
Amy Coney Barrett legt ihren Amtseid ab. Bild: ap / Patrick Semansky
USA
27.10.2020, 06:2527.10.2020, 06:25
Eine Woche vor der US-Präsidentenwahl
zementiert die Berufung von Amy Coney Barrett die konservative
Mehrheit im Obersten Gericht des Landes. Der Supreme Court könnte das
letzte Wort in möglichen Gerichtsverfahren um die Auszählung der
Stimmen bei der Wahl am 3. November haben. Zugleich stellt das
Gericht mit seinen Entscheidungen zu Streitthemen wie das Recht auf
Abtreibungen oder gleichgeschlechtliche Ehen immer wieder wichtige
Weichen für die US-Gesellschaft.
Die Richter werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom US-Senat
bestätigt. Sie werden auf Lebenszeit ernannt. Die Kandidatin von
US-Präsident Donald Trump passierte den Senat mit den Stimmen von 52
republikanischen Mitgliedern, die 47 Demokraten und eine
Republikanerin stimmten am Montagabend (Ortszeit) gegen sie.
Mit Barrett bekommen die Konservativen am Obersten Gericht die
dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze. Die 48-Jährige
ersetzt die im September verstorbene liberale Justiz-Ikone Ruth Bader
Ginsburg. Es ist bereits der dritte Sitz im Supreme Court, den Trump
füllt.
Die Demokraten um den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden
forderten hingegen, dass erst der Sieger der Wahl die
Ginsburg-Nachfolge regeln sollte. Dieser Ansicht schloss sich am Ende
auf Seiten der Republikaner nur Senatorin Susan Collins an.
Barret schon vereidigt
Gerade einmal eine Stunde nach der Abstimmung im Senat legte
Barrett auf der Südwiese des Weißen Hauses den Eid auf die Verfassung
ab. Danach ließ sie sich mit Trump auf dem Balkon der
Präsidentenresidenz fotografieren. Am Dienstag wird sie mit der
Vereidigung durch den Vorsitzenden Richter John Roberts zum
vollwertigen Mitglied am Supreme Court. Barrett betonte in einer
kurzen Ansprache, ihre politischen Ansichten und privaten
Überzeugungen würden keine Rolle bei den Entscheidungen im Supreme
Court spielen.
Es war bereits das zweite Event für Barrett im Weißen Haus. Nach
der Veranstaltung zu ihrer Nominierung exakt einen Monat zuvor wurden
mehrere Teilnehmer positiv auf das Coronavirus getestet. Dazu
gehörten auch der Präsident und Ehefrau Melania. Diesmal wurden die
Stühle zwar mit mehr Abstand platziert, diverse Teilnehmer trugen
aber erneut keine Masken.
Trump wollte den freien Sitz im Obersten Gericht unbedingt noch
vor der Präsidentenwahl am 3. November besetzen. Er verwies dabei
auch ausdrücklich auf mögliche Gerichtsverfahren rund um die
Präsidentenwahl. In den vergangenen Tagen fällte das Gericht bereits
mehrere Entscheidungen zu Streitigkeiten um den Wahlprozess in
mehreren Bundesstaaten. Eine davon kam just als die Senatoren ihre
Stimmen abgaben. Das Oberste Gericht lehnte eine Verlängerung der
Eingangsfrist für per Brief verschickte Stimmzettel in Wisconsin auf
bis zu sechs Tage nach dem 3. November ab.
Liberaler Fortschritt in Gefahr
Die Demokraten warnten zuletzt vor allem, dass mit Barrett im
Obersten Gericht die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama
fallen könnte und damit Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung
verlieren würden. Die Trump-Regierung unternimmt gerade einen
weiteren Versuch, die Reform vor dem Obersten Gericht zu kippen, die
erste Verhandlung steht in der Woche nach der Präsidentenwahl an.
Trump sagte erst vergangene Woche, er hoffe, dass das Gericht
"Obamacare" abschaffen werde. Er selbst kündigt schon seit Jahren
einen eigenen Plan für das Gesundheitswesen an, hat ihn aber immer
noch nicht vorgestellt.
Die Liberalen befürchten auch, dass mit Barrett und der
konservativen Dominanz im Obersten Gericht das Recht auf Abtreibungen
und gleichgeschlechtliche Ehen in Gefahr sein könnte. In ihrer
mehrtägigen Anhörung hielt sich Barrett zu den kontroversen Fragen
konsequent bedeckt. Unter anderem wollte sich nicht sagen, ob aus
ihrer Sicht das Recht auf Abtreibungen oder gleichgeschlechtliche
Ehen von der Verfassung gedeckt ist. Genauso wenig wollte sie die
Frage beantworten, ob ein US-Präsident laut Verfassung zu einer
friedlichen Machtübergabe nach einer Wahl verpflichtet ist.
Biden will US-Justiz reformieren
Die Demokraten waren zusätzlich empört, weil die Republikaner im
Senat Anfang 2016 Obamas Kandidaten für das Oberste Gericht sogar
eine Anhörung verweigert hatten. Sie verwiesen dabei darauf, dass man
in einem Wahljahr erst den Willen des Volkes erfahren müsse. Jetzt
nahmen sie bei Barrett wieder Abstand von dieser Position, die sie
vor vier Jahren zu einer neuen Regel erklärt hatten.
Angesichts der Dominanz der Konservativen im Supreme Court wurden
bei den Demokraten zuletzt Forderungen laut, bei einem Sieg Bidens
und einer Mehrheit für die Partei auch im Senat das Gericht zu
vergrößern.
Biden wich zunächst lange einer Antwort auf die Frage aus, ob er
einen solchen Schritt unterstützen würde. Inzwischen positionierte er
sich in einem Interview gegen eine Erweiterung zumindest als einzelne
Maßnahme. "Das letzte, was wir brauchen, ist, den Supreme Court in
einen politischen Fußball zu verwandeln, so dass derjenige, der die
meisten Stimmen hat, bekommt, was er will", sagte Biden in einem
TV-Interview. "Die Präsidenten kommen und gehen, die Richter am
Obersten Gericht bleiben für Generationen", betonte er.
Zugleich will Biden im Fall seines Sieges aber eine umfassende
Justizreform angehen. Er wolle dann eine Kommission aus Demokraten,
Republikanern und Experten für Verfassungsrecht ein halbes Jahr lang
über Empfehlungen beraten lassen, sagte er.
(pcl/dpa)
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