Donald Trump wackelt – nicht nur in aktuellen Umfragen. Der sonst in seinem Auftreten so selbstsichere US-Präsident scheint sich seiner Wiederwahl im November nicht mehr sicher zu sein. Das legt ein Auftritt in einem Interview mit seinem Lieblingsnachrichtenkanal Fox News nahe.
In dem Gespräch fuhr Trump zunächst eine Attacke auf seinen demokratischen Kontrahenten Joe Biden, dem Trump – wie bei anderen Gelegenheiten zuvor – unterstellte, er sei aufgrund seines hohen Alters geistig nicht in der Lage, die Amtsgeschäfte zu führen.
"Ich will nicht nett oder nicht-nett sein, aber der Mann kann keine zwei geraden Sätze sagen", ätzte Trump. Dann fuhr der 74-Jährige resigniert fort:
Dabei mache er, Trump, doch nur seine Arbeit, klagte der US-Präsident – und begann dann in gewohnter Weise sich selbst in höchsten Tönen zu loben, etwa in Bezug auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in den USA.
Tatsächlich sieht es aktuell so aus, als drehe sich der Wind. Jüngst zeigte eine Umfrage der "New York Times" und des Siena College, dass der US-Präsident in sechs wichtigen Bundesstaaten hinter Joe Biden zurückgefallen ist. Dabei handelt es sich um jene Staaten, die jahrzehntelang Hochburgen der Demokraten waren – die Trump aber im November 2016 den Sieg brachten. Besonders spannend: In Michigan, Wisconsin und Pennsylvania hatte Trump damals nur mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen – und liegt dort aktuell meilenweit hinter seinem Kontrahenten.
In Pennsylvania etwa hatte Trump mit 48,18 Prozent der Stimmen weniger als ein Prozent Vorsprung auf die damalige demokratische Kandidatin Hillary Clinton.
Die "New York Times" schreibt zu den Umfrageergebnissen: "Der vormals uneinholbare Vorsprung von Mr. Trump unter den weißen Wählern ist fast verschwunden – eine Entwicklung, die das Wahlergebnis vorwegnehmen würde, sollte sie Bestand haben."
Ob Trump die Wahl in den genannten Staaten verlieren wird, ist unklar – 2016 hatten Umfragen einen Wahlsieg Hillary Clintons prognostiziert, Trump gewann. Warum also sollten die Umfragen diesmal verlässlicher sein? Dieser Frage stellte sich "NYT"-Journalist Nate Cohn im "Daily Podcast". Er hob zwei Unterschiede zu 2016 hervor:
Das US-Wahlsystem macht nationale Prognosen weniger aussagekräftig, als das in Deutschland der Fall ist. Denn hierzulande werden die Bundestagsmandate einer Partei abhängig von der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen für die Partei vergeben. In den USA nimmt der Sieger einer Präsidentschaftswahl eines Bundesstaates alle Stimmen mit ins Electoral College. Dort wählen schließlich die Wahlmänner und -frauen der 50 Bundesstaaten (und Washington D.C.s) den Präsidenten. 2016 hatte Clinton landesweit sogar mehr Stimmen der Wähler erhalten als Trump – der allerdings konnte in den wichtigen Staaten punkten. Wenn sich nun Umfragen mehr auf die einzelnen Staaten konzentrieren, sind also verlässlichere Vorhersagen zu erwarten.
Auch der Sender Fox News scheint sich langsam aber sicher auf ein Szenario einzustellen, in dem Trump nicht ein zweites Mal Präsident wird. Tucker Carlson, eines der Aushänge-Gesichter des Senders, warnte am Donnerstagabend ausdrücklich davor, Trump könne die Wahl verlieren:
Um aus den Umfragen eine treffsichere Prognose über das Wahlergebnis im November ableiten zu können, ist es allerdings noch zu früh. Aktuell sprechen die Umfrage-Ergebnisse für Biden – selbst in Kreisen, bei denen man das zunächst nicht erwartet würde.
Neben der "New York Times" haben zwei weitere Erhebungen ergeben, dass die US-Wähler Trump abwählen könnten, darunter eine Umfrage von Fox News. Die fragte 801 Wähler und Wählerinnen im Bundesstaat Wisconsin nach ihrer Stimme – mit dem Ergebnis, dass 49 Prozent der Befragten Biden ihre Stimme geben würden, während Trump nur 40 Prozent auf sich vereinen konnte.
Die Fox-Umfrage prüfte auch ab, auf welchem Politikfeld die Befragten den beiden Kandidaten mehr Kompetenz zutrauen. Bei den beiden aktuell drängendsten Feldern, dem Coronavirus und den Beziehungen zwischen Weißen und People of Colour, sprachen sich 50 beziehungsweise 53 Prozent der Befragten für Biden aus – bei Trump waren es hingegen 36 beziehungsweise 31 Prozent.
Zwar trauten die Befragten auf der anderen Seite Trump mehr zu, was Einwanderung und Wirtschaft anging – der Vorsprung war allerdings weitaus weniger deutlich.