Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist es wohl der letzte offizielle Besuch in Übersee: Am Donnerstag wird sie vom neuen US-Präsidenten Joe Biden in Washington empfangen.
So etwas wie Melancholie wird die Kanzlerin aber nicht aufkommen lassen, zu viele wichtige Themen stehen auf der Tagesordnung. Merkel und Biden wollen gemeinsam nach vorne sehen, wenn die deutsche Regierungschefin zum ersten mal nach drei Jahren wieder im Weißen Haus zu Besuch ist.
Der USA-Trip soll für die deutsch-amerikanischen Beziehungen eine Art Neuanfang darstellen. Auch wenn auch mit Biden nicht bei allen Themen Einigkeit herrschen dürfte, das schwierige Verhältnis zu den USA wie zuvor unter Vorgänger Donald Trump scheint passé.
Dennoch: Bei Themen wie dem Umgang mit China, Streit um Zölle und die Zukunft der Welthandelsorganisation WTO dürfte Konfliktpotential herrschen.
Für beide Regierungschefs ist es ein Treffen alter Bekannter: Merkel und Biden kennen sich gut. Während der Amtszeit von Barack Obama von 2009 bis 2017 war Biden Vizepräsident.
Schon bald nach seiner Amtseinführung sandte Biden Signale der Versöhnung nach Berlin. So legte er den von Trump angeordneten Abzug von US-Truppen aus Deutschland auf Eis. Er verzichtete auch auf weitgehende Sanktionen gegen die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2. Solche Strafmaßnahmen hätten "die US-Beziehungen mit Deutschland, der EU und anderen europäischen Verbündeten und Partnern" negativ beeinflusst, hieß es zur Begründung. Mehr als 20-mal ist Merkel in ihrer Zeit als Kanzlerin über den Atlantik in die Vereinigten Staaten geflogen. Biden ist bereits der vierte US-Präsident, den sie in ihren bald 16 Amtsjahren erlebt hat.
In der Zusammenarbeit mit den Präsidenten war für Merkel bei Weitem nicht immer alles Eitel Sonnenschein. Ein Überblick zeigt das Verhältnis der Kanzlerin zu den vier Präsidenten.
Das Treffen zwischen Merkel und dem Texaner Bush auf dessen Ranch in Crawford im Jahr 2007 ist aus dieser Periode besonders in Erinnerung geblieben. Schon damals ging es um Aspekte, die auch heute noch aktuell sind. So wurde schon vor 14 Jahren der Kampf gegen den Klimawandel diskutiert. Auch der Militäreinsatz in Afghanistan als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die USA, der Atomstreit mit dem Iran wurde zur Sprache gebracht.
Vor dem Abschiedsbesuch der deutschen Bundeskanzlerin in Washington hatte Bush die fast 16-jährige Amtszeit von Angela Merkel gewürdigt. "Merkel hat Klasse und Würde in eine sehr wichtige Position gebracht und sehr schwierige Entscheidungen getroffen. Sie hat das getan, was das Beste für Deutschland ist, und sie hat es aus Prinzip getan", sagte Bush, der von 2001 bis 2009 regierte, der Deutschen Welle.
Merkel wird am Donnerstag von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen. In dem Interview des deutschen Auslandssenders nannte Bush die Kanzlerin "eine mitfühlende Führungspersönlichkeit, eine Frau, die keine Angst hat zu führen". Merkel habe es geschafft, "in einem ziemlich harten politischen Umfeld zu überleben". Der Ex-Präsident beschrieb die scheidende Bundeskanzlerin als "eine sehr nachdenkliche, freundliche Person".
Sie wurden als Dream-Team gefeiert: Doch so wirklich von Innigkeit geprägt war die Beziehung zwischen Barack Obama und Merkel nie. Der Start gestaltete sich gelinde gesagt holprig, da Obama während seines Wahlkampfes 2008 nicht wie erhofft am Brandenburger Tor in Berlin reden durfte, sondern auf die Siegessäule ausweichen musste.
Erst bei seinem ersten Besuch als Präsident im Jahr 2013 durfte Obama vor dem deutschen Nationalsymbol sprechen. Diesmal auf explizite Einladung der sich gerade im Wahlkampf befindenden Angela Merkel.
Die Beziehung wurde allerdings im Herbst 2013 auf eine harte Probe gestellt, als bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA jahrelang auch das Handy Merkels abgehört hatte. Für damalige Krisen wie die Annexion der Krim durch Russland gibt es bis heute keine Lösung.
Obama spricht aber auch heute noch in den höchsten Tönen von der Zusammenarbeit mit Merkel. In dem ersten Teil seiner Memoiren "Ein verheißenes Land" schreibt er über sie: "Je besser ich Angela Merkel kennengelernt hatte, desto sympathischer war sie mir geworden; ich empfand sie als zuverlässig, ehrlich, intellektuell präzise und auf eine natürliche Art freundlich. Aber sie war auch konservativ veranlagt, ganz zu schweigen davon, dass sie eine kluge Politikerin war, die ihre Wählerschaft kannte."
Nach den vermeintlich "goldenen" Jahren der Beziehungen zwischen Deutschland und den USA fiel die Stimmung mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika rapide. Die "America first"-Politik des neuen Präsidenten und seine damit verbundene Abneigung gegenüber multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen, oder der Welthandelsorganisation standen im krassen Gegensatz zu den politischen Überzeugungen Merkels. Und das ließ die Kanzlerin den Präsidenten auch spüren.
Trump empfing Merkel zuletzt am 27. April 2018 im Weißen Haus. Die Szene, als Trump seine Kritikpunkte (unter anderem aus seiner Sicht zu geringer Beitrags Berlin an die Nato) vor versammelter Presse an Merkel adressiert, während sie demonstrativ gelassen und desinteressiert in ihren Unterlagen kramt, ging um die Welt.
Dass Trump die Wahl im vergangenen November klar gegen Biden verlor, sorgte auch bei vielen Deutschen für Erleichterung. In einer Umfrage des Instituts Pew hatten sich im vergangenen Jahr nur zehn Prozent zuversichtlich gezeigt, dass Trump in Hinblick auf das Weltgeschehen das Richtige unternehme. Biden genießt dagegen seit seinem Amtsantritt einen gigantischen Vertrauensvorschuss bei den Deutschen: Bei ihm ist dieser Wert auf 78 Prozent in die Höhe geschossen.
Auch wenn Merkel nun auf Abschiedsbesuch bei Biden ist: Die Washington-Reise dürfte kaum ihr letzter Trip in die USA sein. Die in der DDR aufgewachsene Kanzlerin hat seit jeher ein besonderes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten.
Bei einer Rede im US-Senat hatte sie schon 2009 gesagt: "Meine Lebensplanung sah ja immer so aus, dass ich mir überlegt hatte, dass ich an dem Tag, an dem ich Rentnerin werde – und Frauen wurden das in der DDR mit 60 – dass ich an diesem Tag in die Bundesrepublik reise, dort meinen DDR-Ausweis gegen einen ordentlichen deutschen Pass eintausche und mich dann sofort aufmache auf eine Reise nach Amerika."
(fgr/dpa)