Jan Böhmermann hat seine erste Montagsrede bei Youtube veröffentlicht. Zur Bewerbung für das Amt des SPD-Vorsitzenden will der Satiriker bis zum Parteitag am 6. Dezember 2019 jeden Montag um 12 Uhr eine neue "sozialdemokratische Kampfrede" hochladen, wie in der Videobeschreibung zu lesen ist.
Die Reihe von insgesamt sieben Reden seien von anonymen Autoren, allesamt Sozialdemokraten von innerhalb oder außerhalb der SPD, verfasst worden. Das #neustart19-Team habe mit der Verfasserin beziehungsweise dem Verfasser Stillschweigen über Identitäten vereinbart.
Böhmermanns erste Kampfrede, die er hält, dauert rund fünf Minuten und trägt den Titel "Ausrufung einer überfälligen Entschuldigung vom Balkon des Reichstags". Das Schwarz-Weiß-Video, in dem Böhmermanns Stimme im Stile der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts verzerrt ist, ist eine Reminiszenz an den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann (1865-1939). Während der Novemberrevolution verkündete Scheidemann am 9. November 1918 von einem Balkon des Reichstagsgebäudes aus den Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs und proklamierte die Deutsche Republik.
Böhmermanns Video umfasst über 30 Bitten um Vergebung. Unter anderem:
In der Kommentarspalte diskutieren die User Böhmermanns Kampfrede rege: "Es gibt wohl nichts erniedrigenderes für die SPD, als öffentlich demonstriert zu bekommen, was Sozialdemokratie bedeutet", schreibt "andarted". "Flausche Feli" findet: "Da kommen einem ja fast die Tränen bei so viel Ehrlichkeit, bin sehr gespannt auf die Zukunft". Der aktuell am meisten gelikte Kommentar von "Ambitus" zweifelt an: "Mit so einer Ehrlichkeit wird das aber nix mit dem Vorsitz. Du kannst die SPD doch nicht sozial machen; das haben die über 20 Jahre mühsam abgebaut."
Böhmermann hält an seinem Wunsch, SPD-Vorsitzender zu werden, fest. In einem auf Twitter veröffentlichten offenen Brief an die SPD-Mitglieder schrieb Böhmermann am Montag: "Ich möchte auf dem Parteitag Anfang Dezember von 50 Delegierten zum Kandidaten für den SPD-Vorsitz aufgestellt und gewählt werden".
Bereits mehrfach hatte Böhmermann seit Ende August angekündigt, nach dem SPD-Vorsitz greifen zu wollen. Zunächst hatte er erfolglos versucht, vor Beginn der Regionalkonferenzen der Kandidaten kurzfristig als Bewerber zugelassen zu werden. Doch war er damals noch nicht Parteimitglied. Als er Anfang Oktober in Sachsen-Anhalt doch in die SPD aufgenommen wurde, kündigte er an, über die Unterstützung mehrerer Ortsverbände noch Kandidat für den Vorsitz werden zu wollen. Dies war zu dem Zeitpunkt formal noch möglich, schlug aber fehl. Eine letzte Möglichkeit zur Kandidatur ist nun laut SPD-Geschäftsordnung noch eine Initiativbewerbung direkt auf dem Parteitag. Dazu ist die Unterstützung von 50 Delegierten aus fünf Bezirken nötig.
In seinem Brief erinnert Böhmermann unter anderem an den Willy Brandt, der vor 50 Jahren zum Bundeskanzler gewählt wurde. Der Satiriker fragt, ob die SPD "nur noch eine müffelnde, randvolle Wertstofftonne" sei.
Derzeit läuft bei der SPD der Mitgliederentscheid zum Vorsitz. An diesem Samstag wird das Ergebnis veröffentlicht. Erhält keines der sechs Kandidatenduos die absolute Mehrheit, folgt ein Stichentscheid. Der Parteitag im Dezember soll das Ergebnis bestätigen.
(as/mit dpa)