Für die letzte Sendung in diesem Jahr hat sich Moderator Markus Lanz "zwei Paare" in die Sendung eingeladen, wie er seine Gäste selbst deklariert. Dabei sind sie kein Ehepaar, sondern haben einen ähnlichen Hintergrund, jedoch mit anderen Denkweisen. Am Donnerstagabend philosophieren sie nicht nur über den Schutz des Lebens und seine Wichtigkeit, sondern auch über die Corona-Maßnahmen der Regierung. Ex-Innenminister Gerhart Baum geht dabei stark mit genau jener ins Gericht und fordert sie auf, "endlich die Wahrheit" zu sagen.
Diesen Satz spricht der FDP-Politiker Baum und vergleicht damit seine Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg mit dem jetzigen Lockdown. Zwar macht er auch deutlich, dass alle Maßnahmen tragbar und richtig seien, jedoch beschreibt er auch ein "Ohnmachts-Gefühl" der Lage gegenüber, da man einer ausgesetzt sei, die man nicht steuern könne. Das sei gerade für Politiker eine große Herausforderung, deren Job es eigentlich sei, Dinge zu "managen". Trotzdem sagt er, klage die Gesellschaft auf "einem relativ hohen Niveau", wenn sie sich über die Maßnahmen beschwere.
Sehr schnell dreht sich die Debatte an diesem Abend über Leben und Tod. "Dass man Angst hat, sich zu infizieren und zu sterben, ist eine gesunde Angst", sagt der Psychiater und Theologe Dr. Manfred Lütz. Das kritisiert er auch nicht, sondern dass Menschen heutzutage nur "vorbeugend leben" würden und deshalb gar nicht mehr wirklich lebten. Alles sei auf das Thema Gesundheit ausgerichtet.
Den Bestsellerautor stört der Gesundheitskult, der in Deutschland herrsche. Er fordert lieber, den Tod als Thema nicht zu verdrängen. "Aber ich möchte nicht an Corona sterben", entgegnet Baum darauf. Er wolle dem Tod keine Herrschaft über sein Leben geben. Er würde bewusst leben, im Wissen um den Tod. "Ich möchte ungefährdet und leben und will, dass der Staat mich schützt", sagt er dazu.
Doch Lütz hält dagegen und greift ein Zitat des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble, auf: "Wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig." "Falsch!", kontert der 88 Jahre alte FDP-Politiker. Es gebe ein Lebensrecht in der Verfassung, welches extra als Reaktion darauf entwickelt wurde, weil die Nazis dieses "mit Füßen getreten" haben. "Alles andere habe vor dem Schutz des Lebens zurückzutreten, ist in der Absolutheit nicht richtig. Aber das Lebensrecht hat einen herausgehobenen Rang."
"Man darf die Gesundheit nicht als absolutes Recht sehen, weil es sonst gefährlich wird für unsere demokratische freiheitliche Grundordnung", kann der Theologe nicht lockerlassen. Dann mischt sich auch die Philosophin Thea Dorn in die Diskussion ein und versucht, wieder den Bezug auf die reale Lage derzeit in Deutschland zu herzustellen. Auch sie kritisiert, dass es ums Überleben gehe, egal wie und nennt dabei die Menschen, die alleine in Alters- und Pflegeheimen sterben mussten. Sie beklagt weiter, dass Menschen ihre dementen, kranken Angehörigen nicht besuchen könnten.
Nachdem alle anderen durcheinanderreden, kann sich Moderator Markus Lanz durchkämpfen und entgegnet ihr, dass Gesundheitsminister Jens Spahn sehr wohl etwas in diese Richtung geäußert habe. "Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen", hatte der CDU-Politiker im Frühling gesagt. Ja, das sei eine der besten Sätze eines Politikers dieses Jahr gewesen, muss Dorn schließlich anerkennen.
FDP-Politiker Baum hat ganz andere Schwierigkeiten mit der Politik derzeit. "Mich stört, dass sie uns nicht die Wahrheit sagen. Wieso sagen sie uns nicht die Wahrheit?", wirft er in den Raum.
Da verstummen kurz die Nebengeräusche und Lanz muss etwas perplex nachfragen: "Das glauben Sie wirklich? Was ist denn die Wahrheit?"
"Ja, dass das alles noch viel länger dauern wird und dass das mit dem Impfen eine große Schwierigkeit wird." "Aber es gibt doch diese eine Wahrheit nicht", entgegnet Lütz.
"Man kann keine Wahrheiten sagen, man hat nur Prognosen", kontert der Psychiater erneut und erklärt, dass man für Wahrheit auch Empirie bräuchte. Derzeit müssten die Politiker mit unsicheren Prognosen umgehen und auf dieser Grundlage Politik betreiben, weshalb er "großen Respekt" vor ihnen habe.
"Wir dürfen aber keine falschen Hoffnungen machen", will Baum noch am Ende hinzufügen. Doch bevor er noch mehr dazu sagen, ergreift Dorn in seinem Namen das Wort und erklärt: "Was Sie doch sagen wollen, ist, dass die Politik nicht zugeben will, eine Situation nicht im Griff zu haben." Denn ihrer Meinung sei die Wahrheit, dass niemand wisse, was kommen wird.
Am Ende der Sendung geht es wieder um das Thema, was bereits zu Beginn diskutiert wurde: Leben und Tod. Dazu hat gerade Theologe Manfred Lütz interessante Vorstellungen. "Ich glaube an das ewige Leben, aber nicht an das unendliche. Das wäre auch die Hölle."
Baum ist kein gläubiger Christ, glaubt jedoch, dass es Werte gebe, "die ewig sind". "Die FDP kann es nicht sein", entgegnet Lanz leicht scherzhaft darauf. "Über die FDP sprechen wir heute nicht", sagt der Ex-Innenminister.
Am Schluss der Sendung debattiert die Runde noch über das anstehende Weihnachtsfest beziehungsweise dessen Bedeutung. "Ist die Sendung schon rum?", fragt die Philosophin und Moderatorin der ZDF-Sendung "Das Literarische Quartett". Sie sagt, die beste Weise mit der derzeitigen Krise umzugehen, sei das Gelassenheitsgebet. Folglich, die Gelassenheit zu haben, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann, den Mut zu haben, Dinge zu ändern, die man ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. "Gott, gib mit die Gelassenheit", wirft Lütz noch mit einem Augenzwinkern ein – denn so heiße das Gebet richtig.