Seit zwei Wochen herrscht in Deutschland der Ausnahmezustand. Auch über Ostern müssen sich die Menschen in Deutschland auf strikte Kontaktbeschränkungen einstellen. Wo das Land derzeit im Kampf gegen das Coronavirus steht, diskutierte Moderatorin Anne Will am Sonntagabend mit ihren Gästen. Dabei ging es nicht nur um die Beschaffung von Schutzausrüstung für das Pflegepersonal, sondern auch darum, wie es nach dem 19. April weitergehen soll. Der Virologe Alexander Kekulé präsentierte konkrete Vorschläge.
Der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Alexander Kekulé, beriet die Bundesregierung elf Jahre in der Seuchenbekämpfung und erstellte einen der ersten Pandemiepläne. Für ihn gibt es nach dem 19. April nur zwei Möglichkeiten, wie es für Deutschland weitergehen kann: Entweder stellen wir fest, dass die Maßnahmen nicht genug waren und diese somit noch strenger werden müssen. Oder wir merken, dass sie ausreichend waren und wir sie lockern müssen. In letzterem Falle bräuchten wir laut Kekelé dringend einen Plan.
Der Facharzt für Mikrobiologie hatte auch konkrete Vorschläge, wie es weitergehen könnte: "Ich bin für das 'Smart Distancing', wo wir für jeden Bereich überlegen, wie die Schutzmaßnahmen aussehen könnten".
Wer beispielsweise seine Großmutter besuchen wolle, dem müsse schnell ein Test zu Verfügung gestellt werden, um herauszufinden, ob man infiziert ist oder nicht. Risikogruppen sollen zudem "radikal in Sicherheit" gebracht werden. Alte Mensche, die zu Hause leben, sollten mit FFP3-Atemschutzmasken ausgestattet werden, damit sie sicher sind, falls sie einkaufen gehen oder Ähnliches.
Und er stellte noch eine Frage in den Raum, die an diesem Abend keiner beantworten konnte, auch nicht Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD): "Was passiert mit unseren Außengrenzen, wenn der Lockdown vorbei ist?"
Doch die Gäste bei "Anne Will" hatten noch mehr Fragen und Forderung an Scholz: Wo bleibt die versprochene Schutzausrüstung für das Pflegepersonal und die Ärzte in Krankenhäusern und Altenheimen? Nachdem in einem Wolfsburger Altenheim bereits 27 Menschen gestorben sind und bekannt wurde, dass überall im Land Masken fehlen, werden die Stimmen immer lauter, die sich fragen, wie es damit weitergehen soll.
Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker, wurde deutlich: "Wir müssen unsere Pfleger und Ärzte besser schützen! Und wir müssen testen, testen, testen, damit wir wissen, ob jemand krank ist oder nicht."
Sie sagte weiter, dass es sich bei den meisten Dingen, um "triviale Artikel" handeln würde, die nicht schwierig zu produzieren seien. "Das muss doch möglich sein, dass wir das in Deutschland herstellen", sagte die Humanmedizinerin. Auch der Virologe legte nach: "Wir brauchen Lösungen. Wir müssen was machen. Wenn unser Personal nicht geschützt ist oder auch alte Menschen, dann rollt das Virus über uns drüber."
Der Bundesfinanzminister sagte, er habe Mittel zur Verfügung gestellt, damit das Gesundheitsministerium weltweit Bestände kaufen könne. Am Montag sollen zudem in der Regierung Beschlüsse vereinbart werden, die es ermöglichen sollen, dass Schutzausrüstung in Deutschland produziert werden kann: "Wir werden den Unternehmen attraktive Preise garantieren. Und auch langfristige Planbarkeit, damit es ein sicheres Geschäft ist und niemand Verluste macht."
Dann hakte Kekulé noch einmal nach, dem bereits sichtlich anzumerken war, dass er mit den Aussagen der Regierung in den vergangenen Wochen nicht zufrieden ist: "Und wer koordiniert das Ganze?" Doch auch dazu werde es erst am Montag Antworten geben, sagte Scholz.
Derweil machte auch die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, deutlich, wie ernst die Lage ist: "Die Geduld der Kollegen beim Warten auf die Schutzausrüstung ist erschöpft. Und jetzt kommt auch noch die Sorge dazu, dass man sich anstecken könne."
Die Honorarprofessorin an der Universität Bremen brachte zudem eine weitere Gruppe an, die von der fehlenden Ausrüstung betroffen ist, jedoch selten erwähnt wird: die mobilen Pflegedienste. "Die fahren täglich von Haus zu Haus und betreuen Risikopatienten und sie sind vollkommen unzureichend ausgestattet. Es ist wirklich ein großes Drama, dass wir zu wenig Schutzkleidung haben."
"Wir tun alles, um überall auf der Welt einzukaufen", beteuerte Olaf Scholz dazu. "Und wir sorgen dafür, dass mehr Schutzkleidung in Deutschland selbst produziert wird". Auch will sich der Finanzminister mit seiner Partei dafür einsetzen, dass pflegende Berufe besser bezahlt werden – auch in Altersheimen. Und er wolle für Steuersenkungen sorgen.
Jedoch sollen Spitzenverdiener davon nicht profitieren dürfen: "Wir brauchen das Geld von ihnen auch, um die Kredite, die wir jetzt wegen der Krise aufnehmen, in den nächsten Jahren wieder abzubezahlen", so Scholz.