US-Präsident Trump zeigt nicht gerne Schwäche. Auch wenn sein Zustand ernster war als zunächst dargestellt, bewegte sich der Corona-Patient am Sonntag sogar außerhalb des Krankenhauses – und löste damit heftige Reaktionen aus.
"Die Verantwortungslosigkeit ist erstaunlich", schrieb der am Walter-Reed-Krankenhaus tätige Mediziner James P. Phillips auf Twitter und sprach von einem "politischen Theater", das andere in Lebensgefahr bringe. "Jede einzelne Person in dem Fahrzeug während dieser völlig unnötigen präsidentiellen Vorbeifahrt muss jetzt für 14 Tage in Quarantäne. Sie könnten krank werden, sie können sterben. Für politisches Theater. Befohlen von Trump, um ihre Leben für Theater zu riskieren. Das ist Wahnsinn", so Phillips.
Trump hatte sich zuvor mit zwei Mitarbeitern des Secret Service in einem gepanzerten Wagen an seinen Unterstützern vor dem Spital vorbeifahren lassen. Auf Fotos war zu erkennen, dass der Beifahrer ein Plastikvisier über dem Gesicht, eine Atemschutzmaske und einen medizinischen Schutzanzug zu tragen schien. Trump trug lediglich eine Stoffmaske.
Auch US-Medien schlugen angesichts der von Trump zur Schau gestellten Fahrlässigkeit die Hände über dem Kopf zusammen – oder ließen ihren Frust an Beratern des Präsidenten aus. Bei CNN etwa grillte Journalistin Ana Cabrera Trumps Wahlkampfstrategen Jason Miller in einem stetig absurder werdenden Interview.
Cabrera begann das Gespräch mit der Frage, warum der Präsident das Krankenhaus für einen offensichtlichen PR-Stunt verlassen habe. Kommunikationsprofi Miller beantwortete die Frage nicht, sondern betete die wichtigsten Pandemieregeln herunter und bat die Menschen, vorsichtig zu sein. "Das ist eine sehr wichtige Botschaft vom US-Präsidenten", sagte Miller.
Cabrera ließ sich davon nicht einlullen und unterbrach Miller umgehend: "Lassen Sie mich hier gleich mal einen Punkt setzten, und Sie an meine ursprüngliche Frage erinnern", konterte sie den Trump-Berater. "Was sollte dieser PR-Stunt?" Ob es Trumps Verständnis von "vorsichtig sein" sei, wenn er die Secret-Service-Agenten im Auto in Gefahr brächte?
Miller antwortete, der Präsident habe seine Dankbarkeit für die Unterstützung zum Ausdruck bringen und zeigen wollen, dass er sich darauf freue, wieder in den Wahlkampf einsteigen zu können, "auf sehr sichere Art und Weise".
Die CNN-Journalistin überzeugte das überhaupt nicht, sie drehte ihre eingangs gestellte Frage weiter, wie ein PR-Stunt, "der das Leben anderer gefährdet, Trumps Wahlkampf hilft?"
Nun ja, es sei überhaupt kein "Stunt" gewesen, versuchte Miller die Frage zu umgehen und wiederholte, Trump habe seine Dankbarkeit zeigen wollen. Cabrera unterbrach ihn umgehend erneut und wies darauf hin, dass Trump dies ja zuvor auch "in Videos, etwa auf Twitter, getan hat, ohne Secret-Service-Agenten in Gefahr zu bringen".
"Wir wissen, dass der Secret Service immer großen Wert auf die Sicherheit seiner Agenten legt", setzte Miller zu seiner Antwort an – und Cabrera ließ ihn erneut nicht vom Haken. "Wir wissen auch, dass einige Agenten sich bei der Erfüllung ihrer Pflicht angesteckt haben", schoss sie zurück.
Er sei kein Angestellter des Weißen Hauses und könne "über die genauen Abläufe da nicht sprechen", wich Jason Miller erneut aus und verstieg sich in eine Lobeshymne darüber, wie Trump immer schon gegen das Virus gekämpft habe, dass "jedes Leben, das wir an Covid-19 verlieren, eines zu viel sei", und überhaupt, wie ernst Trump die Bedrohung durch das Coronavirus doch nehme. Der Kampf gegen das Virus sei für Trump oberste Priorität.
"Trump hat das Virus immer heruntergespielt, lassen sie uns doch mal ehrlich sein", fuhr Cabrera in Millers Parade. "Nein", setzte der an, doch weiter kam er nicht. "Doch, das haben wir sogar auf Band, wir hören, wie er das Virus absichtlich herunterspielt", erinnerte die CNN-Journalistin Trumps Berater an die Aufnahmen, die Enthüllungsjournalist Bob Woodward veröffentlicht hatte. Und überhaupt, die Wahlkampfveranstaltungen, bei denen Trump ohne Maske vor Tausenden Anhängern gesprochen habe, fuhr Cabrera fort.
"Da muss ich ihnen fundamental widersprechen, Ana, der Präsident hat immer klargemacht, wir können uns nicht vor diesem Virus verstecken", entgegnete Miller. "Aber selbst wenn er rausgeht, interessieren ihn die simplen Vorsichtsmaßnahmen nicht", warf Cabrera Trump vor. "Er ermutigt seine Anhänger, zu diesen Veranstaltungen zu kommen."
Das sei eine falsche Darstellung, versuchte Miller den Vorwurf zu entkräften. "Wir haben es doch im Video, schauen wir es uns an", platze es aus Cabrera da heraus.
Miller wiederum beeindruckte das nicht. Während Aufnahmen von dicht-gedrängten Trump-Anhängern zu sehen waren, erklärte er, welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden (Temperatur messen, Masken verteilen) und dass diese Veranstaltungen sehr sichere Umgebungen seien. "Wir nehmen das sehr ernst", behauptete der Trump-Berater.
Cabrera konnte es ganz offensichtlich nicht glauben, was sie da gesagt bekam.
Keine Masken, kein Abstandhalten, außerdem hätten sich doch auch im Rosengarten des Weißen Hauses mehrere Menschen mit dem Virus angesteckt. Am Samstag vor einer Woche waren bei der Vorstellung von Trumps Kandidatin für den Richterposten am Obersten Gericht Hunderte Menschen dicht gedrängt zusammen gekommen, die wenigsten trugen eine Maske.
Während Miller daraufhin erklärte, jeder, der dem Präsidenten nahe käme, würde auf das Virus getestet – und damit erneut keinerlei Anstalten machte, auf die ihm gestellten Fragen einzugehen – blendete die CNN-Regie ein Foto von besagter Veranstaltung im Rosengarten ein.
Auf dem waren verschiedene Personen markiert, die am Freitag positiv auf das Virus getestet worden waren, etwa der republikanische Senator Mike Lee, die ehemalige Trump-Sprecherin Kellyanne Conway oder Trumps Ehefrau Melania.
Nach ein wenig hin und her schaffte es Miller dann tatsächlich noch, zu behaupten, Trump habe alles getan, um Ansteckungen zu vermeiden. "Er hat alle Corona-Protokolle befolgt", erklärte der Trump-Berater. Cabreras Antwort darauf war nur noch ein kurzes:
(pcl)