USA
30.11.2018, 06:4030.11.2018, 09:52
Lodernde Barrikaden, verwüstete Geschäfte,
ausgebrannte Autos – vom G20-Gipfel in Hamburg blieben hässliche
Bilder. Kaum jemand dürfte sich noch an die politischen Ergebnisse
des Treffens der Staats- und Regierungschef der wichtigsten
Industrie- und Schwellenländer erinnern. Die Szenen von der "Welcome-to-Hell"-Demonstration hingegen sind noch immer präsent.
- Solche Bilder will die argentinische Regierung beim diesjährigen G20-Gipfel am Freitag und Samstag in Buenos Aires um jeden Preis verhindern.
- "Wer demonstrieren will, hat das Recht dazu, aber unter einer Bedingung: Es muss friedlich bleiben", sagte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich.
- "Gewalttätige Aktionen dürfen nicht vorkommen. Wir werden sehr streng sein."
Für Präsident Mauricio Macri steht viel auf dem Spiel.
Argentinien steckt in einer schweren
Wirtschaftskrise, die Inflation liegt bei rund 40 Prozent und
angesichts der Peso-Abwertung musste die Regierung den
Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr um einen
milliardenschweren Kredit bitten.
Mauricio Macri empfängt Emmanuel Macron am Donnerstagabend.Bild: imago
Der G20-Gipfel ist für Macri die Chance, sich als verlässlicher
Partner auf dem internationalen Parkett zu präsentieren. Top-Thema
des Treffens werden voraussichtlich die von Trump ausgelösten
Handelskonflikte sein. Macri empfängt den US-Präsidenten, Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen.
Ein massives Polizeiaufgebot soll gewalttätige Ausschreitungen verhindern.
Mehr als 20.000 Sicherheitskräfte werden während der
Gipfeltage im Einsatz sein. Das ist in etwa die gleiche Anzahl wie
beim G20-Gipfel in Hamburg. Zusätzlich sollen im benachbarten Uruguay
400 US-Soldaten sowie Awacs-Aufklärungsflugzeuge stationiert werden. "Wir sind in maximaler Alarmbereitschaft", sagte der Informationschef
der Regierung und Organisator des Gipfels, Hernán Lombardi.
Die heftigen Krawalle vor dem Finale des Fußball-Wettbewerbs Copa
Libertadores warfen zuletzt allerdings kein gutes Bild auf die
Sicherheitsvorkehrungen in Buenos Aires. Hunderte Fans des
Fußballclubs River Plate attackierten am Wochenende den
Mannschaftsbus des Stadtrivalen Boca Juniors mit Steinen.
Bild: imago
Das Stadion
liegt im G20-Sperrgebiet, das ab Donnerstag kein Normalbürger mehr
betreten darf. Sicherheitsministerin Bullrich hatte vor dem Finale
noch erklärt: "Wir werden einen G20-Gipfel hier haben, dagegen ist
das River-Boca-Spiel doch eine Kleinigkeit."
Für die Tage vor dem Gipfel haben Gewerkschaften, soziale Bewegungen
und linke Gruppen bereits Proteste angekündigt. Das Motto: "No
al G20" (Nein zu G20). Am Abend des ersten Gipfeltags soll es eine
Großdemonstration gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs
geben.
Die Proteste dürften sich sowohl gegen die als neoliberal empfundene
eigene Regierung als auch gegen den verhassten IWF und das
G20-Treffen richten. Zu den Protesten wurden auch Teilnehmer aus den
Nachbarländern Brasilien und Chile erwartet. Mit so vielen
ausländischen Demonstranten wie in Hamburg wird aufgrund der langen
Anreise aber nicht gerechnet.
Beverly Keene, Sprecherin der Organisation Diálogo 2000, die gemeinsam mit anderen Gruppen die Demonstrationen koordiniert:
"Wir rufen die gesamte Bevölkerung dazu auf, auf massive Art und Weise gegen die G20-Politik des Elends und des Todes auf die Straße zu gehen."
Die Regierung bat ihrerseits den argentinischen
Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel, mäßigend auf die
Demonstranten einzuwirken.
In Argentinien gibt es eine gut organisierte und kampferprobte linke Szene.
Selbst bei Protesten gegen Rentenkürzungen fliegen dort schon
einmal Steine und Molotowcocktails. Zuletzt scheiterten in Buenos
Aires zwei Sprengstoffanschläge, hinter denen die Ermittler
anarchistische G20-Gegner vermuten. "Es ist möglich, dass eine Gruppe
eine gewalttätige Situation provozieren will", sagte Bullrich jüngst
in einem Interview des Fernsehsenders TN. "Aber unsere Einsatzkräfte
werden nah dran sein, um das zu unterbinden."
Nach den Erfahrungen beim G20-Gipfel in Hamburg hat Deutschland die
argentinische Regierung bei der Organisation des Treffens in Buenos
Aires beraten. Insgesamt sei Argentiniens Hauptstadt gut auf das
Gipfeltreffen vorbereitet, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote
(SPD) der Deutschen Presse-Agentur nach Gesprächen mit
Regierungsvertretern in Buenos Aires. Sein Tipp für die Argentinier:
Mehr Kameras im öffentlichen Raum und eine glaubwürdige
Strafverfolgung könnten eine präventive Wirkung haben, sagte Grote.
Auch der deutsche Botschafter Jürgen Christian Mertens dürfte seine
Erfahrungen bei Großveranstaltungen mit den Argentiniern geteilt
haben. Der Diplomat organisierte bereits den G8-Gipfel 2007 in
Heiligendamm, den G7-Gipfel 2015 in Elmau und eben den G20-Gipfel im
vergangenen Jahr in Hamburg.
Doch auch die Demonstranten sind untereinander offenbar gut vernetzt.
Medienberichten zufolge zirkulieren mehrere Handbücher mit
Erfahrungsberichten von den Krawallen in Hamburg, detaillierten
Ratschlägen zu Strategie und Taktik bis hin zu praktischen Tipps zum
Verhalten bei Demonstrationen, Erster Hilfe und Kommunikation.
Die größte Sorge der argentinischen Regierung ist, dass sich
gewaltbereite Demonstranten unter die friedlichen Protestmärsche
mischen und die Polizei zu einem übertriebenen Vorgehen verleiten
könnten. "Sie wollen uns in eine Ausnahmesituation bringen. Wir
müssen aufpassen, ihnen nicht die perfekte Entschuldigung für
Versuche der Destabilisierung zu liefern", sagte Bullrich. "Sie
wollen, dass wir über die Stränge schlagen, aber wir werden auf diese
Provokationen nicht hereinfallen."
(pb/dpa)
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