Richterin Amy Coney Barrett und Donald Trump, Präsident der USA, sprechen auf einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses.Bild: AP / Alex Brandon
USA
27.09.2020, 08:3127.09.2020, 08:43
US-Präsident Trump ergreift Gelegenheit, die
konservative Mehrheit im Obersten Gericht der USA zu zementieren. Er
nominierte am Samstag die Juristin Amy Coney Barrett für den freien
Sitz im Supreme Court – und will sie noch vor der Präsidentenwahl am
3. November ins Amt bringen. Die Demokraten, die Barretts Ernennung
nicht verhindern können, wollen nun die Wähler mobilisieren. Sie
schlugen umgehend Alarm, dass ihre Ansichten das Ende der
Gesundheitsversorgung für Millionen Amerikaner bedeuten könnte.
Mit der 48-jährigen Barrett hätten die konservativen Richter eine
klare Mehrheit von sechs der neun Sitze am Supreme Court. Das könnte
die amerikanische Gesellschaft nachhaltig verändern. Barrett soll die
Liberalen-Ikone Ruth Bader Ginsburg ersetzen, die vergangene Woche an
den Folgen einer Krebserkrankung starb.
Das Oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort bei
Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung,
Waffenrecht und Diskriminierung. Es gilt als wahrscheinlich, dass
amerikanische Konservative nun einen neuen Anlauf machen könnten, das
Recht auf Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen vor Gericht zu
kippen oder zumindest einzuschränken.
Barrett gehöre zu den brillantesten Rechtsexperten in den USA, sagte
Trump bei der Bekanntgabe der Nominierung in Washington. Sie selbst
betonte: "Richter machen keine Politik - und sie müssen alle
politischen Ansichten zurückstellen." Richter müssten sich an den
Wortlaut von Gesetzen halten.
Demokraten wollen Barrett unbeliebt machen
Die Richter am Obersten Gericht werden auf Lebenszeit ernannt. Sie
werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Die
Republikaner haben im Senat eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze.
Barretts Anhörung im Justizausschuss soll bereits am 12. Oktober
beginnen. Er gehe davon aus, das Verfahren in dem Gremium binnen zwei
Wochen abschließen zu können, sagte der Ausschussvorsitzende Lindsey
Graham im TV-Sender Fox News. Danach stünde die Abstimmung des
gesamten Senats an.
Die Demokraten um Präsidentschaftskandidat Joe Biden fordern, dass
der Sieger der Präsidentenwahl über die Ginsburg-Nachfolge
entscheidet. Bisher haben sich zwei republikanische Senatorinnen
gegen eine Entscheidung vor dem 3. November ausgesprochen. Die
Ernennung scheitert, wenn die Republikaner auf weniger als 50
Ja-Stimmen kommen – bei einem Patt von 50 zu 50 kann Vizepräsident
Mike Pence auf ihrer Seite eingreifen.
Nach der Nominierung wurde deutlich, dass die Demokraten nun an die
Bürger appellieren wollen – vor allem mit der Aussicht, dass Barretts
Stimme die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama im Obersten
Gericht kippen könnte. "Wenn die Amerikaner mehr über Barretts
Ansichten erfahren, wird sie sehr unpopulär werden", sagte der
demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer. Er hoffe,
dass sie dann ihre republikanischen Senatoren anrufen und sie
auffordern, nicht für Barrett zu stimmen.
Richterkandidatin gilt als erzkonservativ
Trump will Obamas Reform, die unter anderem Personen mit
Vorerkrankungen erstmals den Zugang zur Krankenversicherung
garantierte, vor dem Obersten Gericht kippen. "Obamacare" war bei
einem früheren juristischen Angriff 2012 mit einer knappen Mehrheit
von fünf zu vier Stimmen von dem Gericht bestätigt worden. Barrett
hatte die damalige Argumentation des Gerichts öffentlich kritisiert.
Biden betonte zudem, dass mit einem Aus für die Gesundheitsreform
auch Patienten mit Corona-Folgen wie Lungen- oder Herzkomplikationen
von Krankenversicherern abgelehnt werden könnten.
Barrett wurde bereits in den vergangenen Tagen als aussichtsreichste
von mehreren Kandidatinnen gehandelt. Sie ist seit 2017 Richterin an
einem Berufungsgericht. Die Katholikin gilt unter anderem als
Abtreibungsgegnerin. Das macht ihre Kandidatur attraktiv für
erzkonservative Kreise. Bei der Anhörung im US-Senat für den Posten
als Berufungsrichterin 2017 betonte Barrett, dass sie sich nur vom
Gesetz und nicht von ihrem Glauben leiten lasse. Mit Barrett würde
Trump bereits den dritten Sitz am Obersten Gericht besetzen.
Zur Kontroverse um die Nominierung trägt auch bei, dass im Jahr 2016
die Republikaner im Senat einen Kandidaten des damaligen Präsidenten
Barack Obama für die Nachfolge des verstorbenen Richters Antonin
Scalia blockiert hatten. Mehrheitsführer Mitch McConnell erklärte
damals zur Begründung unter anderem, dass der Senat in einem Wahljahr
grundsätzlich keine Richterposten am Supreme Court besetzen sollte.
Jetzt nahm er diese Regel mit der Begründung zurück, dass diesmal das
Weiße Haus und der Senat in der Hand einer Partei seien.
Trump sagte zudem, dass er das Oberste Gericht auch mit Blick auf
mögliche Streitigkeiten um den Ausgang der Präsidentenwahl komplett
besetzt haben wolle. Der Präsident behauptet bereits seit Wochen,
dass per Post abgeschickte Stimmzettel die Gefahr von Wahlfälschung
drastisch erhöhten. Experten und Wahlverantwortliche bestreiten dies.
In der Corona-Krise greifen unterdessen viel mehr US-Bürger als
üblich zur Briefwahl.
(pcl/dpa)
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