Knapp sechs Wochen nach der US-Präsidentenwahl haben die Wahlleute in den Bundesstaaten Joe Bidens Sieg über Amtsinhaber Donald Trump bestätigt. Der Demokrat Biden forderte den Republikaner Trump am Montagabend (Ortszeit) auf, die Niederlage einzugestehen. Der gewählte Präsident verwies darauf, dass er 306 der 538 Wahlleute-Stimmen erhalten hat – ebensoviele wie Trump vor vier Jahren, als dieser von einem "Erdrutschsieg" gesprochen hatte. "Nach seinen eigenen Maßstäben haben diese Zahlen damals einen klaren Sieg dargestellt, und ich schlage respektvoll vor, dass sie das auch jetzt tun", sagte Biden bei seiner Ansprache in Wilmington (Delaware).
In den 50 Bundesstaaten und dem Hauptstadtbezirk Washington hatten am Montag die 538 Wahlleute stellvertretend für das Volk ihre Stimmen für den künftigen Präsidenten abgegeben. Dieser wird in den USA indirekt gewählt. In den allermeisten Bundesstaaten bekommt der Kandidat, der am Wahltag die Mehrheit der Stimmen aus dem Volk bekommen hat, auch alle Stimmen der dortigen Wahlleute. Biden kam auf die nach den Wahlergebnissen vom 3. November erwarteten 306 Stimmen, Trump auf 232. Die Schwelle für einen Sieg liegt bei 270.
Während der laufenden Abstimmung der Wahlleute teilte Trump auf Twitter mit, dass Justizminister William Barr seinen Rücktritt eingereicht habe. In dem von Trump veröffentlichten Rücktrittsschreiben heißt es, Barr werde am 23. Dezember aus dem Amt scheiden. Trump hatte Kritik an Barr geäußert, nachdem dieser gesagt hatte, dass er keine Beweise für massiven Wahlbetrug kenne. Damit hatte er Trumps Behauptungen offen widersprochen. Barr galt bislang als enger Verbündeter des Präsidenten.
Am vergangenen Samstag hatte Trump erneut Kritik an Barr geäußert. Das "Wall Street Journal" hatte berichtet, dass der Justizminister bereits seit dem Frühjahr von Ermittlungen gegen den Sohn des gewählten US-Präsidenten, Hunter Biden, gewusst habe. Barr habe die Ermittlungen aus dem Wahlkampf heraushalten wollen, hieß es in der Zeitung. "Eine große Enttäuschung!", schrieb Trump.
Trump (74) sieht sich durch Betrug um seinen Sieg gebracht und behauptet weiterhin ohne jede Grundlage, er habe die Wahl gegen Biden (78) gewonnen. Stichhaltige Beweise für Manipulationen haben weder er noch seine Anwälte oder Unterstützer vorgelegt. Mehr als 50 Klagen des Trump-Lagers wurden bislang abgeschmettert, zwei davon vor dem Supreme Court, dem Obersten Gericht der USA.
Das Endergebnis der Wahl wird offiziell am 6. Januar im Kongress in Washington verkündet. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden. An dem Tag endet Trumps Amtszeit nach der Verfassung automatisch, auch wenn er seine Niederlage nicht eingesteht. Dass Biden gewonnen hat, ist spätestens seit dem 7. November klar, als ihn führende US-Medien – wie in den Vereinigten Staaten üblich – zum Sieger ausgerufen hatten. Die zuständigen US-Behörden erklärten die Wahl zur sichersten jemals in den USA. Trump hat angekündigt, seinen juristischen Kampf fortzusetzen. Chancen werden ihm nicht eingeräumt.
Biden sagte am Montag, es sei an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Trump hätten alle Wege offengestanden, das Ergebnis anzufechten, und der Präsident habe jede dieser Möglichkeiten genutzt. Mehr als 80 Richter im ganzen Land hätten Argumente gehört und als unbegründet abgewiesen. Auch erneute Stimmenauszählungen hätten nichts am Ergebnis geändert. "In diesem Kampf um die Seele Amerikas hat die Demokratie gesiegt", sagte Biden. "Die Flamme der Demokratie wurde in dieser Nation vor langer Zeit entzündet. Und wir wissen jetzt, dass nichts – nicht einmal eine Pandemie oder ein Machtmissbrauch – diese Flamme auslöschen kann."
Die Abstimmung der Wahlleute ist in normalen Wahljahren eine Formalie, weil der unterlegene Kandidat in der Regel noch in der Wahlnacht seine Niederlage einräumt. Viele Republikaner – darunter die führenden Parteikollegen im US-Kongress – haben Biden öffentlich noch nicht als Wahlsieger anerkannt. Nach der Abstimmung der Wahlleute könnte diese Front nun aber bröckeln. Der republikanische Senator Roy Blunt sagte der Zeitung "The Kansas City Star", als Vorsitzender des Kongress-Komitees für die Vereidigung des neuen Präsidenten werde er nun mit dem Biden-Team zusammenarbeiten. Er bezeichnete Biden als gewählten Präsidenten.
(vdv/dpa)