claudia Kade, Markus Söder und Julius van de Laar.ZDF/Screenshot
Da stimmt ihm der Epidemiologe zu: "Wir müssen den Menschen begreifbar machen, dass es gefährlich ist und dass es sich explosiv verbreiten kann." Söder ist der Überzeugung, dass die Mehrheit der Deutschen sich an die Regeln halte und diese auch mittrage - solange diese verständlich und klar seien. Und er baut auf noch etwas:
"Es geht um Solidarität. Das muss eine Gesellschaft wie unsere schultern können."
Markus Söder
"Ich will keinen Shutdown", erklärt der mögliche Kanzlerkandidat am Ende und betont, dass deswegen die Maskenpflicht ausgeweitet werden sollte. Für ihn ist es wichtig, präventiv zu handeln. "Wir brauchen Geduld, Geduld, Geduld und eine Menge Nerven", sagt er zum Schluss noch. "Bar- und Restaurantschließungen schließen Sie nicht aus?", fragt Lanz noch hinterher. "Das will keiner haben", kommentiert Söder. Um Zustände wie im Ausland zu verhindern, müssten wir jedoch reagieren, sagt der Politiker zum Schluss.
Obwohl Söder selbst die ganze Zeit davon redet, einen kühlen Kopf zu bewahren, sei ihm das nicht gut gelungen, kommentiert die "Welt"-Redakteurin Claudia Kade. Vor allem als er die Zustände in Berlin als "am Rande der Kontrollierbarkeit" bezeichnete. Sie sei genervt von diesem "Corona-Wahlkampf", der ausgetragen würde. Berlin gegen Bayern, Bayern gegen Berlin und alle Parteien gegeneinander. Kade ist der Auffassung, dass dadurch vermittelt würde, die Politiker würden ihre ganze Energie in diesen Kampf stecken und damit unterbewusst vermittelt, das Virus sei doch nicht so schlimm.
Claudia Kade ist genervt vom "Corona-Wahlkampf" der Politiker. ZDF/Screenshot
Dann fragt Markus Lanz noch einmal den Experten: "Wenn alle Menschen drei Wochen ihre Kontakte beschränken würden, wären wir dann durch mit dem Virus?" "Wenn die gesamte Menschheit auf alle Kontakte verzichten würde, dann könnte sich das Virus nicht mehr ausbreiten." Aber das sei nur ein Gedankenexperiment. Der Epidemiologe weist am Ende noch darauf hin, dass man sich mehr auf das konzentrieren solle, was gut funktioniert. Und die meisten Menschen in Deutschland würden bei allen Regeln mitmachen.
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