"Iran und die Bombe – War Europa zu naiv?", so lautet die übergeordnete Frage in der Sendung von Maybrit Illner am Donnerstagabend. Dabei diskutierte die Moderatorin mit ihren Gästen darüber, ob der Atomdeal noch zu retten sei – und Außenminister Heiko Maas (SPD) blieb nicht nur einige Antworten schuldig, sondern musste auch Kritik einstecken.
"Wir leben in einer Realität, wo man nichts mehr einschätzen kann", eröffnet der Politikwissenschaftler und Autor Arye Sharuz Shalicar die Runde. Der Sohn jüdischer Iran-Emigranten berief sich bei seiner Einschätzung auf Aussagen des israelischen Sicherheitsdienstes. Shalicar ist seit 2017 Mitarbeiter der israelischen Regierung im Ministerium für Nachrichtendienst.
Außenminister Maas möchte am Atomdeal festhalten und diesen mit dem iranischen Regime neu verhandeln. "Wir sind nicht damit einverstanden, dass der Iran seine Verpflichtungen aussetzt. Es muss dabei bleiben, dass der Iran keine Kernwaffen besitzt", betonte er.
Constanze Stelzenmüller, Politikwissenschaftlerin und Juristin, hingegen bezweifelt stark, dass der Iran sich von seinem Atomvorhaben abbringen lassen wird. Der Fall von Muammar al-Gaddafi, dem ehemaligen Präsidenten Libyens, habe gezeigt, was passieren könne, wenn man eine solche Waffe nicht besitze – selbst die eigenen Leute könnten einen umbringen. Kim Jong-Un hingegen, der an dem nordkoreanischen Kernwaffenprogramm festhielte, genieße "sehr viel Respekt von Trump". Warum solle der Iran also auf Atomwaffen verzichten, fragte die Mitarbeiterin der US-Denkfabrik Brookings.
Dennoch: Heiko Maas machte deutlich, dass er wenig von der Strategie des maximalen Drucks gegenüber dem Iran hielt. Schließlich habe weder die Kündigung des Atomdeals durch die USA, noch die Tötung des Offiziers Ghassem Soleimani etwas gebracht: "Was die USA machen, hat uns keinen Schritt weitergebracht." Als europäische Antwort wurde nun deshalb der Streitschlichtungsmechanismus eingesetzt, der im Atomdeal verankert ist. Zwei Mal innerhalb von 15 Tagen müsse nun mit dem Iran verhandelt werden. Sollte der Iran seinen Pflichten dann nicht nachkommen, drohe Europa mit der Wiederaufnahme starker Wirtschaftssanktionen, erklärte Maas.
Maas glaubt, dass der Iran selbst eine weitere Eskalation in der Region scheue. Schließlich hätten die Mullahs bei ihrem Gegenangriff auf die USA nach der Tötung Soleimanis niemanden verletzt. Dass das ukrainische Passagierflugzeug versehentlich abgeschossen wurde, nennt der SPD-Politiker "reinen Wahnsinn."
Der Abschuss des Flugzeuges, der das Leben von 176 Menschen kostete, führte im Iran zu Protesten auf der Straße. Schon in den Wochen vorher waren die Menschen nach den gestiegenen Benzinpreisen demonstrieren gegangen. 1500 Menschen sollen dabei von den staatlichen Revolutionsgarden erschossen, rund 7000 inhaftiert worden sein. "Es gibt in diesem Land eine wahnsinnig große aufgestaute Wut", beurteilt Sharzad Osterer die Lage.
Die in Teheran geborene Journalistin kritisiert, dass bei dem aus dem Jahr 2016 verhandelten Atomabkommen die Menschenrechte "keine Rolle gespielt" hätten. Sie richtet dabei ihre Worte an den Außenminister und fordert ihn zum politischen Handeln auf: "Herr Maas, fordern Sie ein offenes Referendum über die Staatsform im Iran. Das ist, was die Menschen dort wollen."
"Die Menschen haben das Recht ihre Meinung zu sagen. Der Umgang der Regierung mit den Protesten ist inakzeptabel", antwortet Maas darauf. Aber: "Ob ein vom Westen gefordertes Referendum helfe?", stellt er in den Raum. Am Ende gab es kleine Zugeständnisse und Maas machte erneut deutlich, dass er am Atomdeal festhalten wolle. Und dass es bei den Verhandlung auch möglich sei, die Menschenrechtsverletzungen mit auf den Verhandlungstisch zu bringen.
Doch eine Antwort blieb der Außenminister an diesem Abend insbesondere Constanze Stelzenmüller schuldig. Sie wollte von ihm wissen, was eigentlich die Europäer vorhätten, sobald sich die USA aus dem gesamten Gebiet zurückzögen. "Wenn die USA sich zurückziehen, werden andere Mächte wie China und Russland dort Raum greifen", warnte die Politologin. Und auch müsse diskutiert werden, was mit der Sicherheit Israels passiere, wenn die Amerikaner einmal aus der Region verschwunden sind. Reaktionen auf all diese Fragen gab es an diesem Abend jedoch keine.