Von der Krise hart getroffene Urlaubsregionen in Europa erwarten bereits Gäste. Ab Mitte Juni sollen laut Außenminister Heiko Maas die Reisewarnungen im Schengenraum aufgehoben werden. Doch schon innerhalb Deutschlands gelten unterschiedliche Vorschriften. Und auch die nächsten Lockerungen könnten in jedem Bundesland anders aussehen. Wie sicher kann man reisen, wenn es europaweit keine einheitlichen Regeln gibt? Darüber diskutierten die Gäste am Donnerstagabend bei "Maybrit Illner".
Vor allem Marija Linnhoff, die Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbständiger Reisebüros, konnte sich dabei kaum mehr auf ihrem Stuhl halten. Sie hatte es an diesem Abend auf die Politik abgesehen – und nahm Armin Laschet (CDU) aufs Korn. Der wiederum war sich sicher, dass ein vor allem bei jungen Menschen relativ beliebtes Reiseziel dieses Jahr nicht angesteuert werden kann.
Zunächst kabbelten sich in der Runde aber Vertreter von CDU und Linken. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will die Beschränkungen in seinem Bundesland aufheben und sie nur lokal einführen, wenn sie gebraucht werden. Illner nennt ihn sogar einen "Ost-Laschet".
Seiner Meinung nach, ist der R-Faktor so niedrig, dass es an der Zeit ist, "den Menschen zu trauen". Schließlich hätte es trotz seiner Vorstöße zu Lockerungen in NRW keinen Anstieg an Infektionen gegeben. Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken, ist zwar anderer Meinung als ihr Amtskollege Ramelow, lässt jedoch keine Gelegenheit aus, diesen zu verteidigen, um Laschet anzugreifen.
"Das wollte ich zu seiner Ehrenrettung noch sagen", fügt die 42-Jährige hinzu. Obwohl dazwischen auch noch andere Gäste zu Wort kommen, lässt es sich Laschet nicht nehmen, seinen Standpunkt zu dieser Aussage von Kipping deutlich zu machen: "Was Frau Kipping hier eben geschildert hat, stimmt natürlich nicht. Wir haben mit Schulen und Kitas angefangen und wir sind das erste Land, in dem die Kitas wieder im Vollbetrieb laufen!"
Bergsteigerlegende Reinhold Messner setzt sich für die Grenzöffnungen und das Aufleben der Beschränkungen in der Tourismusbranche ein. Berge würden "zur Gesundung des Menschen beitragen, das Immunsystem stärken und Menschen die Möglichkeit geben, sich zu verlieren".
Ob der Ärger über die Deutschen in Italien gewachsen sei, will Moderatorin Maybrit Illner von Messner wissen, der selbst in Südtirol wohnt: "Nein. Die Deutschen sind das beliebteste Volk der Welt." Und er meint diese Aussage nicht ironisch, sondern sagt, die Beliebtheit hätte seit den 60er Jahren kontinuierlich zugenommen, weil die Deutschen ihre "nicht so schöne Geschichte so gut aufgearbeitet hätten". Er plädiert dafür, dass die Deutschen in diesem Jahr nach Italien reisen, um ein Zeichen zu setzen. Er will zudem, dass die Europäer wieder "untereinander zirkulieren, um das Europagefühl zu stärken".
Während Messner seine Punkte in seiner bekannt ruhigen Art vorträgt, ist an diesem Abend ein Gast besonders enttäuscht von der Politik: Marija Linnhoff, Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbständiger Reisebüros. "Wir Reisebüros und -veranstalter agieren als Krisenberatungszentren und werden dafür seit Monaten nicht bezahlt. Die Politik hat noch nicht begriffen, wie wichtig wir sind."
Linnhoff, die rund 2000 Reisebüros vertritt, erklärt, dass sich die Beschäftigten dieser Branche täglich mit den Fragen der Kunden auseinandersetzen, Stornierungen durchführen müssen und Beratungsgespräche über Reisewarnungen führen. Sie ärgert nicht nur das fehlende Geld, sondern auch, dass sich die Branche selbst mit Informationen zu Infektionszahlen und Ähnlichem versorgen müsse und keinerlei Unterstützung von der Politik erhalte.
Sie tritt wie Messner für Grenzöffnungen ein, weil die Menschen mittlerweile die Hygienestandards "verinnerlicht hätten" und sich daran hielten. Seit Beginn der Krise arbeitet die Branche, die rund 100.000 Menschen in Deutschland beschäftigt, "rund um die Uhr". Sie ist sauer auf die Politiker:
Dann schaut sie zu Laschet: "Sie können doch was beeinflussen. Dann machen Sie es doch auch. Sie wollen doch schließlich Kanzler werden!" Daraufhin veranstaltet der CDU-Politiker erst einmal einen "Werbeblock" für die Reisebranche und lobt ihr gutes Krisenverhalten. Er sagt, dass derzeit an einem großen Konjunkturprogramm geschnürt würde, wovon auch die Tourismusbranche profitieren werde. Bis dahin soll es noch eine von Wirtschaftsminister Peter Altmaier initiierte Überbrückungshilfe geben.
Trotzdem fragt sich die Reiseexpertin, weshalb bis jetzt nicht reagiert wurde: "Warum in Gottes Namen konnten Sie bisher keinen Rettungsschirm spannen? Alle sind sich doch einig, dass es das braucht. Ich kapiere es einfach nicht. Ich verstehe es nicht."
Wie die Reisen in naher Zukunft konkret aussehen werden, konnte an diesem Abend nicht beantwortet werden. Doch Armin Laschet ist bei einer Sache sicher: "Ballermann-Partys mit Sangriatrinken aus dem Eimer mit Strohhalmen kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen."